Allrounder auf neuen Wegen
- Written by Redaktion
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Wärmen, kühlen, Raumakustik verbessern, Schutz gegen Feuchtigkeit und Brände – Trockenbau kann weit mehr bieten als eine optische Verkleidung. Der Trend zu Green Buildings kommt der leichten Bauweise entgegen.
Trockenbau, das galt lange Zeit als Nischenprodukt. In Krankenhäusern, Büros und Einkaufszentren waren Wandverkleidungen und abgehängte Decken verstärkt ab den 1980er-Jahren präsent. Im Wohnbau dauerte es trotz der kurzen Bauzeiten und niedrigen Kosten etwas länger, bis die Leichtbauweise Fuß fassen konnte. Mit der Weiterentwicklung der Produkte setzte jedoch in den letzten zwei Jahrzehnten in der Branche ein Quantensprung ein.
Durch spezielle Zuschlagstoffe eignen sich Gipskarton- und Gipsfaserplatten auch für Feuchträume und erfüllen höchste Anforderungen bezüglich Tragfähigkeit, Brand-, Wärme- und Schallschutz. Ob Neubau, Umbau oder Sanierung – Trockenbau-Komponenten kommen auf nahezu allen Baustellen zum Einsatz. Ist eine Wand einzuziehen oder eine Fläche zu strukturieren, sind die einfach verlegbaren Platten meist die erste Wahl. Am ursprünglichen Prinzip hat sich auf den ersten Blick wenig verändert: Vorsatzschale oder Metallständerwände, Plattenmontage, Spachteln, fertig. Tatsächlich ist der Trockenbau aber ein komplexes Handwerk, das viele andere Bereiche im Bau verknüpft.
Bild oben: Ingrid Janker, Knauf: »Der Leicht- bzw. Trockenbau hat einen weit besseren CO2-Footprint als andere Bauweisen.«
Breite Produktpalette
Gregor Todt, Präsident des Verbands der Österreichischen Stuckateur- und Trockenbauunternehmungen (VÖTB), kämpft seit jeher um die Aufwertung des Berufsbildes. Lange Zeit als Hilfsarbeitertätigkeit abgetan, die bloß das Verschrauben und Verspachteln von Platten umfasst, müssen Trockenbauspezialisten eine ganze Reihe bauphysikalischer Vorgaben berücksichtigen und sich bezüglich der Installationen mit den anderen Gewerken abstimmen. Ausgeklügelte architektonische Konstruktionen sind mittels Leichtbau-Elementen kostengünstig umsetzbar, erfordern aber hohes technisches Know-how und fachliches Können.
Das Kolleg für Trockenbau-Management, seit dem Schuljahr 2018/19 an der HTL Baden, trägt den steigenden Anforderungen Rechnung. Der viersemestrige berufsbegleitende Lehrgang vermittelt Fachkenntnisse in den Kompetenzfeldern Baukonstruktion, Tragwerkslehre, Gestaltung, Bauplanung und Schnittstellenmanagement sowie praktisches Know-how in Werkstätten und Laboratorien.
Denn auch die Materialien werden vielfältiger. Spezielle Beschichtungen integrieren den Zusatznutzen gleich in der Platte. So gibt es unter den mehr als 20 verschiedenen Typen u.a. Gipsplatten mit Luftreinigungseffekt, mit erhöhtem Schallschutz sowie einbruchssichere Platten. Neben dem Klassiker Gips bereichern ökologische Varianten mit Lehm und Holzfaser das Angebot. Lehmbauplatten absorbieren Gerüche und wirken feuchtigkeitsregulierend, die Oberfläche überzeugt durch ihre angenehm sanfte Haptik. Bei Holzweichfaserplatten sorgen Holzreste von Nadelhölzern, die in Sägewerken anfallen, für Festigkeit und besonders effektive Trittschalldämmung. Sie werden meist zusätzlich mit dünnen Lehmschicht überzogen.
Leichtbauplatten bestehen aus Blähglas, das aus Altglas-Granulat hergestellt wird – die kleinen hohlen Kügelchen sind schimmelresistent und druckstabil. Die Platten kommen häufig als Akustikdecken zum Einsatz, da sie die Nachhalldauer in Räumen erheblich mindern. Als besonders heizkostensparend gelten wiederum Trockenbauplatten mit Paraffin-Perlen, die bei Tag überschüssige Wärme aufnehmen und sich verflüssigen, sich in der Nacht aber wieder verfestigen und für Abkühlung in den Räumen sorgen.
Bild oben: Josef Gasser, Lieb Bau Weiz: »Vorfertigung bringt im Sinne von Qualität und Geschwindigkeit enorme Vorteile.«
Modular bauen
Generell werden die Systeme immer moderner und technisch ausgefeilter, wodurch die Einsatzbereiche deutlich breiter sind, als der herkömmliche Trockenbau vermuten lässt. »Trockenbausysteme sind heute auch im Fassadenbau sowie bei im Freien liegenden Dachuntersichten gefragt. Das wäre noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen«, sagt Josef Gasser, Geschäftsführer der Lieb Bau Weiz.
Eine sprunghafte Entwicklung nahm auch die Raumakustik. »Wir verzeichnen seit Jahren einen Trend in Richtung verbesserter Komfort in Innenräumen«, bestätigt Peter Giffinger, CEO bei Saint-Gobain Austria, die in Österreich die Marken Rigips, Isover, Weber Terranova und Glassolutions vertritt: »Bei Bildungs- und Bürobauten werden schon lange standardmäßig Systeme für ein optimales Raumklima verbaut – im Vergleich dazu funktionieren viele Homeoffice-Lösungen eher provisorisch. Um zu Hause die Standards eines Arbeitsplatzes erfüllen zu können, werden Systeme für Raumakustik eine immer wichtigere Rolle spielen.« Rigips DuoTech Schallschutzwände oder Akustikdeckensegel von Ecophon erfüllen diesbezüglich höchste Ansprüche, wie viele während der Corona-Zeit ins Homeoffice verbannte MitarbeiterInnen zu schätzen gelernt haben.
Bei der Verarbeitung rückt die modulare Bauweise in den Vordergrund. Diese Entwicklung dürfte sich noch verstärken, meint Giffinger. Saint-Gobain präsentiert sich als innovativer, strategischer Partner der Fertigteil- oder Holzbauindustrie: »Die zunehmende Verlagerung von der Baustelle in die Vorfertigung wird auch dem Fachkräftemangel entgegenwirken, der immer spürbarer wird.«
Lieb Bau Weiz-Chef Gasser sieht in der Vorfertigung im industriellen Trockenbau – Stichwort Baustellenlogistik – noch einige Fragen offen: »Bei Einzelteilen wie Eckenausbildungen oder Beleuchtungsnischen setzen wir hausintern seit Jahren auf Vorfertigung, was im Sinne von Qualität und Geschwindigkeit enorme Vorteile bringt. Ob jedoch vorgefertigte Produkte abseits von Fassadenelementen einen flächendeckenden Einsatz finden werden, ist aufgrund des vorzuverlegenden Einbauzeitpunktes und der Witterungsempfindlichkeit von Gipsprodukten aus unserer Sicht eher fraglich.«
Bild oben: Peter Giffinger, Saint-Gobain Austria: »In allen Lebensbereichen liegt der Fokus auf Flexibilität – eine der großen Stärken des Leichtbaus.«
Ökobilanz positiv
Der Fokus auf ressourcenschonendes Bauen spricht klar für den Trockenbau. »Der Leicht- bzw. Trockenbau hat bereits jetzt einen weit besseren CO2-Footprint als andere Bauweisen. Damit geben wir uns aber nicht zufrieden und arbeiten sowohl an Reduktionen in der Produktion als auch an der Entwicklung von Systemen, welche die Gebäudeeffizienz erhöhen«, erklärt Knauf-Geschäftsführerin Ingrid Janker. Als Beispiel nennt sie Heiz- und Kühldecken, die bei Neubauten bereits Standard sind: »Man sollte aber nicht vergessen, dass sie ein ideales Instrument darstellen, wenn bei Sanierungsprojekten das Heiz- und Kühlsystem komplett überdacht und nachgerüstet werden soll.«
Der Trockenbau profitiert von der steigenden Sanierungsrate und der urbanen Nachverdichtung. Dachausbauten und Aufstockungen wären aus statischen Gründen in Massivbauweise oftmals nicht machbar: Durch das geringe Plattengewicht wird das Gebäude aber kaum belastet. Bei denkmalgeschützten Fassaden verlagert sich die Wärmedämmung in die Innenräume – auch hier kommt der Trockenbau zum Zug.
Als erster österreichischer Hersteller hat Rigips Austria nicht nur einzelne Produkte, sondern alle relevanten Trockenbausysteme der ökologischen Zertifizierung durch die Umweltproduktdeklaration (EPD) unterstellt und leistet auch beim Recycling der Produktionsabfälle Pionierarbeit. »Beispielsweise wird in den regionalen Bergbauen in Bad Aussee und Puchberg Gips, der Rohstoff für die Rigips-Platten und -Spachtelmassen, unter nachhaltigen Bedingungen gewonnen, die Abbauflächen rekultiviert und der Gips wieder in den Kreislauf rückgeführt«, sagt CEO Peter Giffinger.
»EPDs werden von allen in Österreich gängigen Zertifizierungssystemen wie klima:aktiv, ÖGNB, TQG oder OGNI bei der Bewertung von Gebäuden herangezogen und unterstützen Hersteller zusätzlich bei der Vermarktung von umweltfreundlichen bzw. nachhaltigen Bauprodukten«, erklärt Hildegund Figl vom Östereichischen Institut für Baubiologie. Durch nachhaltiges Bauen und bewussten Umgang mit Ressourcen – Stichwort Green bzw. Blue Buildings – könnte das EPD-Zertifikat für emissionsarme Baustoffe künftig an Bedeutung gewinnen.