Nationalratswahl 2019
- Written by Redaktion
- font size decrease font size increase font size
Im Herbst sind Nationalratswahlen – schon wieder. Nach dem Platzen der türkis-blauen Regierung infolge des Skandalvideos von Ibiza wird die österreichische Bevölkerung wieder zu den Urnen gebeten. Der Bau & Immobilien Report wird Sie in den nächsten Ausgaben bis zur Wahl mit für die Bauwirtschaft relevanten Informationen zu den Inhalten und Positionen der Parteien versorgen. Für diese Ausgabe wurden Wirtschafts- und Bautensprecher der Parteien* zu den Themen Konjunktur, fairer Wettbewerb und BIM befragt.
Thema: Konjunktur
Report: Während sich die allgemeine Konjunktur eintrübt, ist der Bau davon derzeit noch nicht betroffen. Das wird sich laut Experten in den nächsten Jahren aber ändern, nicht zuletzt durch rückläufige Investitionen der öffentlichen Hand. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie in der nächsten Legislaturperiode sicherstellen, dass sich die Baukonjunktur nicht zu stark abschwächt, und wie wollen Sie diese für die Gesamtwirtschaft so wichtige Säule weiter stärken?
1.Peter Haubner, ÖVP:
Als ÖVP-Wirtschaftssprecher setze ich mich für einen umfassenden Maßnahmenmix in verschiedenen Bereichen ein. Neben öffentlichen Investitionen z.B. in einen bedarfsgerechten Ausbau des öffentlichen Verkehrs im ländlichen Raum oder den Ausbau des Straßennetzes, insbesondere in Hinblick auf die Elektromobilitätstauglichkeit, braucht es auch geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen, die die Bautätigkeit Privater ankurbelt. Eine Überarbeitung des österreichischen Mietrechts oder die Abschaffung der Nebenkosten beim ersten Eigenheim schaffen Anreize im Wohnungsbau. Ein Zugang zu Finanzierungen für KMUs und bessere Rahmenbedingungen für Betriebsansiedelungen würden die Bauleistung von Unternehmen ankurbeln. n
2.Christoph Matznetter, SPÖ: Selbstverständlich sollte die nächste Bundesregierung rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um bei einer abflauenden Konjunktur gegensteuern zu können und so effektiv Arbeitslosigkeit bekämpfen zu können. Im Konjunkturabschwung halten sich Unternehmen mit Investitionen zurück. Dies führt zu einem (weiteren) Rückgang des Wirtschaftswachstums. Damit die Unternehmen wieder mehr investieren, müssen Anreize geschaffen werden. Wir haben daher bereits die Einführung einer vorzeitigen Abschreibung vorgeschlagen, damit Investitionen vorgezogen werden. Auch die Stärkung der öffentlichen Investitionen ist essenziell. Außerdem wollen wir durch Zweckzuschüsse des Bundes für die Schaffung von leistbaren Wohnraum den gemeinnützigen Wohnbau verstärken, das schafft nicht nur zusätzlichen Wohnraum, sondern stützt insbesondere auch die Bauwirtschaft.
3.Philipp Schrangl, FPÖ:
Die Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes zeigt, dass uns Freiheitlichen leistbarer Wohnraum ein zentrales Anliegen ist. Ich habe aber auch bei gewerblichen Bauträgern keine Angst, was ihre Auftragsbücher betrifft. Wir von der Politik sollen die Rahmenbedingungen schaffen, nicht immer muss das deshalb bedeuten, dass der Staat Geld in die Hand nehmen muss. Einheitliche Normen, wirtschaftlich darstellbare Steuergesetzgebung, Rechtssicherheit, das ist es, was meiner Meinung nach die Bauwirtschaft in Österreich braucht. Mit dem soeben beschlossenen Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, sichern wir das über Jahre gut angelegte Kapital der gemeinnützigen Bauträger, die es damit geschafft haben, die Preise in Österreich zu dämpfen.
4.Sepp Schellhorn, Neos:
Die öffentliche Hand ist historisch in Österreich ein wichtiger Investor in Bauprojekte. Gleichzeitig darf man aber nicht den Fehler machen, die ganze Branche in Abhängigkeit des Staates zu bringen. Private Unternehmen bilden für uns vor diesem Hintergrund einen wichtigen Faktor. Damit sich das Bauen lohnt, müssen die Rahmenbedingungen entsprechend ausgestaltet werden (Bauordnung, Raumplanung, Steuern, Wohnrecht). Sind die Rahmenbedingungen attraktiv, ermöglicht man der Bauwirtschaft eine angemessene Entfaltung. Sollte die Nachfrage nach Wohnraum konstant hoch bleiben (wovon auszugehen ist) und die Rahmenbedingungen investitionsfreundlicher gestaltet werden, trauen wir der Baubranche sogar zu, einen stabilisierenden Einfluss auf die gesamte Wirtschaft auszuüben.
5.Nina Tomaselli, Die Grünen: Die Baubranche ist einer jener Bereiche, in die wir in der kommenden Legislaturperiode intensiv investieren müssen, um notwendige Nachhaltigkeits- und Ökologisierungsmaßnahmen umsetzen zu können. Die Grünen werden sich im Nationalrat sowie bei einer allfälligen Regierungsbeteiligung für ökologische Baustandards einsetzen, um die Klimakrise zu verhindern sowie auf klimatische Veränderungen zu reagieren. Dazu gehören jedenfalls: eine Sanierungsrate von drei Prozent, besseres Nutzwassermanagement, umweltschonende Heizung und Kühlung, verpflichtende Grünraumgestaltung und vieles mehr. Das sorgt nicht nur für mehr Klima- und Bodenschutz, sondern verringert Leerstände und schafft Arbeitsplätze. Dafür braucht es verbindliche Ökostandards in der Wohnbauförderung, aber auch eine Ökologisierung der Bautechnikverordnungen.
Thema: Fairer Wettbewerb
Report: Ein für die Branche wesentliches Thema ist der faire Wettbewerb. Nicht nur, aber vor allem in grenznahen Regionen spüren viele Unternehmen die Konkurrenz aus Billiglohnländern. Entsendungen wie etwa aus Slowenien mit unterschiedlichen Berechnungsverfahren für Sozialversicherungsbeiträge sorgen für harsche Kritik. Wie wollen Sie die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen stärken bzw. wiederherstellen?
1.Peter Haubner, ÖVP: In der Vergangenheit wurde durch immer strengere gesetzlichen Bestimmungen und immer höhere Strafen versucht, den fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Leider hat uns die Praxis gezeigt, dass es beim überwiegenden Teil der Fälle mit Auslandsbezug an der Durchsetzbarkeit scheitert. Meiner Meinung nach ist es an der Zeit, von der EU einzufordern, was sie seit Jahren verspricht: faire Wettbewerbsbedingungen – auch bei grenzüberschreitenden Fällen. Wer seine Dienstleistungen in Österreich erbringt, muss sich auch an das Lohn- und Sozialabgabenniveau Österreichs halten. Das muss ohne Wenn und Aber EU-weit durchsetzbar sein. Andererseits braucht es eine Senkung der Steuer- und Abgabenquote für unsere heimischen Betriebe in Richtung 40 Prozent. Österreich liegt hier EU-weit im Spitzenfeld auf Platz 6.
2.Christoph Matznetter, SPÖ:
Wir müssen entschieden gegen jede Form von Lohn- und Sozialdumping auftreten. Denn das übt nicht nur Druck auf den heimischen Arbeitsmarkt aus, sondern stellt klar einen unfairen Wettbewerbsvorteil für jene dar, deren Modell auf der Umgehung von Mindestlöhnen und fairen Arbeitsbedingungen fußt. Der slowenische Entsendebonus stellt genauso ein Vorgehen dar. Das ist aller Voraussicht nach nicht nur EU-rechtswidrig, sondern bestraft redliche Unternehmen. Konkret sind Maßnahmen erforderlich, die die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen stärken bzw. wiederherstellen, wie zum Beispiel die Regelungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs-Gesetzes als europaweites Vorbild für effektive Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping zu bewerben, die Schaffung einer europäischen Sozialversicherungsnummer oder die grenzübergreifende Vollstreckung von Strafen nach dem LSD-BG.
3.Philipp Schrangl, FPÖ: Ich denke, die stellen die österreichischen Betriebe schon selbst her. Durch ihre Qualität. Die Europäische Union steht für den Binnenmarkt, man kann sich nicht immer nur die Rosinen herauspicken, Reisefreiheit ja, Binnenmarkt nein. Eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher will diese Union, und diese gibt es nur mit Binnenmarkt. Die Politik muss dafür sorgen, dass die österreichischen Gesetze eingehalten werden, auch auf Baustellen, die nicht von Österreichischen Unternehmern geleitet werden.
4.Sepp Schellhorn, Neos:
Aus unserer Sicht ist eine Senkung der Lohnnebenkosten die beste Maßnahme, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen zu stärken, ohne die Grundprinzipien der EU infrage zu stellen. Daher fordern wir, die »Übergangs-Abgabe« Kammerumlage 2 ersatzlos zu streichen. Zudem bedarf es einer Senkung der AUVA-Beiträge. Denn einer stetig sinkenden Zahl an Arbeitsunfällen stehen aufgrund zunehmender Beschäftigtenzahlen laufend steigende Beiträge gegenüber. Darüber hinaus braucht es eine Strukturreform des Familienlastenausgleichsfonds. Letztlich ist auch der Wohnbauförderungsbeitrag als lohnabhängige Abgabe fehlkonstruiert. Mangels Zweckwidmung kommen die Gelder in vielen Bundesländern nie im Wohnbau an. Die Wohnbauförderung soll dementsprechend aus dem allgemeinen Steueraufkommen auf Basis einer Steuerautonomie der Bundesländer gedeckt werden.
5.Nina Tomaselli, Die Grünen:
Um Lohndumping in der EU zu Lasten aller Arbeitnehmer*innen zu verhindern, setzen wir uns daher für eine Mindestlohn-Richtlinie ein, die allen Arbeitnehmer*innen in der EU, entsprechend dem Medianeinkommen des jeweiligen Landes, ein auskömmliches Einkommen garantiert. Die neue Entsenderichtlinie war ein wichtiger grüner Teilerfolg, um den Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« in Europa durchzusetzen. Werden künftig Arbeitnehmer*innen zeitweise in ein anderes EU-Land entsandt, so müssen sie für gleiche Arbeit am gleichen Ort den gleichen Lohn erhalten – für alle entsandten Arbeitnehmer*innen gelten hierbei die Vergütungsregeln des Gastlandes. Für die Umsetzung braucht es aber mehr staatliche Kontrollen und eine entsprechende Änderung der Arbeitszeit-Richtlinie.
Thema: BIM/Digitalisierung
Report: Eines der großen Themen der Branche ist Building Information Modeling. Damit sollen Planung, Errichtung und Betrieb von Bauwerken deutlich effizienter und auch günstiger werden. In Österreich steckt BIM aber noch in den Kinderschuhen. Sollte BIM wie oftmals gefordert bei öffentlichen Ausschreibungen verpflichtend eingefordert werden und die öffentlichen Auftraggeber damit treibende Kraft hinter einer flächendeckenden Einführung sein?
1.Peter Haubner, ÖVP: Bauprojekte zeichnen sich durch eine hohe Arbeitsteiligkeit und die dadurch bedingte große Anzahl an Beteiligten aus. Das führt insbesondere in Hinblick auf die Digitalisierung in der Bauwirtschaft zu Herausforderungen hinsichtlich der Schnittstellen und zu Fragen der Offenlegung von firmeninternen Daten wie z.B. der Preisgestaltung gegenüber Mitbewerbern. Einheitliche Standards – an denen aktuell eifrig gearbeitet wird – sind hier jedenfalls erforderlich, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Selbstverständlich darf sich auch die öffentliche Hand technologischen Neuerungen nicht verschließen. Öffentliche Ausschreibungen sind jedoch stets so zu gestalten, dass alle Marktteilnehmer eine faire Chance zur Angebotslegung bzw. Partizipation vorfinden.
2.Christoph Matznetter, SPÖ: BIM ist eine sehr gute Methode und wird bei Großprojekten in Österreich auch schon angewendet. Freilich ist es auch komplex, aufwändig (u.a. hoher Schulungsaufwand) und teuer. Darauf muss Rücksicht genommen werden. Deswegen soll es bei einer nächsten Novelle des Bundesvergabegesetzes zunächst als Empfehlung für Großprojekte ins Vergaberecht aufgenommen werden. Bei kleinen Aufträgen und Auftraggebern ist es vom Aufwand her derzeit eher nicht zielführend, das BIM als vergaberechtliche Empfehlung zu verankern; daher die Beschränkung der Empfehlung im Vergaberecht auf Großprojekte.
3.Philipp Schrangl, FPÖ: Fest steht, es darf zu keiner Verteuerung des Wohnraumes kommen. Wenn dies zu einer Effizienzsteigerung und damit letztlich auch zu einer Senkung der Baukosten führt, sollten die öffentlichen Auftraggeber dies gezielt fördern, es darf dabei aber nur ein österreichweites System geben.
4.Sepp Schellhorn, Neos: Die Gebäudedatenmodellierung, also die optimierte Planung und Ausführung von Gebäuden mit Hilfe entsprechender Software, ist ein intelligentes digitales Gebäudemodell, das es allen Projektbeteiligten – vom Architekten und Bauherrn über den Haustechniker bis hin zum Facility Manager – ermöglicht, gemeinsam an diesem integralen Modell zu arbeiten und dieses zu realisieren. Die Digitalisierung bietet uns hier enorme Chancen. Wie von vielen Experten immer wieder angeführt, sollte diese Software möglichst offen und daher für alle Markteilnehmer zugänglich sein. Ein stärkeres Engagement in Sachen Digitalisierung im Baubereich sowie im Bereich der öffentlichen Vergabe, wäre durchaus wünschenswert. Andere Länder in Europa verpflichten bereits zu BIM im Genehmigungsverfahren. Österreich sollte vergleichbare Schwerpunkte setzen, um den Anschluss nicht zu verlieren.
5.Nina Tomaselli, Die Grünen: Grundsätzlich stehen die Grünen für Nachhaltigkeit, Transparenz, Effizienz und Kostengünstigkeit in allen Ausschreibungsprozessen. Building Information Modeling kann ein wichtiger Innovationsmotor werden. Vor einer standardisierten Integration in die öffentliche Auftragsvergabe müssen zuerst die wohnbaupolitischen Ziele geklärt werden.