Change am Bau
- Written by Karin Legat
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Digitalisierung, Klimawandel und gesellschaftliche Umstrukturierungen erfordern Veränderungen in der Baubranche. Der Bau & Immobilien Report hat mit Bauunternehmern, Planern und Ausbildern gesprochen.
Mittlerweile ist es keine Frage mehr, ob wir für Veränderungen bereit sind oder nicht. Sowohl die Digitalisierung als auch die Klimaveränderung werden uns einholen, wenn wir nicht rasch reagieren«, zeigt Daniela Trauninger, Leiterin des Zentrums für Bauklimatik und Gebäudetechnik an der Donau-Universität Krems, auf. Der Klimawandel bildet für sie die größte Herausforderung. Vor allem in Kombination mit der Urbanisierung übe dieser schon jetzt einen großen Einfluss auf die Baubranche aus. Durch den Temperaturanstieg sowie eine zunehmende Verdichtung und Versiegelung nimmt beispielsweise die Kühlung von Gebäuden einen immer höheren Stellenwert ein. Gebäude bzw. Gebäudekomponenten dürften nicht isoliert betrachtet werden. Laut Christian Hanus, Leiter Department für Bauen und Umwelt an der Donau-Uni, wird es aber dauern, bis sich Innovationen etabliert haben. »Knappe Preise und knappe Kalkulationen verleiten zu Trägheit. Der Raum für Experimentierfreudigkeit außerhalb gesetzlicher Vorgaben ist eher beschränkt.«
Nächste Generation
Gebäude werden künftig Teil eines großen erneuerbaren Energienetzes sein, sowohl Energieabnehmer als auch -versorger und Speicher. Betriebshandbücher für Gebäude, wie sie laut Hanus etwa in Bayern erstellt werden, können helfen, Gebäude bewusst zu nutzen und damit Einsparungen von bis zu 30 Prozent zu erzielen. An der Donau-Uni wird derzeit an zukunftsfähigen Technologien für die Kühlung von Bestandsgebäuden geforscht. Passive Kühlstrategien wie effiziente Nachtlüftung und Verschattung sowie die Nutzung speicherwirksamer Massen nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Für Hanus ist es wichtig, flächendeckend zu arbeiten. »Mit kleinen Sprüngen in der Breite kann ein großer Effekt erzielt werden. Das bringt mehr, als nur einzelne Gebäude technologisch zu optimieren.« Am Forum Building Science der Donau-Universität Krems wurden dazu im Mai einige Projekte vorgestellt.
Digitale Bauzukunft
Themen wie BIM, Digitalisierung von Bauprodukten und Baumaschinen sowie Smart Homes erfordern neue Arbeitsweisen. »Es besteht großer Handlungsbedarf, wenn beispielsweise BIM bei öffentlichen Ausschreibungen verpflichtend verlangt wird«, sagt Knauf-Vertriebsleiter Stefan Pointl. Durch die Digitalisierung bietet sich dann aber ein deutliches Plus an Qualität, ebenso professionellere Leistungen. »Komplexe Vorgänge am Bau lassen sich für alle Beteiligten einfach und transparent darstellen. Das bringt entscheidende Vorteile bei der Planung und spart Zeit«, nennt Franz Kolnerberger, Geschäftsführer der Wienerberger Ziegelindustrie, ein Plus. Auch bei der Porr sieht man in der Digitalisierung große Chancen.
»Es geht gleichermaßen um operative wie um wirtschaftliche Prozesse. Digitale Prozesse erleichtern Routinearbeiten und steigern die Interaktion bzw. die Transparenz zwischen Bauherren, Planern und ausführenden Gewerken«, so CEO Karl-Heinz Strauss. Eine Digitalisierungsoffensive ist aktuell bei Wienerberger am Laufen und erstreckt sich laut Kolnerberger von »Sign on glass« über die Online-Berechnung des U-Werts bis hin zur künftigen Unterstützung mit BIM. Neben Digitalisierung ist für ihn aber auch entscheidend, als Hersteller noch näher am Kunden zu sein. Wohnformen von heute werden in einigen Jahren völlig überholt sein, ist von der Donau-Uni Krems zu hören. Der demografische und soziale Wandel der Gesellschaft sei eine zentrale Herausforderung für die Baubranche und werde diese auch die nächsten Jahre beschäftigen, ist Kolnerberger überzeugt.
»Mit nachhaltigen, energieeffizienten Ziegeln für den mehrgeschoßigen Objektbau bieten wir die entsprechenden Lösungen für die voranschreitende Urbanisierung und die damit verbundene Nachfrage an Wohnraum.« Auch Baumeisterin Renate Scheidenberger, baukultur, sieht Vorteile im Massivbau: »Man muss sich wieder mehr auf alte Regeln besinnen. Das Klima im Altbau funktioniert sehr gut mit dicken Wänden, Kastenfenstern und den Materialien Ziegel und Holz.« Mit dünnen Wänden, Vollwärmeschutz, niedrigen Raumhöhen und Kunststofffenstern dominiere Wirtschaftlichkeit zulasten der Qualität. »Ich halte nichts von extremem Vollwärmeschutz mit dichten Kunststoffenstern und gleichzeitiger Installation von Dauerbelüftungen, damit es nicht schimmelt.«
Quick Step
Laut Christian Hanus müssen neue Technologien eingesetzt werden, das komplette Bauwesen bedarf einer Umwälzung. »Das betrifft in erster Linie die Umgangsweise mit Gebäuden, ihre Nutzung, Sparsamkeit, Optimierung der Nutzungsweisen und den besonderen Umgang mit Ressourcen.« Es braucht einen grundlegenden Paradigmenwechsel, und zwar in der gesamten Gesellschaft. Dafür muss der Fokus verlagert werden – hin zu mehr Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Ressourcenmanagement, Ökologie, Nutzerkomfort sowie Mobilität und Infrastruktur bei der Gebäudeplanung.
»Leider verharren viele Akteure der Baubranche immer noch in veralteten Denkmustern, die teilweise verhindern, resiliente Gebäude und Städte für unsere Nachkommen zu schaffen«, bedauert Trauninger. Neben dem Konsumverhalten müssen das Wohn- und Mobilitätsverhalten hinterfragt und verändert werden. Einen Change braucht es auch in der Ausbildung. »Dass vieles, was Menschen gebaut und erschaffen haben, den anthropogenen Klimawandel verursacht, ist seit Jahrzehnten bekannt. Während meiner gesamten universitären Ausbildung wurde dieser Umstand jedoch in keiner einzigen Vorlesung intensiv thematisiert«, erinnert sich Trauninger. »Wenn wir es schaffen, die Leitidee einer nachhaltigen Lebensweise in unseren Köpfen zu verankern, könnten völlig neue Produkte und Vermarktungspotenziale in der Immobilien- und Bauwirtschaft entstehen.«
Am Bau
Entwicklungsbedarf gibt es auch auf der Baustelle. »Wir leben derzeit in einer Misstrauensgesellschaft«, so Scheidenberger. Die Baufirma misstraut Auftraggeber und Architekten und umgekehrt. Dadurch gehe viel Zeit und Geld verloren. »Es braucht Vertrauen. Man muss an einem Strang ziehen«, fordert sie. Gregor Todt spricht das Thema Schnittstellenproblematik an. »Die Systemhersteller sind künftig mehr gefragt, ihre Systeme prüfen zu lassen und abzustimmen. Immer wieder ergeben sich durch Schnittstellen in Wand, Deckenhohlraum und Trockenbodenbereich mit der Haustechnik Probleme.«