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Pleiten, Pech und Pannen

Pleiten, Pech und Pannen Foto: Thinkstock

Konkurrenzdruck, niedrige Margen und Scheinfirmen sorgen für ein anhaltend hohes Insolvenzniveau in der Baubranche. Abhilfe könnte nur der Gesetzgeber schaffen – etwa mit höheren Eigenkapitalanforderungen sowie einem klaren Bekenntnis zum Bestbieterprinzip.

»I hob valuan«: Der Austropop-Klassiker »Mei potschertes Leben« des glücklosen Boxers Hans Orsolics könnte eine Art inoffizielle Hymne von so manchem Bauunternehmen Österreichs sein. Denn die Baubranche ist seit vielen Jahren Spitzenreiterin der Insolvenzstatistiken – auch heuer war das sowohl im ersten Quartal als auch im ersten Halbjahr mit bisher insgesamt rund 400 Insolvenzfällen der Fall, wie die Zahlen der Kreditschutzverbände Creditreform und KSV 1870 zeigen. Damit dürfte die Anzahl der Insolvenzen heuer im Gesamtjahr in etwa auf dem hohen Niveau der bisherigen Jahre verharren (siehe Grafik).

Branche unter Druck

Wie sollte es auch besser sein – schließlich hat sich in den vergangenen Jahren keiner der Faktoren, die laut Experten die Hauptursachen für die hohe Anzahl der Insolvenzen darstellen, zum Besseren verändert. Der Preisdruck ist seit der Ostöffnung der EU anhaltend hoch und auch die früheren Überkapazitäten wurden trotz vieler Pleiten nicht abgebaut, sondern sind einfach zu Mitbewerbern gewandert. 

»Der anhaltend hohe Konkurrenzdruck führt zu Preisdumping und niedrigen Margen«, sagt Gerhard Weinhofer, Leiter Öffentlichkeitsarbeit Creditreform. »Österreichs Nähe zu Osteuropa und dem Balkan verschärfen den Druck.« Der unlautere Wettbewerb an den Grenzen setzt den heimischen Betrieben tatsächlich dramatisch zu, sagt auch Paul Grohmann, Sprecher der Bundesinnung Bau in der WKO: »Am Bau sind die Lohnkosten aufgrund der hohen Personalintensität wettbewerbsentscheidend. Selbst wenn ausländische Entsendefirmen, die nach Österreich hereinarbeiten, alle hier geltenden Vorschriften einhalten, verfügen sie über einen – legalen – Wettbewerbsvorteil, weil im Entsendestaat niedrigere Lohnnebenkosten und Sozialabgaben gelten. Zusätzlich aber umgehen viele ausländische Firmen österreichisches Recht und zahlen den hier geltenden Lohn nicht in vollem Umfang aus. Hier handelt es sich dann um einen illegalen Wettbewerbsvorteil.«

Klein- und Kleinstfirmen

Auch die Kleinteiligkeit der Baubranche tut ihr Übriges dazu, die Insolvenzstatistiken in die Höhe zu treiben: In Österreich gibt es rund 20.000 Baufirmen – und obwohl man als Branchenfremder immer nur die überall präsenten Firmenlogos der Top-Player wahrnimmt, die zu den größten Arbeitgebern Österreichs zählen und jährlich Milliarden umsetzen, liegt die durchschnittliche Mitarbeiteranzahl eines Bauunternehmens laut Creditreform bei 65 und der durchschnittliche Jahresumsatz bei lediglich 8,4 Millionen Euro.

Bild oben: »Viele Pleitefirmen bieten vorsätzlich mit Verlusten an, in der irrationalen Hoffnung, irgendwann die absehbaren Löcher durch gewinnträchtige Projekte stopfen zu können«, kritisiert KSV-Experte Hans-Georg Kantner

Der Verdrängungswettbewerb unter diesen zehntausenden Klein- und Kleinst-Baufirmen ist enorm. Deswegen sind laut dem KSV- Insolvenzexperten Hans-Georg Kantner der hohe Konkurrenzdruck im Inland und durch Mitbewerber aus dem Osten und die tiefen Margen die wichtigsten Gründe, warum die Baubranche in den Insolvenzstatistiken seit vielen Jahren den Spitzenplatz einnimmt. Denn in einem margenschwachen Geschäft, wo das Kapital noch dazu nicht mobil, sondern – etwa in Ausstattung und Gerätepark – fest geparkt ist, sind Unternehmer nun mal eher geneigt, bei den ersten Anzeichen von Verlusten lieber »durchzutauchen« und auf bessere Zeiten zu warten, die dann aber oft niemals kommen.

Kantner ortet bei vielen Pleitefirmen im Nachhinein ein vorsätzliches Anbieten mit Verlusten, »gepaart mit der irrationalen Hoffnung, irgendwann die absehbaren Löcher durch gewinnträchtige Projekte stopfen zu können«. Bauvorhaben laufen aber oft über mehrere Jahre, und dabei kann eine gute Abschätzung von Mehrkosten und Verlusten schwierig sein. Solange die Reserven reichen und die finanzierenden Banken mitspielen, kann man aber weiter arbeiten. »Dadurch akkumuliert sich nicht selten ein erhebliches Verlustpotenzial über Jahre unerkannt, bis es aus einem externen Anlass aufgedeckt wird«, so der KSV1870-Experte – die Folge ist die Pleite.

Kommen und Gehen

Nicht jeder Insolvenzfall ist allerdings externen Faktoren und Managementfehlern geschuldet und damit ungewollt. »Es ist kein Geheimnis, dass in der Insolvenzstatistik auch Sozialbetrüger und Scheinfirmen aufscheinen«, sagt Grohmann. »Bei diesen illegalen Praktiken werden sys­tematisch Firmen gegründet und ebenso rasch wieder in Konkurs geschickt.«  »Da herrscht ein reges Kommen und Gehen«, bestätigt Weinhofer. Auch Kantner bestätigt, dass man Fälle von »organisierter Kriminalität wie Sozialdumping, Lohndumping und absichtlich herbeigeführte Insolvenzen« in der Statistik berücksichtigen müsse: »Gerade in Wien sind erfahrungsgemäß drei von fünf eröffneten Konkursen so, dass es weder Aktiva gibt noch Aufzeichnungen und oft auch kein Management, das befragt werden könnte. In Wien ›verdünnisieren‹ sich solche Baufirmen nicht selten vollkommen.«

Dieser Praxis werden durch verstärk­te Kontrollen der Finanz und der Gebietskrankenkassen in letzter Zeit deutlichere Grenzen gesetzt. Dazu kommt der brancheninterne Bereinigungsprozess, der nach der Alpine-Pleite an Fahrt zugenommen hat. So lassen sich die großen Player wie Strabag, Porr, Swietelsky und Habau durch moderne Managementsys­teme nicht auf Risiken ein und wählen ihre Subunternehmer nach internen Kontrollen sehr genau aus. »Leider gibt es immer wieder ›schwarze Schafe‹ – vor allem Unternehmen aus dem grenznahen Ausland, die EU-Regeln schamlos ausnutzen und auch bei uns Schlupflöcher finden«, urteilt Porr-CEO Karl-Heinz Strauss: »Das Vorgehen dieser Firmen wird von uns auf das Schärfste bekämpft.«

Kapital und Wissen gefragt

Dass die führenden Player der Branche auf Fairness setzen, ist löblich – doch auch der Gesetzgeber müsste Maßnahmen in diese Richtung setzen, sagen die Experten einstimmig. »Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein«, sagt Kantner. Er rät dazu, flächendeckend vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip umzusteigen sowie objektive Gradmesser wie das KSV1870 Rating zum  Bestandteil in Ausschreibungsverfahren zu machen. Weinhofer fordert eine höhere Mindesteigenkapitalquote verbunden mit härteren Prüfungen bei der Vergabe des Gewerbescheins. »Baumeister ohne Deutschkenntnisse? Das ist heute leider sehr oft der Fall«, sagt er.

»Nicht jedermann soll ohne ausreichendes Wissen und Kenntnisse eine Bauunternehmung aufmachen dürfen«, schlägt auch Grohmann in die gleiche Kerbe: »Das Baugeschäft ist ein komplexes Geschäft, das nicht jedermann beherrscht. Deswegen ist der Befähigungsnachweis auch so wichtig.« Aber dafür fehle oft das Verständnis und das hab gerade die Diskussion um die Gewerbeordnung gezeigt: »Da wurden Argumente rund um die Sinnhaftigkeit von reglementierten Gewerben oftmals reflexartig und zu Unrecht als Wahrung von Eigeninteressen und zünftlerisches Denken der Interessenvertreter abqualifiziert«, weiß Grohmann. »Fakt ist aber: Wenn jedermann eine Baugewebeberechtigung bekommt – siehe die Liberalisierungen der letzten Jahre – und die Befürworter dieser Politik darauf hinweisen, dass es der Markt schon regeln werde, darf man sich nicht wundern, wenn der Markt das dann wirklich regelt und die Insolvenzen steigen.«

Last modified onDonnerstag, 20 Juli 2017 23:10
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