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Evolution vs. Revolution - Geschäftsmodelle auf dem Prüfstand

Die Teilnehmer des Round Tables (v.l.n.r.): Harald Mahrer, Jochen Borenich, Heinz Marx, Kurt Hofstädter, Nikolaus Kretz sowie Georg Kopetz. Die Teilnehmer des Round Tables (v.l.n.r.): Harald Mahrer, Jochen Borenich, Heinz Marx, Kurt Hofstädter, Nikolaus Kretz sowie Georg Kopetz. Foto: Syngroup, Julian Mullan

Das Industrieberatungsunternehmen Syngroup lud zu einem prominent besetzten Round Table zum Thema Digitalisierung ins Wirtschaftsministerium. Die wesentlichsten Erkenntnisse gelten quer durch alle Branchen: Die Digitalisierung braucht Mut zu Investitionen und zur Veränderung von Abläufen. Außerdem müssen jetzt die passenden Instrumente gefunden werden, um dem drohende Facharbeitermangel entgegenzuwirken.

Die erste These stellt Heinz Marx, Geschäftsführer Syngroup, in den Raum. Dafür wählte er ein durchaus drastisches Bild: »Die Digitalisierung entspricht einem Tsunami. Die Frage ist nur, ob ein Betrieb direkt getroffen wird oder nur am Rande.« Um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, müssten die eigenen Produkte rasch und vor allem richtig weiterentwickelt werden. »Das wäre der evolutionäre Einstieg in die unternehmerische Zukunft«, so Marx. Die Digitalisierung fordert von den Unternehmen aber auch, ihre Strategien ganz grundsätzlich zu hinterfragen und zu prüfen. Sollte sich dabei herausstellen, dass Produkte oder Dienstleistungen für die neuen Gegebenheiten untauglich sind, sei es notwendig, sich radikal neu aufzustellen. »Das wäre dann ein revolutionärer Veränderungsschritt«, sagt Marx.

Am Beginn der Analyse braucht es das Bewusstsein, dass unsere Wirtschaft vor grundlegenden Veränderungen steht. Staatssekretär Harald Mahrer bezweifelt, dass dieses Bewusstsein bei den heimischen Betrieben genügend ausgeprägt ist. »Es fehlt das Wissen, was alles digitalisierbar und vernetzbar ist. Die Exportkaiser sind in der Realität angekommen, die nicht so sehr der globalen Konkurrenz ausgesetzten Unternehmen sind das aber noch nicht«, weiß Mahrer.

Laut Jochen Borenich von Kapsch BusinessCom ist es wichtig, aus der Wirtschaftsgeschichte zu lernen. »Es hat immer wieder Sprünge in den Innovationszyklen gegeben. Die Geschwindigkeit auf dem Weg zur Industrie 4.0 ist aber viel schneller, weshalb sie aus meiner Sicht revolutionär und disruptiv ist.« Viele Bereiche stünden massiv unter Veränderungsdruck. Ein Beispiel für zu langsame Veränderungen sieht Georg Kopetz von TTTech Computertechnik in der Automobil-industrie. Bei der breiten Einführung von neuen Antriebssystemen sei es zum Beispiel nicht mehr fünf vor zwölf, sondern bereits zwölf Uhr. Dies ist aber nur eine der gravierenden Veränderungen im wichtigsten europäischen Industriesektor, die durch die Digitalisierung jetzt maßgeblich beschleunigt werden. So wurde kürzlich der CEO eines amerikanischen Automobilherstellers von Studierenden in Stanford mit einem ganzen Bündel von Bedrohungs- und Chancenfeldern konfrontiert. Ein Automobilhersteller müsse sich demnach heute mit mindestens acht Veränderungsvektoren der Digitalisierung gleichzeitig beschäftigen, so Kopetz. Das erfordere eine neue Qualität des Managements.

Investitionen nötig
Weitgehende Einigkeit herrschte in der Runde auch darüber, dass es seitens der Unternehmen eine erhöhte Investitionsbereitschaft geben müsse: »Die Betriebe werden teilweise auf Rendite verzichten müssen, wenn sie in fünf Jahren noch technologisch vorne dabei sein wollen«, stellte Heinz Marx fest und unterstrich, dass gerade Familienunternehmen ideale Voraussetzungen hätten, mit der Situation umzugehen, weil sie in der Regel langfristig denken und kurzfristig Entscheidungen treffen können. Einzig mit der Kultur, Fehler zu machen, müssten sie noch besser umzugehen lernen. Die Problematik sei aber, so Nikolaus Kretz, Eigentümer von KK Composites, einem oberösterreichischen KMU, dass gerade im Anlagenbau hohe Investitionssummen zu stemmen seien, von denen man aber nicht wisse, ob sie richtig angelegt sind. Ziele solcher Investments müssten Alleinstellungsmerkmal und Effizienz sein.

Fokus Mitarbeiter
Ein brisantes Thema ist aus Sicht der Diskutanten der Fachkräftemangel in technischen Berufen (siehe auch Titelgeschichte S. 14). Kurt Hofstädter sieht dafür gleich eine Vielzahl an Ursachen: Frauen fallen fast vollständig aus und auch junge Männer entscheiden sich viel zu selten für ein Technikstudium. An den Schulen fehle es an Mathematiklehrern, die das Fach plastisch und interessant vermitteln. Technikstudenten sollten Stipendien bekommen, die sie finanziell so unabhängig machen, dass sie nicht Zeit mit irgendwelchen Ferialjobs vergeuden müssen. »Das würde den Durchlass an den Universitäten und Fachhochschulen erheblich beschleunigen,« so Hochstätter. Weitere Ideen, die helfen würden, den Fachkräftemangel in einem europaweit »trockenen« Personalmarkt zu reduzieren, wären die Requalifizierung älterer Mitarbeiter, die Schaffung eines zweiten Bildungswegs und laut Kopetz das Bekenntnis dazu, dass Software als »vierte Grundkompetenz« neben Rechnen, Schreiben und Lesen gesehen werden müsse. Dringend zu ändern sei auch die restriktive Praxis der Rot-Weiß-Rot-Card, stellt Harald Mahrer fest.

Keine Steuererhöhungen
Eine Änderung des Steuersystems zugunsten von Innovationen und Arbeitsmarkt ist laut Kurt Hofstädter dringend notwendig. Kontraproduktiv sei es jedenfalls, wenn Investitionen durch neue Steuern belastet würden, sagte Heinz Marx: »Standortnachteile werden durch eine Maschinensteuer weiter verschärft. Es müsste Anreizsysteme für Investitionen geben statt Bestrafung.« Und Harald Mahrer stellt fest, dass Steuererhöhungen jedweder Art »ein Supergift für Investitionen« wären.


Die Diskutanten (alphabetisch):

- Jochen Borenich, Kapsch BusinessCom
- Kurt Hofstädter, Siemens
- Georg Kopetz, TTTech Computertechnik
- Nikolaus Kretz, KK Composites
- Harald Mahrer, Staatssekretär
- Heinz Marx, Syngroup

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