Ganze Tragweite noch nicht bewusst
- Written by Redaktion
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Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht der neue Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie VÖZ, Sebastian Spaun, über die dank HCB-Skandal schwierigen ersten Monate im Amt, die noch unbekannten Auswirkungen des Energieeffizienzgesetzes und sein Verhältnis zu den Kollegen der Holzfraktion.
Report: Das erste Quartal 2015 ist vorüber. Wie ist Ihr Einstieg als neuer Geschäftsführer der Vereinigung der österreichischen Zementindustrie – einmal abgesehen vom HCB-Skandal in Kärnten – gelaufen?
Sebastian Spaun: Ich kann ein sehr positives Resümee ziehen. Das liegt sicher daran, dass ich das Haus und die Mitarbeiter schon sehr lange und sehr gut kenne. Die Zusammenarbeit und das persönliche Auskommen mit meinem Team ist perfekt. Insofern ist mir der Einstieg leicht gefallen. Natürlich hat sich mein Aufgabengebiet verändert, weg vom technologieorientierten Umfeld hin zur Geschäftsführung mit all den operativen Aufgaben. Aber ich habe mich schon ganz gut eingearbeitet. Das merkt man auch daran, dass ich schon wieder deutlich besser schlafe (lacht).
Report: Für unruhige Nächte hat sicher der HCBSkandal gesorgt. Wie ist denn die Öffentlichkeitsarbeit und das interne Krisenmanagement aus Ihrer Sicht und mit etwas zeitlichem Abstand gelaufen?
Spaun: Anfänglich was das Ganze für die gesamte Branche und auch für mich selbst ein Schock. Die Betroffenheit war und ist immer noch groß. Vor allem, weil justament bei einem organischen Schadstoff so ein Unfall passiert, weil ja gerade die Zementindustrie beste Voraussetzungen für die Vernichtung derartiger Stoffe mitbringt. Davon bin ich auch nach vor felsenfest überzeugt. Das ist eine Stärke, die uns von allen Experten attestiert wird. Dass gerade hier ein Unfall passiert, war für mich sehr überraschend und auch unverständlich. Die Auswirkungen auf das Image der Branche kann man heute schon etwas differenzierter bewerten. Die lokalen Auswirkungen auf das direkte Umfeld sind natürlich enorm. Da ist viel Vertrauen verloren gegangen. Von unseren Kunden höre ich hingegen hauptsächlich positives Feedback.
Report: Inwiefern positives Feedback?
Spaun: Dass man nicht die Angst hat, dass Prozesse unkontrolliert ablaufen, die Produktqualität leidet oder dass man nicht davon ausgeht, dass die Zementindustrie nicht weiß, was sie tut. Da wird schon ganz klar erkannt, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Deshalb glaube ich auch, dass der Imageschaden überschaubar ist. Aber natürlich müssen wir jetzt konsequent weiterarbeiten und umso stärker zeigen, dass wir ein qualitativer Partner für die Abfallwirtschaft sind.
Report: In einem Interview mit den Niederösterreichischen Nachrichten hat Robert Schmid gemeint, dass das Zementwerk in Wopfing natürlich imstande sei, zu übernehmen, man dieses heiße Eisen aber derzeit nicht anfassen wolle. Verständlich aus Ihrer Sicht?
Spaun: Absolut. Die Verunsicherung ist im Umfeld aller Zementwerke groß. Und nichts ist einem Zementwerk wichtiger als ein gutes Einvernehmen mit Behörden und Nachbarn. Und so lange nicht alle Details aus Kärnten bekannt sind, kann ich diese Zurückhaltung gut verstehen. Trotzdem muss man sagen, dass die Branche schon im Jänner reagiert hat und klar festgestellt hat, dass wir weiter in das Thema Ersatzbrennstoffe investieren werden. Es muss aber klar kommuniziert werden, dass wir in den letzten Jahren sehr viel in die Verbesserung unserer Anlagen investiert haben, von Nachverbrennungsanlagen bis zu modernsten Katalysatortechniken. Bei einem Umsatz von 375 Millionen Euro hat die Branche in den letzten zehn Jahren 500 Millionen Euro in die Ertüchtigung der Anlagen investiert.
Report: Ist es nicht umso ärgerlicher, wenn man viel Geld investiert und dann passiert so etwas?
Spaun: Mit Sicherheit ist es ärgerlich, aber wir werden von unserem Weg nicht abgehen. In Ressourceneffizienz zu investieren ist weiter unabdingbar. Wir werden aber auch die Transparenz gegenüber allen Stakeholdern weiter verbessern. Und schließlich lassen wir wissenschaftlich begleitet bis zum Sommer einen Leitfaden erarbeiten, der sich mit Ersatzrohstoffen der Zukunft auseinandersetzt. Denn das wird ein Thema bleiben und wir wollen, dass sich jeder ein Bild davon machen kann, wie wir an die Sache herangehen.
Report: Wie sehen Ihre kurz- und mittelfristigen Ziele für Ihre Amtszeit aus?
Spaun: Es gibt einen Teil der Interessenvertretungsarbeit, den man sich nicht so genau vornehmen kann. Die Verbandsarbeit im engeren Sinn ist sehr reaktiv. Da geht es um europäische Vorgaben und deren nationale Umsetzung. Aber natürlich gibt es Herausforderungen, denen man sich aktiv stellen kann und muss. Das sind etwa standortpolitische Fragen. Da geht es um die Klimaschutzpolitik, um Fragen der Energieund Ressourceneffizienz. Da geht es um den Versuch, unabhängig zu werden von fossilen importierten Energiequellen und sich noch stärker dem Prinzip der Regionalität zu verschreiben. In diesem Zusammenhang ist eines meiner Ziele, die standortpolitische Diskussion zu führen und zu forcieren. Es gibt zwar ein Bekenntnis zu einer Reindustrialisierung, aber echte Impulse dahingehend sind leider noch nicht erkennbar.
Report: Wie bewerten Sie die Zukunftsaussichten für die Zementbranche in Österreich bzw. in Europa?
Spaun: Politik und Experten sagen unisono, dass man die Schwerindustrie nicht aus Europa vertreiben darf. Das ist sowohl aus ökologischen als auch arbeitsmarktpolitischen Gründen völlig logisch. Außerdem würde eine Verlagerung der Produktion auch einen Know-how-Abfluss zur Folge haben. Aber wir stehen natürlich in einem internationalen Wettbewerb und internationale Investoren orientieren sich nun mal am Return-on-Investment. Deshalb muss Europa darauf achten, dass Investitionen in die Industrie attraktiv bleiben. Da passiert leider viel zu wenig. Die Signale an das internationale Kapital, das kann man mögen oder nicht, fehlen völlig. Im Gegenteil: Unternehmen sind mit einer überbordenden Bürokratie konfrontiert, die vor allem mittelständische Unternehmen völlig überfordern.
Report: Auch beim Energieeffizienzgesetz wurde oft von einem Bürokratiemonster gesprochen. Haben die Unternehmen schon im Detail erkannt, was da auf sie zukommt?
Spaun: Nein. Das ist uns in der ganzen Tragweite noch nicht bewusst. Wir arbeiten zwar intensiv daran, aber wir stehen erst am Anfang. Aber ich befürchte, dass das Energieeffizienzgesetz hinsichtlich des bürokratischen Aufwands den Emissionshandel deutlich in den Schatten stellen wird. CO2 ist eine einfache Einheit, die man messen kann. Energie liegt in unterschiedlichsten Formen vor und ist viel schwieriger zu monitoren. Das ist, glaub ich, bei weitem unterschätzt. Und dazu kommt, dass wir seit jeher viel in die Energieeffizienz investiert haben, weil es in unserem ureigensten Interesse ist. Die Einsparungspotenziale sind deshalb gering. Das haben wir mit einer freiwilligen Energieeffizienzanalyse in den Jahren 2007 bis 2009 auch bereits unter Beweis gestellt. Und das wird jetzt zum Problem, da die verpflichteten Energieversorger uns die Ausgleichsbeträge weiterreichen, weil sie von uns keine Einsparungspotenziale bekommen. Somit werden die effizientesten Unternehmen bestraft. Und dieses Gießkannenprinzip, wo alle Unternehmen über einen Kamm geschoren werden, verurteile ich zutiefst.
Report: Holz will verstärkt im mehrgeschoßigen Wohnbau Fuß fassen. Wie wappnen Sie sich gegen diesen Angriff?
Spaun: Ich sehe keinen Anlass, mich angegriffen zu fühlen, nur weil jemand ein Demonstrationsbauwerk realisiert. Es gibt auch keinen Grund, sich vor dem Mitbewerb zu fürchten. Zu den OIB-Richtlinien ist zu sagen, dass das erklärte Ziel der Politik die LeistbarkeitLeistbarkeit des Wohnens war und ist. Deshalb sollten die OIB-Richtlinien auch durchforstet werden. Aber leider hatte vieles, was an Vorschlägen kam, nicht das Ziel, die Kosten zu senken, sondern eine gewisse Bauweise zu forcieren. Da geht es einfach um Lobbying und das muss schon kritisch hinterfragt werden.
Report: Wie wollen Sie Ihre Marktanteile verteidigen?
Spaun: Ich glaube, wir haben mit dem Massivbau und hier natürlich speziell mit der Betonbauweise gute Angebote, die die Bauträger überzeugen sollten. Das reicht von der regionalen Verfügbarkeit des Baustoffes über die Langlebigkeit und Flexibilität bis zu Lebenszykluskosten.
Report: Wie werden Sie es mit der »Gegenseite« halten? Gibt es den Kontakt und den Dialog?
Spaun: Da muss man unterscheiden zwischen dem Marketingauftrag und -auftritt und der Gesprächsebene in der Fachwelt. Wir betreiben etwa im Haus mit der Smart Minerals eine Forschungseinrichtung, wo es über die ACR natürlich Kontakt zu anderen Forschungseinrichtungen gibt, auch aus dem Holzbereich. Da gibt es eine Zusammenarbeit und werden etwa auch gemeinsam Studien erstellt. Aber natürlich haben wir unterschiedliche Prioritäten und Themen. Aber wir versuchen schon einen Ansatz zu wählen, dass für jeden Baustoff Platz ist. Über die Stoßrichtungen kann man natürlich lange diskutieren. Ich persönlich glaube etwa nicht, dass Hochhäuser aus Holz die Zukunft sind. Aber natürlich sind das auch Leuchtturmprojekte, die eine gewisse mediale Aufmerksamkeit erregen.
Report: Angenommen, wir sehen uns Anfang 2018 wieder. Was müsste passiert sein, dass Sie von erfolgreichen ersten drei Jahren sprechen?
Spaun: Ich würde mir wünschen, und da bin ich auch guter Hoffnung, dass es den Zementerzeugern und damit auch mir gelungen ist, weg von einem reinen Baustofferzeuger zu kommen und direkt ins Bauen zu gehen. Wir haben diesen Weg schon vor längerer Zeit eingeschlagen. Wir wollen gestalten und Konzepte liefern, wenn es um das Bauen der Zukunft geht. Wenn uns dieser Schritt gelingt, dass wir bei diesem Thema ein anerkannter Gesprächspartner sind, dann wäre das sicher ein Erfolg.