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Gut gepolstert

''Im Bereich Hoch- und Ingenieurbau können wir beruhigt in das Jahr 2012 gehen. 2013 wird schwieriger. Vor allem in den Bundesländern fehlen die großen Infrastrukturprojekte im Ingenieurbau'', sagt Strabag-Vorstand Franz Urban.Strabag-Vorstand Franz Urban im Interview. Mit Report (+) PLUS spricht er über die spürbare wirtschaftliche Not der öffentlichen Hand, thematische und regionale Fremdgänger und die unsichere Zukunft der Wohnbauförderung. Außerdem verrät er, welche Länder als Nachfolger für das noch boomende Polen in Frage kommen.

(+) PLUS: Wie fällt Ihr Resümee für 2011 aus?

Franz Urban: Für uns ist 2011 zufriedenstellend verlaufen. Im Lichte der allgemein schon erlebbaren Rahmenbedingungen kann man sogar von einem sehr guten Jahr sprechen. Aber natürlich ist die Erwartungshaltung bei der Strabag eine sehr hohe. Ein »Jetzt sind wir gut genug« gibt es bei uns nicht. Man kann immer noch besser werden. Die Latte für künftige Geschäftsjahre wird bewusst sehr hoch gelegt. 

(+) plus: Schwieriger als im Hochbau ist 2011 wahrscheinlich im Tiefbau gelaufen.

Urban: Das ist richtig. Im Verkehrswegebau ist das abgelaufene Jahr tatsächlich ein sehr schwieriges gewesen. Das hat sich sowohl im Leistungsvolumen als auch im Ergebnis ausgewirkt. Die wirtschaftliche Not der öffentlichen Hände war 2011 deutlich spürbar.

(+) plus: Gab es innerhalb von Österreich regionale Unterschiede?

Urban: In Ost- und Nordösterreich ist es ganz gut gelaufen. Das hat aber auch mit Auftragsüberhängen aus den Vorjahren zu tun. In West- und Südösterreich war der Rückgang der Infrastrukturinvestitionen schon sehr deutlich spürbar. Im internationalen Vergleich muss man aber schon festhalten, dass Österreich bezogen auf die Bauwirtschaft tatsächlich eine Insel der Seligen ist. Vieles trifft uns doch sehr abgeschwächt. Natürlich sind die Leistungsvolumina zurückgegangen, teilweise um bis zu 15 %. Dafür beneiden uns aber viele Länder. Viel dramatischer finde ich eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren abzeichnet. Es gibt immer mehr Mitbewerber, und da meine ich nicht die Bauindustrie, die sich um Bauthemen annehmen, für die sie nicht prädestiniert sind. Damit wird auch eine Preisspirale in Bewegung gesetzt, die für die Branche nicht gesund ist.

(+) plus: Besteht die Gefahr eines langfristigen Preisverfalls?

Urban: Ich glaube nicht. Denn die Politik der Kleinen, sich in Gefilden zu tummeln, die bislang fast ausschließlich von der Industrie bearbeitet wurden, ist auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Alleine die Anforderungen der Banken, Stichwort Basel III, lassen diese Vorgehensweise nicht lange zu. Es gibt aber auch regionale Fremdgänger. Es sind in diesem Jahr in Wien Mitbewerber aus den Bundesländern aufgetaucht, die vorher nicht da waren. Da merkt man auch, dass es in den Bundesländern derzeit einfach weniger Aufträge gibt. Aber auch da handelt es sich meiner Meinung nach um eine temporäre Erscheinung.

(+) plus: Wie hat sich das Geschäft in Osteuropa entwickelt?

Urban: Für die Strabag ist es dank des Tausendfüßlerprinzips (»die regionale und produktorientierte Diversifizierung«; Anm.d. Red.) auch 2011 sehr gut gelaufen. Herausragend war auch im letzten Jahr wieder der polnische Markt. Das wird sich natürlich nach der Euro 2012 spürbar abschwächen. Wir sind aber darauf eingestellt, dass sich die Schwerpunkte von Polen in andere Märkte verlagern werden. Wir haben natürlich ein Interesse, die Kapazitäten, die wir in den Boomjahren in Polen aufgebaut haben, auf andere Märkte zu dirigieren.

(+) plus: Welche Länder sollen konkret die Nachfolge Polens antreten?

Urban: Rumänien ist sicher ein Kandidat, der sich in den nächsten Jahren gut entwickeln wird. Auch die russische Föderation hat großes Potenzial. Dort sind wir im Hochbau schon seit vielen Jahren der wichtigste ausländische Player. Jetzt wollen wir auch im Verkehrswegebau mitmischen und die polnischen Kapazitäten nutzen. Deshalb bereiten wir aktuell auch gerade eine entsprechende Organisationseinheit »Verkehrswegebau« in Moskau vor.

(+) plus: Wie sieht es mit der Korruption und der Rechtssicherheit in diesen Ländern aus?

Urban: Die Schauergeschichten halten sich hartnäckig. Ich war von 1990 bis 2002 und von 2007 bis 2008 in Russland tätig. Und es war nie so, dass wir mit dem Geldkoffer in der Hand an die Aufträge gekommen wären. Die mediale Wahrnehmung bei uns konzentriert sich auf einige politische Blitzlichter und die schaffen ein Bild, das mit dem Tagesgeschäft am Bau nicht viel zu tun hat.

(+) plus: Was erwarten Sie vom österreichischen Markt in den nächsten zwei Jahren?

Urban: Im Hoch- und Ingenieurbau bin ich für 2012 guter Dinge. Wir gehen mit einem Auftragspolster ins neue Jahr, der sogar leicht über dem Leistungsvolumen von 2011 liegt. Das ist schon sehr beruhigend und man kann gelöst an die neuen Aufgaben herantreten. 2013 dürfte schwieriger werden. Vor allem in den Bundesländern fehlen die großen Infrastrukturprojekte im Ingenieurbau. In Wien haben wir das Glück, dass wir bei den großen U-Bahnprojekten ganz gute Chancen auf einen Zuschlag haben. Im Hochbau werden wir 2013 den Preiskampf deutlich zu spüren bekommen. Trotzdem werden wir unserer Linie treu bleiben und weiter auf Qualität setzen und auch nur Aufträge annehmen, die wir ohne Verluste darstellen können.

(+) plus: Derzeit gibt es in Österreich einige Großprojekte. Vor allem im Bereich der Bahnhofsinfrastruktur tut sich einiges. Die Fertigstellung dieser Projekte ist aber bereits absehbar. Sind große Nachfolgeprojekte in Sicht?

Urban: Projekte, die einem Vergleich mit dem Hauptbahnhof in Wien standhalten, sehe ich derzeit nicht. Aber natürlich gibt es immer wieder größere Investitionen. Wir führen auch eine Liste mit Zukunftsprojekten und sind in engem Kontakt mit unseren Großkunden, aber ob diese Projekte dann tatsächlich realisiert werden, kann heute noch niemand sagen. Ein interessantes Projekt in Wien ist natürlich das Krankenhaus Nord, das gerade ausgeschrieben wurde. Da wollen wir uns natürlich auch stark engagieren. Außerhalb von Wien tut sich aber deutlich weniger.

(+) plus: Worauf führen Sie das zurück?

Urban: Es ist aus heutiger Sicht nicht einzuschätzen, wie sich die Banken oder institutionelle Anleger verhalten werden. Wir engagieren uns etwa derzeit in einem Großprojekt in St. Pölten, das Mitte 2013 baureif wäre. Man kann heute aber nicht sagen, ob die Banken Konditionen bieten können, die es den Investoren ermöglichen, den Startschuss für das Projekt zu geben. Vorgestern haben 20 % Eigenmittel ausgereicht, gestern waren es 40 %, wer weiß, wie viel es in Zukunft sein wird.

(+) plus: Das macht es auch für die Bauindustrie nicht leichter. Wie begegnet man in der Strabag diesen sich ändernden Rahmenbedingungen?

Urban: Ich glaube, dass wir sehr gut vorbereitet sind. Wir haben gemeinsam mit unseren ersten Managementebenen einen Strategieentwicklungsprozess gestartet, um Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu finden. Ein großes Thema dabei ist die Nachhaltigkeit. Das Schlagwort gibt es ja schon lange, aber jetzt wird es ernst und das hat enorme Auswirkungen auf die gesamte Branche. Plötzlich stehen die Lebenszykluskosten ganz oben auf der Prioritätenliste. Gekannt hat man das Missverhältnis von Errichtungs- und Betriebskosten schon immer, aber jetzt hat das Wissen endlich auch Auswirkungen. Da sind wir sehr gut aufgestellt, weil wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette deutlich mehr anbieten können als der Mitbewerb.

(+) plus: In Österreich immer wieder heftig diskutiert wird die Wohnbauförderung. Wie sehen Sie die Zukunft der Wohnbauförderung?

Urban: Das ist ein heikles Thema. Seit dem Ende der Zweckbindung werden die Fördergelder leider oft für andere Bereiche verwendet. Eine löbliche Ausnahme ist da die Stadt Wien, die trotz dieser Freiheiten das Geld tatsächlich für den Wohnbau verwendet. Natürlich sind die Bedürfnisse nicht überall dieselben. Wien hat einen enormen Zuzug und braucht den Wohnraum. Ebenso in Graz. Dort engagieren wir uns sehr stark als Bauträger im Bereich leistbarer Wohnraum. Da sind wir in Projekten engagiert, bei denen wir wenig Rücksicht auf die Förderungen nehmen. Weil wir überzeugt sind, dass die Nachfrage groß genug und die zukünftigen Bewohner auf die Förderungen nicht existenziell angewiesen sind.

Trotzdem ist die Wohnbauförderung ein ungemein wichtiges Instrument. Ich befürchte aber, dass es zu weiteren Einschnitten kommt. Ich habe aber die leise Hoffnung, dass durch die erwiesene Bedarfslage neue innovative Lösungen entwickelt werden, die die Reduktion der Wohnbaufördergelder kompensieren können.

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