Kaum nicht IT-gestützte Prozesse
- Written by Martin Szelgrad
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Georg Obermeier im Interview.
Georg Obermeier, Vorsitzender der Geschäftsführung T-Systems, über den Wandel in der Branche, Sicherheitsfragen und den Stellenwert der IT.
(+) plus: Herr Obermeier, wenn Sie 15 Jahre zurückblicken: Was hat sich in dieser Zeit in der Telekommunikations- und IT-Branche getan?
Georg Obermeier: Die Weiterentwicklung von Rechenleistung, der Endgeräte selbst und der Ausbau der Datennetze haben zu enormen Veränderungen in unserer Gesellschaft geführt. So gibt es ja heute in Europa kaum mehr einen Bereich unseres Lebens, in dem die Vernetzung durch Kommunikations- und Informationstechnologie nicht eine besonders wichtige Rolle spielt. Gigabit-Netze als Infrastruktur allerorts ermöglichen regelrecht eine Gigabit-Gesellschaft. Das treibt auch die Wirtschaft voran. In der IT wurden bis vor 15 Jahren noch rein Daten erfasst und verarbeitet. Heute dagegen dreht sich alles um die Optimierung von Geschäftsprozessen.
(+) plus: Der Stellenwert der IT ist durch die Bewegung in die Geschäftsprozesse also klar gestiegen?
Obermeier: Es gibt kaum noch einen Prozess, der nicht durch IT gestützt ist. Für Unternehmen ist eine effiziente Aufstellung in diesem Bereich zu einem Wettbewerbsvorteil geworden. Firmen mit einer optimalen Applikationslandschaft können auch auf Kundenbedürfnisse besser und schneller reagieren.
Um ein paar Beispiele aufzugreifen, die T-Systems umgesetzt hat: Für die Modekette Gerry Weber wurden in einem RFID-Projekt Kleidungsstücke mit Funkchips ausgestattet, um den Warenlauf in der Lieferkette verfolgen und optimieren zu können. In einem anderen Projekt wurde für die größte Versicherung Südafrikas eine Plattform für Schadensmeldungen umgesetzt. Die Kunden können dabei im Bedarfsfall vor Ort über das Smartphone Fotos aufnehmen und mit weiteren Daten automatisch einen Kommunikationsprozess mit ihrer Versicherung starten. Papier ist dabei nicht mehr notwendig.
(+) plus: Haben sich die IT-Budgets in den Unternehmen ebenfalls entsprechend verändert? Ist die EDV im Verhältnis zu den Unternehmensumsätzen günstiger geworden?
Obermeier: Nach den goldenen Zeiten der IT in den 80er- und 90er-Jahren sind die IT-Budgets seitdem eher kleiner geworden. Eine Zeit lang investierten die Unternehmen sehr viel in IT – mit einem Höhepunkt zur Jahrtausendwende. Mit dem Platzen der Dot-com-Blase und der bald folgenden Wirtschaftskrise 2008 wurden dann aber IT-Budgets reduziert und Investitionen auf ihre Effizienz hin intensiv geprüft. Outsourcing kommt ja genau aus diesem Umstand heraus, Leistungen zu standardisieren und Größeneffekte bei IT-Services zu erzielen. Heute betreibt keiner mehr IT um ihrer selbst willen. Erfolgreiche Unternehmen fokussieren auf ihr Kerngeschäft und kaufen IT einfach als Service ein. Die IT-Serviceanbieter liefern dann die gewünschten Dienste an den Kunden. Der wiederum bezahlt nur das, was er wirklich nutzt. Wir haben sehr frühzeitig auf dieses Thema gesetzt und sehen uns auch mit dem allgemeinen Trend zu Cloud Computing darin bestätigt.
(+) plus: Wie wolkig, im positiven Sinne, ist der Bezug von IT-Ressourcen und IT-Diensten tatsächlich bereits?
Obermeier: Unternehmen wollen heute nicht mehr möglichst viel für IT ausgeben, nur um die neueste Technik zu besitzen. Sie wollen den besten Service für die Unterstützung ihrer Unternehmensprozesse. Technisch ist die flexible Bereitstellung von IT kein Problem. Cloud Computing ist aber gerade für Unternehmen ein eher missverständlicher Begriff. Die Daten und Applikationen befinden sich ja nicht irgendwo in der Wolke, sondern absolut gesichert in einem Rechenzentrum. Cloud Computing ist damit nichts anderes als eine Zentralisierung auf verschiedenste Standorte, um die Verteilung von Daten und Ressourcen optimieren zu können. Dies gab es im Grunde auch zu Großrechnerzeiten schon. Heute konfigurieren sich die Systeme aber vollautomatisch, um beispielsweise Daten auf jeweils passenden Speicherträgern budgetschonend zu sichern. Die Cloud ist damit vielmehr ein intelligentes Netz, das den Zugriff auf die IT optimiert.
(+) plus: Wenn Sie aus der Entwicklung der vergangenen Jahre auf künftige Szenarien schließen, wo wird die IT in 15 Jahren stehen?
Obermeier: Ich bin kein Hellseher, wir hatten in den letzten Jahren aber eine Entwicklung zu einem Mix unterschiedlichster Endgeräte wie Smartphones, Notebooks, Stand-PCs, iPads und klassischen Handys. Auf all diesen Geräten werden in der Regel Daten gespeichert. Und mit allen Geräten will ich im Prinzip die gleiche Nutzererfahrung haben. Ich denke, dass die lokale Datenhaltung aus diesem Wachstum unterschiedlicher Endgeräte heraus immer komplizierter werden wird. Heute macht es kaum noch Sinn, Daten lokal auf einem einzigen Gerät zu speichern. Eine zentrale Ablage in einer Cloud und eine Synchronisierung der Daten über alle Devices hinweg hingegen ist die einfachste und sicherste Lösung. Dabei müssen sich die Nutzer nicht mehr selbst um die Datensicherheit und Archivierung kümmern.
Ganz klar wird in den nächsten Jahren aber die IT auch weiter in den Energienetzen Einzug halten. T-Systems hat jüngst mit dem Energieversorgungsunternehmen E.ON eine Kooperation für ein gemeinsames Projekt mit intelligenten Stromzählern im »Smart Grid« begonnen.
(+) plus: Gerade die Speicherung von Daten an einem einzigen Ort kann aber im Falle des Falles auch einen überproportional hohen Schaden bedeuten. Hundertprozentig sicher kann ja ein System nie sein.
Obermeier: Solange es kriminelle Elemente gibt, werden wir immer eine gewisse Gefahr haben – das war immer schon so, auch vor der IT-Ära. Damals wurden Karteikästen aufgebrochen und daraus Daten gestohlen. Wenn Systeme aber bestens abgesichert werden, schreckt dies Kriminelle ab. Daten in einem Rechenzentrum sind in der Regel wesentlich sicherer aufbewahrt als im eigenen Unternehmen.
>> Zur Person:
Seine IT-Karriere startete Georg Obermeier, geboren 1960, im Jahr 1984 bei Nixdorf Computer. Obermeier war in den 90er-Jahren als Geschäftsführer für den Integrationsprozess Fujitsu und Siemens Computer Systeme verantwortlich. 2001 wechselte er zum Business-Inkubator stage1.cc. 2002 wurde Obermeier zum Geschäftsführer von T-Systems Austria bestellt, seit Februar 2008 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung.