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Blick nach vorne

»So wie es ist, soll es bleiben«, unterstrich Vizekanzler und Finanzminister Wilhelm Molterer als Eigentümervertreter die Bedeutung und Positionierung des Bundesrechenzentrums (BRZ) anlässlich seines zehnjährigen Bestehens. Die Fortschritte im E-Government haben österreich zum Vorzeigeland gemacht. Dennoch gibt es noch einiges zu tun, bekennt BRZ-Geschäftsführer Roland Jabkowski.

(+) plus: Der Marktanalyst IDC hat kürzlich sein Jahresranking der größten IT-Dienstleister österreichs herausgebracht. Das BRZ hat darin einige Plätze gutgemacht und belegt nun die dritte Position. Was sind die Ursachen für den überraschenden Sprung nach vorne?
Roland Jabkowski: Was Sie hier sehen, ist das Ergebnis einer jahrelangen, steten Entwicklung. Die Bundesrechenzentrums GmbH hat »Rechenzentrum« wohl im Namen und wir verfügen entsprechend über eines der größten Rechenzentren in österreich. Das BRZ ist aber auch IT-Service-Provider: Zwei Drittel unserer Mannschaft, das sind gut 700 Mitarbeiter, sind in System­entwicklung und Systemintegration tätig. Unsere ambitionierte Geschäftstätigkeit hat uns nach Siemens und Raiffeisen Informatik an die dritte Stelle gebracht - noch vor IBM und anderen prominenten Namen am IT-Markt. Es sind wohl unsere Gene, die sich hier bezahlt machen. Auf der einen Seite ist das BRZ Drehscheibe für die österreichische IT-Wirtschaft, auf der anderen Seite sind wir durch unseren Eigentümer, die Republik österreich, stark in der Verwaltung verankert. Und nebenbei gesagt: Die Nummer eins und zwei im Ranking beschäftigen sich ja nicht nur mit Projekten in der Verwaltung, sondern servicieren auch andere Bereiche.

Ich sehe zwei Faktoren für den Erfolg des BRZ: Zum einen hat das Thema Sicherheit für alle unsere Mitarbeiter geschäftskritischen Wert. Mit einem umfassenden Regularium, eigenen Security-Verantwortlichen und einem Informationssicherheits-Managementsystem bieten wir überdurchschnittlich hohe Sicherheitsqualität am Markt. Weiters unterliegen unsere 1.120 Mitarbeiter kraft dem BRZ-Gesetz der Amtsverschwiegenheit, obwohl darunter lediglich fünf Beamte sind. Die Bürger können also darauf vertrauen, dass alles Menschenmögliche für die Sicherheit ihrer Daten getan wird. Der zweite Aspekt unseres Erfolgs ist mir ein besonderes persönliches Anliegen: das BRZ zu einem der serviceorientiertesten IT-Unternehmen österreichs zu wandeln. Mein Motto hier: Dienstleis­tung kommt von Dienen und Leisten. Für Letzteres gibt es eindrucksvolle Beweise - dies traut man uns zweifelsfrei zu. Nun wollen wir auch das Verhalten aller Mitarbeiter und die Kultur des ganzen Unternehmens zum Nutzen für den Kunden formen. Ich bin an dieser Stelle ein sehr ungeduldiger Mensch, weiß aber um die Kraft, die ein solch­ ambitioniertes Ziel erfordert. Das BRZ ist in den letzten Jahren von 500 auf über 1.100 Mitarbeiter gewachsen und birgt in seiner guten Mischung von jungen und älteren, erfahrenen Mitarbeitern ein hohes Leistungspotenzial. Nehmen Sie nur Applikationen her, die wir betreuen: FinanzOnline mit 1,3 Millionen Anwendern, help.gv.at mit monatlich 330.000 Besuchern.

(+) plus: Es gab in der Vergangenheit Diskussionen über die Positionierung zwischen Bund und Wirtschaft, die mit dem Bekenntnis beendet wurden, das BRZ als Serviceerbringer für die Verwaltung zu belassen. Wie viel IT-Wirtschaft steckt im BRZ?
Jabkowski: Die Positionierung ist klar: Das BRZ ist der IKT-Dienstleister für die österreichische Bundesverwaltung. Noch haben wir bei 60 Prozent Marktanteil aber genügend Wettbewerb mit anderen Unternehmen, gegen die wir uns auch verteidigen müssen. Das BRZ ist schließlich ein nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen gegründetes und geführtes Unternehmen - dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Als Quereinsteiger aus der Industrie verfüge ich über 20 Jahre IT-Erfahrung.

Wir messen uns mit dem Mitbewerb auch laufend anhand von Best-Practice-Beispielen und Benchmarks in der Preisgestaltung im Rechenzentrumsbereich und der Projektberatung. 70 Prozent des Umsatzes des BRZ, jährlich mehr als 150 Mio. Euro, gehen übrigens an die IT-Wirtschaft, davon 20 Mio. an kleine und mittlere Betriebe, die für uns viele spezialisierte IT-Dienstleistungen erbringen. Wir werden uns auch weiterhin auf den österreichischen Kernmarkt konzentrieren: die Optimierung der Prozesse in der Verwaltung, kombiniert mit IKT-Unterstützung.

Informationstechnologie und Telekommunikation wachsen zunehmend zusammen. Diese Verschmelzung der Technologien wird für den Anwender etwa dann sichtbar, wenn das Abspielen von Zeugenaussagen für Gerichtsverfahren über das Netzwerk ermöglicht wird oder die Mitarbeiter des Finanz- und des Verkehrsministeriums oder auch im eigenen Haus mit der Telefonanlage über das IP-Netzwerk telefonieren. Das BRZ kann dabei in Gesamtlösungen als Full-Service-Provider auftreten.

(+) plus: Was sind Ihre Zielsetzungen für die nahe Zukunft?
Jabkowski: Es gibt drei strategische Ziele für die Zukunft. Ziel Nummer eins ist der konsequente Ausbau des Marktanteils. Dies­ soll zum Nutzen der österreichischen Bundesverwaltung und IT-Wirtschaft geschehen. Die Verwaltung könnte mit einem höheren Marktanteil des BRZ und folglich weiteren Konsolidierungen in der IT und den Geschäftsprozessen wesentlich mehr Geld einsparen. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu dem Erfolg der anderen Marktteilnehmer, sondern würde als Stärkung der IT-Branche insgesamt dienen. Das zweite Ziel ist diesem Weg angelehnt: Wir wollen Generalunternehmer für IKT-Anwendungen der österreichischen Bundesverwaltung sein, um die Servicequalität zu erhöhen und Kosten senken zu können. Und drittens soll das BRZ die Umsetzung einheitlicher organisatorischer und technischer Strategien vorantreiben. Vielfalt und Differenzierung sind zwar schöne Dinge, aber sie kosten. Eine Vereinheitlichung in den Systemen bedeutet aber keineswegs, dass jedes Ressort in der Verwaltung gleich aussehen muss. Die Ressorts sind schließlich autonom und treten nach außen unabhängig auf. Die IT dahinter kann aber, ohne Kulturunterschiede zu berühren, vereinheitlicht werden. Es gibt ja auch am KFZ-Markt verschiedenste Modelle, die sich aber in ihrer zugrundeliegenden Plattform gleichen. Gerade im E-Government sind dieses Zusammenspiel und Interoperabilität zwischen Anwendungen gefordert. Der Weg zum One-Stop-Government, das für den Bürger eine einzige Anlaufstelle für verschiedenste Aufgaben bieten wird, kann nur so beschritten werden. Unterschiedlichste Systeme wären dabei in Wartung zu aufwendig und teuer. Bundeskanzleramt und IKT Board haben aber gezeigt, dass sie als Normgeber die nötigen Standards vorgeben können. Wir müssen diesen klaren Richtlinien dann nur noch folgen und sie umsetzen. Standards im E-Government ermöglichen den flächendeckenden Aufbau und die Umsetzung von hochspezialisierten Skills.

(+) plus: Nun ist der Bund sicherlich kein herkömmlicher Kunde für das BRZ, immerhin ist das Finanzministerium gleichzeitig auch Eigentümer. Wie sehen Sie die Arbeit mit der Verwaltung?
Jabkowski: So etwas wie einen herkömmlichen Kunden gibt es ohnehin nicht. Jeder Kunde ist einzigartig. Wir vergleichen die Bundesverwaltung mit einem Konzern - die alten Stereotypen gibt es hier schon lange nicht mehr. Heute haben wir es mit schnellen, effizienten Strukturen zu tun - mit geringster Einflussnahme des Eigentümers. Ich bin in meiner Funktion als Geschäftsführer des BRZ weitgehend entscheidungsfrei. In so einem Rahmen für dieses Haus arbeiten zu können, macht sehr viel Spaß.

(+) plus: In einem föderalistisch verwalteten Land wie österreich und politisch unterschiedlich vergebenen Ressorts scheint die Vereinheitlichung der Verwaltung aber doch schwierig.
Jabkowski: Keineswegs. Wir haben bereits die Standards für ressortübergreifende Systeme, wie den elektronischen Akt, SAP-Lösungen für den Bund, ein leistungsfähiges Corporate Network Austria oder eine einheitliche Frontend-Lösung für den Bürger wie help.gv.at. Doch leistet sich der Bund heute noch eine dreistellige Anzahl an Webauftritten oder mehrere Rechenzentren. Wie jedes großes Unternehmen aber sollte auch bei der Verwaltung ein Shared-Service-Center im IT-Bereich für Kosteneinsparungen sorgen können. Es wird zwar immer verschiedene politische Zielvorgaben geben, ich bin aber überzeugt, dass eine Harmonisierung im IKT-Bereich möglich ist.

(+) plus: Wo sehen Sie die nächsten Schritte im Bereich E-Government?
Jabkowski: österreich ist den Abdeckungsgrad betreffend bereits Europameis­ter im E-Government. Die Nutzung freilich muss noch schneller, besser und kostengüns­tiger für den Endkunden werden. Wenn etwa bei der Onlineabwicklung von Verwaltungsprozessen real Geld gespart werden kann, sollte dies doch auch an die Nutzer weitergegeben werden. In Bereichen wie dem elektronischen Rechtsverkehr ist die Zusammenarbeit und die Informationspolitik bereits revolutioniert worden. Weiters könnte in Zukunft eine zentrale Rufnummer als eine ideale Ergänzung für Bürger ohne Internetanschluss bei allen Lebensfragen Service leisten. Im Onlinebereich geht die Entwicklung in Richtung vorausgefüllter Formulare, die im Sinne eines E-Government-Services den Bürgern wiederholende Einträge vorwegnehmen. Elektronische Berater auf den Plattformen wiederum könnten dem User einfache und sinnvolle Vorschläge zum jeweilig gefragten Thema machen. Besonders spannend finde ich die Entwicklung im E-Voting. Wir sind gerade dabei, eine Referenzarchitektur für ein fertiges Konzept für die Stimmabgabe bei Wahlen übers Internet zu schaffen. Das BRZ würde sich als ausführende Stelle von E-Voting-Projekten außerordentlich eignen, da das Thema Sicherheit hier natürlich besondere Sensibilität verdient. Als Trust-Center für die E-Card und Rechenzentrum für die Daten zum österreichischen Reisepass wissen wir, wie man mit Datensicherheit umgeht. Weiters sehe ich das BRZ auch im Gesundheitswesen als hervorragenden Anbieter für IT-Lösungen. Das BRZ könnte kraft seines zehnjährigen Erfolgs, bei allen Erfahrungen, die gemacht wurden, hier ebenfalls ein interessanter Know-how-Träger sein.

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