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Die Schuld des Alexander Bell

Die IT an sich ist ja relativ gut in Zahlen erklärbar. Auch wenn Maschinen und Datenleitungen letztendlich Ergebnisse für die Nutzung durch den chaotischen Menschen liefern - die Prozesse in der Maschinenwelt sind reglementiert und deterministisch erfassbar. Manche Bereiche der IT bilden dennoch eine Ausnahme - etwa dann, wenn der subjektive Eindruck des Users direkt den Nutzungserfolg einer Applikation beeinflusst. Paradebeispiel für eine solche Korrelation: Videotelefonie. Die persönlich empfundene Qualität der Anwendung wiegt mitunter höher als technische Parameter - einer der Gründe warum sich Bildtelefonie und auch Videokonferenzen bis heute nicht groß durchgesetzt haben.

Konferenzsysteme mit Videounterstützung sind eine alte Hoffnung auf eine bessere Geschäftswelt. Eine Welt ohne teure, zeitraubende Fernreisen. Eine Welt, in der man mit dem internationalen Geschäftspartner, den Kollegen in der Filiale oder dem Kunden im Nachbarort einfach vom Nebenzimmer aus kommuniziert. Mit dem Aufkommen von Videolösungen über ISDN-Leitungen in den 90er Jahren sahen sich die Fluggesellschaften dementsprechend pessimistisch von der neuen superschlanken Technologie bedroht. Von einer revolutionären Ablöse der Flugklassengesellschaft durch die Desktopkommunikation war aber bald nicht mehr die Rede. Der Grund: Der fehlende Komfort in Bildgröße, Bild- und übertragungsqualität enttäuschte die Anwender reihenweise.

Stetes Revival. Aufgrund der zunehmenden Anbindung und Abdeckung durch Breitband in den Firmennetzen und im Internet wird derzeit die Bildkommunikation wieder auf eine neue Ebene gehoben. Ciscos sündteuere Highend-Lösung \"Telepresence“ gibt Vorgeschmack auf eine maximale Qualität des virtuellen Meetings: Der Anwender sitzt mit den per Datenleitung angebundenen Gesprächspartnern an einem einzigen runden Tisch in gleicher Raumumgebung - suggeriert durch lebensgroße Bildschirme und ein raumechtes Lautsprechersystem. Die Spezialisten unter den Hersteller, allen voran Polycom und Tandberg, haben bereits ihre eigenen Telepresence-Lösungen auf Lager. \"Es sind für den österreichischen Markt geeignetere Produkte“, beschreibt eltax-Geschäftsführer Martin Fortmüller. Der Value-Added-Distributor mit Sitz in Wien fühlt sich derzeit recht wohl. \"Heuer wächst in österreich der Absatz von Videokonferenzsystemen schneller als auf dem Weltmarkt“, sagt Fortmüller. Während der Verkauf international heuer um rund 20 Prozent zulegen wird, wächst die heimische Branche um 30 Prozent. Fortmüller will mit seinem Unternehmen Ende 2007 einen Umsatz gegen sechs Millionen Euro erreicht haben. Er setzt auf High-Density-Bildlösungen zu Anschaffungskosten von rund 18.000 Euro für Unternehmen - ein Bruchteil dessen, was Cisco für seine proprietäre Telepresence-Lösung veranschlagt. Darüber hinaus seien abgeschlossene Systeme generell mühsam, das sie mit dem Fehlen von offenen Schnittstellen nur schwer in bereits existierende Konferenzlandschaften integrierbar sind.

Die Argumente für eine Investition in ein Videokonferenzsystem sind seit Jahren gleich. Da wäre zunächst die leidige Kostenfrage: etwa Einsparungen bei Reisekosten, wenn das Flugticket durch den Mausklick ersetzt werden kann. Doch werden nicht nur dem geschäftigen Globetrotter die Vorteile der videobasierten Face-to-Face-Kommunikation vor Augen gehalten. \"Selbst in einem kleineren Land wie österreich wäre schon bei kurzen Strecken eine enorme Zeitersparnis möglich. Für Wien-Graz und retour müssen bei einem Folgetermin dann nicht mehr drei Stunden An- und Rückreise kalkuliert werden, sondern bestenfalls die Nettozeit des Meetings“, zählt Fortmüller eine lange Reihe an heimischen Unternehmen auf, deren Mitarbeiter dank Video wieder mehr im Büro als auf der Autobahn unterwegs sind. Damit kein Zweifel aufkommt: einen Erstkontakt und persönliches Kennen lernen wird ein Bildschirm nicht ersetzen können. Für wiederholende Termine reichen die ausgeklügelten Bild- und Tonlösungen aber allemal.

\"Alexander Bell hat uns einen Teil der menschlichen Kommunikation genommen. Videokommunikation gibt diesen Teil wieder zurück“, legt Fortmüller großen Wert auf das Image dieser Branche. Die Zeit der Basteleien sei endgültig vorüber, nun geht es um \"intensive Produktivitätssteigerungen für die Unternehmen“. Jeder Mitarbeiter und Manager, der nicht on the road sei, leistet etwas fürs Gemeinwohl. Prozesse und Entscheidungsfindungen laufen schneller ab, das Unternehmen wird agiler, flexibler, schneller - ein Vorteil gegenüber Mitbewerbern. Und es müssen auch nicht immer HD-taugliche Raumsysteme sein. Auch Desktoplösungen wie etwa der \"Microsoft Office Live Communication Server\" oder die Alcatel-Lösung \"My Teamwork“ setzen IP-basiert neue Standards.

Der eltax-Geschäftsführer schätzt den Markt in österreich auf 1,8 bis zwei Millionen Euro Volumen - bei anhaltend starken Wachstumsmöglichkeiten. \"Videokonferenzsysteme sind mittlerweile so einfach zu bedienen wie etwa ein Handy“, sieht auch Produktleiter Christian Tarmastin nun die Anbindung an bestehende Plattformen in den Unternehmen und die große Migration auf das Internet Protocol. \"Die Analysten sprechen von einer wesentlichen Steigerung im Desktopbereich.“ Als Zielgruppe Nummer eins für die leistungsfähigen Videosysteme haben Fortmüller und Tarmastin vor allem die ärmsten unter den Bürokriegern im Visier: jene, die um fünf Uhr früh aufstehen, um dann stundenlange Check-in-Prozeduren am Flughafen über sich ergehen lassen zu müssen. Die eltax-Spezialisten können den Markt auch in nur drei Worten beschreiben: \"Die Akzeptanz steigt“.

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