Menu
A+ A A-

Suche nach Aufmerksamkeit

Auch wenn heute die Marketingindustrie in den neuen Medien nicht annähernd jene Umsatzprognosen erreicht, die zu Zeiten des Dot-com-Booms frech hinausposaunt wurden - ein Selbstläufer ist die neue Kommunikation der Marken und Unternehmen allemal. Vor allem der Trend zu integrierten Werbekampagnen verschafft der Werbewirtschaft Wachstum in den Onlinemedien. Die Unternehmen schalten nun nicht mehr nur vereinzelte Sujets in Zeitungen oder Magazinen, sondern holen den Kunden dort ab, wo er sich im Augenblick befindet. »Früher hat man nach den Schaltungen von Sujets einfach abgewartet, wie die Konsumenten reagieren«, vergleicht Marcantonio Bottaro, Geschäftsführer der Werbeagentur Buongiorno, »heute werden die Kunden an der Hand genommen und weitergeführt«. Bottaro jongliert mit Ausdrücken wie »landing pages«, »Incentivierung« und »Responseverstärkung mittels Wallpaperdownloads« und zeigt, was heute topaktuell ist: E-Marketing. Agenturen wie Buongiorno, die sich auf E-Mail-Marketing spezialisiert haben, sind lebendige Beispiele für einen neuen Aufbruch der Werbewirtschaft ins elektronische Zeitalter. Gewiss, das Zeitalter hat vor Jahren schon begonnen, doch die neuen Mittel greifen erst jetzt so richtig. Das Marketing in den sich etablierenden neuen Medien Internet und Mobilfunk ist so etwas wie Zentral- und Osteuropa zur mächtigen, westlichen Wirtschaft: Die Expansion in diese neuen Märkte reißt das eingerostete Wirtschaftswachstum Westeuropas auf inspirierende Weise mit. »Die generelle Steigerungsrate der gesamten Werbebranche ist sicherlich dem Bereich E-Marketing zu verdanken«, bestätigt Günther Schönauer, Geschäftsführer des Fachverbands für Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer.

Positive Prognosen. Die Herren in der Kammer sind positiv gestimmt: Der Fachverband rechnet derzeit laut einer Umfrage unter seinen Mitgliedern mit 1,8 Prozent Wachstum im Gesamtwerbemarkt bis Februar 2006. Vor drei Monaten lagen die Erwartungen noch etwas tiefer: bei plus 1,5 Prozent. »Grund zum Jubel ist das dennoch nicht«, sagt Fachverbandsobmann Peter Drössler. Aber auch hier steht so manches neue Medium wieder im Rampenlicht. Die positivsten Erwartungen haben die Befragten diesmal (wie schon die Jahre zuvor) für so genannte Below-the-Line-Aktivitäten, also Marketingmaßnahmen, die nicht der klassischen Werbung für TV, Radio oder Printmedien entsprechen. Wachstumsspitzenreiter dieses Nischenbereichs sind einmal mehr die prognostizierten Aktivitäten im Internet mit einem Plus von knapp zehn Prozent. »Die Prognose bestätigt den schon länger andauernden Trend, demzufolge Below-the-Line im Vergleich zur Klassik stetig an Bedeutung zunimmt«, erläutert Josef Leitner, Geschäftsführer von Focus Media Research. Diesen Trend sieht naturgemäß auch E-Mail-Vermarkter Bottaro: »Tendenziell ist der Onlinemarkt im Vergleich zu den Offlinemedien im Aufwind.«

Qualitätsoffensive. Buongiorno sieht auf die Branche eine Qualitätsoffensive zukommen, Newsletter- und E-Mail-Kampagnen werden zunehmend mit redaktionellen Inhalten getarnt, um so unverfängliche und akzeptierte Werbeflächen zu bieten. Von dem unheilvollen Spamming ist Buongiorno aber in etwa so weit entfernt wie ein Veganer vom Eiweißschock (mal abgesehen von Bohnengerichten). Für die geregelte und erwünschte Business-to-Consumer-Kommunikation setzt Bottaro auf »double opt-in«. Das heißt: Die Konsumenten respektive Internet- und E-Mail-User bestätigen eine zuvor durchgeführte Anmeldung zu einem Gewinnspiel, zu einem Newsletter, zu einer Werbeaktion neuerlich. »Wir beobachten bei Lesern, die sich zweimal eintragen, besonders hohe Klickraten«, berichtet Bottaro. Durch »Permission based«-Marketing wie diesem grenzt sich die Branche deutlich von den Spammern ab. »Wir beobachten heuer im Internet einen Boom wie im Jahr 2000«, berichtet Schönauer. Die Internetwirtschaft wächst wieder signifikant. Derzeit werden ebenso viele Homepages angemeldet wie zu den besten Zeiten des Dot-com-Booms.

Gerangel um Gesetz. Der automatisiert millionenfach ausgesendete Werbemüll von Servern schwarzer Schafe, die statistisch gesehen mehrheitlich in den USA sitzen, hat zuletzt nicht nur die brave heimische Werbewirtschaft alarmiert. »In der EU ist nun der Wahn ausgebrochen, alles regulieren zu wollen«, sagen nun böse Zungen. Jene Regelung aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG), die Firmen die werbliche Kommunikation mit Verbrauchern zwar teilweise verbietet (der Kunde muss sich in einem Geschäftsverhältnis mit dem Unternehmen befinden oder aber einer Zusendung zugestimmt haben), mit branchennahen Unternehmen aber gestattet, soll nun empfindlich verschärft werden. Brüssel fordert nun die österreicher auf, den Paragraphen 107 im TKG, Titel »Unerbetene Nachrichten«, einer strengeren Handhabung zu unterziehen. Ein einschlägiger Initialantrag der öVP hat eben den Verkehrsausschuss passiert und soll bereits Anfang 2006 in Kraft treten. Prinzipiell sieht die EU eine allgemeine Opt-in-Regelung für die B2B-Kommunikation vor: Unverlangte Zusendungen ohne vorhergehende Geschäftsbeziehung sind damit für alle Branchen tabu. »In erster Linie sind aber eher die Konsumenten schützenswert«, kann sich die Antragsstellerin öVP-Abgeordnete Karin Hakl nicht mit diesem vermeintlichen Todesstoß für die B2B-Wirtschaft anfreunden. »Damit wäre es etwa für Medien nicht mehr möglich, bei Unternehmen breit für Inserate zu werben«, warnt sie. Einen Ausweg dazu liefert wieder eine EU-Richtlinie: Die Mitgliedstaaten können den strengen Rahmen mittels Opt-out-Möglichkeiten aufweichen. Dazu wurde dem Gesetzestext eine Erläuterung angefügt, die besagt, dass Zusendungen an offen gelegte E-Mail-Adressen einer Website eines Unternehmens im eigentlichen Sinne zur Kontaktaufnahme einladen. »Wenn jemand auf seiner Website eine Kontaktadresse angibt, so will er doch mit anderen kommunizieren«, erklärt Hakl. Um Massenzusendungen zu vermeiden, gäbe es ohnehin wirksame Maßnahmen, die etwa die Zusendung an mehr als fünfzig Adressen eines Unternehmens verbieten. Was Hakl nicht verstehen kann, sind Ressentiments der Internetprovider und der Opposition, die auch diese Erläuterung gestrichen haben möchte. »Wenn wir ein Wachstum in der Wirtschaft wollen, muss es eine solche Hintertür geben«, sagt sie. Dem widerspricht Kurt Einzinger, Generalsekretär der Internetprovidervereinigung ISPA: »Wir wollen natürlich nicht den Erstkontakt zwischen Unternehmen verhindern, doch eine Offenlegung von E-Mail-Adressen als Zustimmung zu interpretieren, Zusendungen bekommen zu wollen, ist schon kurios.« Vielmehr seien Geschäftstreibende in der E-Commerce-Branche ohne Wenn und Aber dazu verpflichtet, ihre E-Mail-Adresse offen zu legen. Teilweise würde auch das Mediengesetz die Unternehmen dazu anhalten. Wirkliche Geschäftskommunikation findet auf anderen Ebenen statt, sagt Einzinger. »Dazu muss niemand nur aufgrund einer E-Mail-Adresse Werbung empfangen«, interpretiert der ISPA-Generalsekretär wiederum Hakls Antrag als »Zugeständnis an die Direktmarketingwirtschaft«.

M-Commerce im Aufwind. Abgesehen von den Querelen im E-Mail-Bereich macht sich der Mobilfunk als weiteres Marketingmedium für künftiges Wachstum stark. Das Geschäft mit dem Handy ist einem starken Wandel unterworfen. Nicht nur der Benutzerkreis hat sich in den letzten Jahren ausgeweitet, sondern auch die Funktionalitäten der Endgeräte. Der Mobile-Marketer Dimoco setzt auf das Handy als Allroundwerkzeug. Mobile-Marketing wird dabei durch zahlreiche Bereiche komplettiert, wie etwa unterschiedliche Zahlungssysteme und spezielle Services. Ob als Eintrittskarte zum nächsten Event oder mobiler Gutschein fürs Lieblingsgeschäft - das Handy als dauernder Wegbegleiter übernimmt immer mehr Funktionen. »Die größten Entwicklungen wird es im Bereich Payment und Content geben«, sagt Dimoco-Geschäftsführer Gerald Tauchner. Die zunehmende Verbreitung von Text- und Bildinhalten in den Mobilfunknetzen sieht Tauchner eng mit Marketing- und Paymentlösungen verzahnt und spricht von einer Evolution, die nun die Revolution abgelöst hat.

Martin Chaloupek, Geschäftsführer des Telefonmarketingunternehmens atms, sieht den Trend zum Marketingmedium Handy etwas pragmatischer. Sein Leitspruch ist einfach: »From Hype to Reality.« Noch würden sich für viele Unternehmen Werbekampagnen über die Handys nicht rechnen. Dennoch sind SMS-Aktionen bereits fester Bestandteil der Werbebranche. Es gelte hier wie bei E-Mail-Newsletters, die Werbung geschickt in einen Mehrwert für den Kunden zu verpacken. Sollte dieser Mehrwert Content sein, hat Chaloupek schon ein Best-Practice-Beispiel parat: Die Handelskette Saturn schickt ihren Newsletterabonnenten SMS-Nachrichten mit Infos zu Shopangeboten des nächsten Tages. Aufbereitet sei diese Werbung »wie die Abendausgabe der Kronen Zeitung«, pointiert Chaloupek die essenziellste Weisheit der Marketer, »Content is King«.

Eine weitere handfeste Erweiterung der Kanäle der Werbeunternehmen ist der Bereich »On-Pack-Promotion«. Diese Disziplin beschreibt die Verknüpfung von Werbung, Produktkauf und Mehrwert für den Konsumenten. Aktuelles Beispiel: PIN-Codes für Gewinnspiele oder MP3-Downloads (also Incentives) an Cola-Flaschen, die zum Kauf des dunklen Getränks animieren. Doch nicht nur der einmalige Kauf des Produkts ist das Ergebnis solcher verschränkter Kampagnen. Unternehmen sehen diesen Erstkontakt mit dem Konsumenten als Startrampe für die weitere Beziehungsgeschichte. Die Klienten werden beizeiten dann im Sinne einer »Reaktivierung« neuerlich informiert. »Letztendlich geht es darum, den Wert einer Marke den Stammkunden klar zu machen«, spricht Chaloupek vom stets gleichen Ziel der Wirtschaft, eine Partnerschaft mit dem Kunden einzugehen.

Altersunterschiede. Der branchenbekannte dänische Marketingguru Martin Lindstrom sieht in den neuen Medien vor allem die Zukunft des Marketings bei der Unternehmenskommunikation gegenüber jüngeren Erwachsenen. Twens, also Menschen der Altersgruppe von zwanzig bis 29 Jahren, können Lindstrom zufolge durchschnittlich 5,4 Informationskanäle gleichzeitig aufnehmen - ältere lediglich 1,7. Der Beweis für diese These konnte zuletzt in Wien erbracht werden. Bei einem Vortrag sprach Lindstrom einen Teilnehmer im Zuschauerraum an, der gerade eine SMS-Nachricht in sein Handy tippte. Er konnte kein einziges Wort der Passagen wiedergeben, die Lindstrom zuletzt am Podium besprochen hatte. Was dies für E-Marketing heißt? Die Werbewirtschaft kann sich - wenig überraschend - über die neuen Kanäle nur schwer auf ein älteres Publikum konzentrieren. Diese Zielgruppe ist derzeit tatsächlich bei »Above-the-Line«-Maßnahmen wie TV, Radio und Print besser aufgehoben. Bei allen anderen bedeutet der Trend zu Multimedia auch ein Ende der dezidierten Aufmerksamkeit. Die gleichzeitige Nutzung von Internet und Fernsehen nimmt zu, weshalb die TV-Werbung nicht mehr so intensiv beachtet wird. Webvideos werden in den kommenden Jahren zum Liebling der Onlinewerbung werden. Davon geht das US-Unternehmen DoubleClick aus. Setzen Werber derzeit bereits noch große Hoffnungen in den Onlinebereich »Rich Media«, soll dieser in wenigen Jahren eine evolutionäre Erweiterung um eine Videokomponente erfahren. Sobald die Online-Publisher technologisch für Videostreaming aufgerüstet haben, sei der Fluss der Werbedollars von Rich-Media-Formaten wie Flash und Java in Videoapplikationen auf den Handys und PCs zu erwarten. Die Spots werden dann direkt zum Zuschauer gebracht - ganz persönlich und direkt ins E-Mail-Postfach. Das Besondere: Die Werbebotschaft kann nun ebenso emotional kommuniziert werden wie im klassischen Fernsehformat (das bereits von der Internetgeneration gerne ignoriert wird).

Bestes Beispiel fürs Wachstum bei E-Marketing bietet die Internetsuchmaschine Google. Sie befindet sich dank anhaltendem Boom bei Onlinewerbung im Aufwärtstrend. Der Riese verdoppelt derzeit seine Umsätze und vervierfacht die Gewinne. Man erinnert sich wieder der goldenen Zeit des Dot-com-Booms. Für österreich gilt: »Wir wollen das Bewusstsein stärken, dass gute Kommunikation eine sinnvolle Investition in den Unternehmenswert darstellt,« sagt WKO-Mann Drössler.

back to top