Managererfahrung
- Written by Redaktion_Report
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In dem betreuten Seniorenwohnhaus leben 50 allein stehende Frauen und einige Paare, ehemals obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht. Das Hilfswerk stellt diesen Menschen Wohnungen und Infrastruktur gegen marktübliche Konditionen zu Verfügung. Geholfen wird lediglich in der täglichen Betreuung und Korrespondenz mit Förder- und Beihilfenstellen.
Für Raiffeisen-Manager Müller war der Schichtwechsel nicht nur ein Sichtwechsel sondern auch Gelegenheit, die eigene Führungsqualität zu überprüfen und hinterfragen. Vor allem sei ihm bewusst geworden, dass im Umgang mit sozial Bedürftigen traditionelle Führungsprinzipien fehl am Platz sind. Auch die Einrichtung selbst und seine Mannschaft stehen seiner Beobachtung zufolge häufiger am Prüfstein, als es bei Projekten aus der Wirtschaft wäre. \"Das Betreuerteam des Wohnheims stellt sich permanent selbst in Frage“, erzählt Müller. Vor schwierigen Entscheidungen werde oft grundsätzlich die eigene Aufgabe und der eigentliche Auftrag diskutiert. Der Grund: Der Grad zwischen Sozialarbeit und Hilfsbereitschaft ist sehr schmal. Es gilt stets, die Distanz zum Kunden, dem Bedürftigen, zu wahren. Menschen werden im Hilfswerk lediglich unterstützt, keinesfalls bevormundet - auch nicht wohlwollend. Der Manager traf hier auf stets unvorhergesehene Situationen. \"Im Endeffekt gibt es im Umgang mit den Bewohnern keine Regeln. Jeder Mensch ist einzeln zu betrachten.“
Die Betreuungseinrichtungen des Hilfswerks funktionieren gänzlich anders als Industrieunternehmen: demokratisch. Doch auch hier gibt es entscheidende Stimmen der Heimleitung in den täglichen Mitarbeitersitzungen. Nachdenklich habe ihn die Entscheidungsgewalt über die Bewohner gemacht. Etwa wenn sie bei Mietkosten säumig sind und trotz aller Hilfsbereitschaft des Teams eine Delogierung droht. \"Meist baut die Wirtschaft auf Faktoren wie Wachstum und Schnelligkeit“, weiß Müller, bestens vertraut mit dem lapidaren Versprechen \"mach ma schon“, das oft Ausschreibungen und Verträge in österreich blumig umhüllt. Auch in der Wirtschaft sei stets eine klarere Abgrenzung gefragt, besonders im Einkauf von nur schwer erfassbaren Produkten wie Software und Dienstleistungen. Für das Hilfswerk denkt Müller nun an einen Leitfaden, den Wert der eigenen Arbeit zielstrebig an die Partner aus der Wirtschaft und die öffentlichkeit zu verkaufen. Aber auch in dieser Sache sei das Hilfswerk mitunter bereits ein sehr effizient geführtes Unternehmen. \"Das Wohnheim muss sich täglich neu verkaufen.“