Das war Chance Hochbau 2010
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Im Palais Niederösterreich diskutierten namhafte Vertreter aus Wirtschaft und Politik über aktuelle Themen der Baubranche. Im Mittelpunkt des Interesses: die Finanzierung.
Von Bernd Affenzeller
Ende Oktober ging die Enquete »Chance Hochbau« zum achten Mal über die Bühne. Dieses Jahr lud der Bau & Immobilien Report ins Palais Niederösterreich in der Wiener Innenstadt, thematisch ging es um die Finanzierung von Bauvorhaben sowie die Frage, was die Bauwirtschaft heute leisten kann, um das Morgen lebenswerter zu gestalten.
Kritische Ausgangsposition
Den Beginn machte Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel, der die aktuelle Situation der Bauwirtschaft näher beleuchtete. Und die stellt sich allen generellen Aufwärtstendenzen zum Trotz immer noch als äußerst trist dar. Im ersten Halbjahr erwirtschafteten die österreichischen Hoch- und Tiefbauunternehmen laut Statistik Austria einen Bauproduktionswert von sechs Milliarden Euro, das bedeutet ein Minus von 9,1 Prozent im Vorjahresvergleich. Besonders bedauerlich ist laut Frömmel die Zurückhaltung der öffentlichen Hand. Laut Statistik Austria ist die Bautätigkeit für den öffentlichen Sektor im ersten Halbjahr 2010 um 20 Prozent zurückgegangen. Dabei wären gerade jetzt zukunftsträchtige Investitionen in Wohnbau und Infrastruktur sinnvoll und notwendig. »Bauinvestitionen lassen für die öffentliche Hand große Rückflüsse erwarten und sichern Arbeitsplätze«, so Frömmel in seiner Key-Note.
Die Regierung gibt sich zurückhaltend, zuckt maximal mit den Schultern. Es gilt das Primat des Sparens. Der Budgetkonsolidierung wird kompromisslos alles untergeordnet. »Wir können nicht ewig staatlich Impulse setzen«, sagte etwa Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im Interview mit dem Bau & Immobilien Report.
In der Bauwirtschaft wird die Thematik deutlich differenzierter betrachtet. Ganz ohne staatliche Impulse wird die Bauwirtschaft nicht in Schwung kommen. Deshalb präsentierte Bundesinnungsmeister Frömmel fünf ganz konkrete Maßnahmen, um die Baukonjunktur anzukurbeln. Darunter fiskalische Anreize wie etwa den Bauhandwerkerbonus nach deutschem Muster, eine Reduktion der Mehrwertsteuer für Baudienstleistungen oder 1/15-Abschreibung für Assanierungsmodelle. Zudem forderte Frömmel die Zweckbindung der Wohnbaufördermittel für den Neubau. Dem bundesweiten Bedarf von 50.000 Wohneinheiten steht 2011 laut Wifo ein Rückgang der Bewilligung auf 37.400 Einheiten gegenüber. Das bedeutet für die Bauwirtschaft einen jährlichen Umsatzverlust von bis zu drei Milliarden Euro, 25.000 bis 30.000 weniger Beschäftigte, der Finanzminister kassiert 800 Millionen Euro weniger an Lohn- und Umsatzsteuern und auch den Sozialversicherungen entgehen rund 400 Millionen Euro. Viel Zustimmung erntete Frömmel für den Hinweis auf das »deutliche Missverhältnis von Objekt- und Subjektförderung« zulasten des Wohnungsneubaus und die Forderung an die öffentliche Hand, zugesagte Investitionen für ÖBB und Asfinag nicht unter dem Deckmantel der Budgetkonsolidierung zurückzunehmen. Weiters betonte Frömmel die Wichtigkeit von spezifischen Förderungen wie den Winterbauoffensiven in der Steiermark und Tirol und der Förderung von seniorengerechtem Bauen. Außerdem sprach sich Frömmel für eine Neuauflage des im Vorjahr so erfolgreichen Sanierungsschecks aus. Eine Forderung, die nach monatelangen Verhandlungen und intensivem Lobbying der Bauwirtschaft endlich Wirkung zeigt. Wirtschaftsminister Mitterlehner kündigte an, die Förderungsaktion im Frühjahr des kommenden Jahres wieder aufzunehmen. Bis 2014 will die Bundesregierung jährlich 100 Millionen Euro aus MöST-Mehreinnahmen einsetzen, um die thermische Gebäudesanierung zu fördern. Zum Abschluss seiner Keynote verlieh Frömmel noch der Hoffnung Ausdruck, dass in Zukunft alternative Finanzierungsmodelle wie die verstärkte Emission von Wohnbauanleihen, Contracting-Modelle für kommunale Einrichtungen oder PPP-Modelle eine größere Rolle spielen würden.
Geld für den Bau
Die Keynote von Bundesinnungsmeister Frömmel war der Impuls für eine prominent besetzte Podiumsdiskussion. Dabei trafen die Vertreter der Bauwirtschaft auf die Politik. Josef Schmidinger, Generaldirektor sBausparkasse, Stephan Jainöcker, Mischek-Geschäftsführer, und Innungsmeister Frömmel diskutierten mit dem Wiener Gemeinderat Christoph Chorherr, der niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Michaela Hinterholzer und Franz Hammerschmid vom Kabinett der Infrastrukturministerin Doris Bures über Finanzierungsmöglichkeiten von Bauvorhaben.
Viel frischen Wind in die Diskussion brachte das grüne Urgestein Christoph Chorherr. Mit seiner gewohnt polemischen, provokanten Art und Weise erntete er nicht nur viel Applaus vom Publikum, sondern gab auch wichtige Denk- und Diskussionsanstöße. So sprach er sich etwa dafür aus, statt über zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten über Hemmnisse in der Ordnungspolitik zu sprechen. Zudem bekräftigte er seine Forderung nach einem gesetzlichen Zwang zur Gebäudesanierung. Kritik übte Chorherr auch am Infrastrukturministerium. Die ÖBB würde sich mit unausgegorenen Tunnelprojekten hauptsächlich auf Prestigeprojekte von geringem volkswirtschaftlichen Nutzen stürzen und die Asfinag würde auf Druck der Länder Autobahnen errichten, wo Landstraßen absolut ausreichen.
Diesen Umstand bestätigte auch Franz Hammerschmid, Ressortleiter Schiene im BMVIT. »Die Länder machen es sich oft sehr einfach, indem sie Zuständigkeiten einfach an den Bund übertragen.« Außerdem kritisierte Hammerschmid die allgemeine Erwartungshaltung. »Bei Straße und Schiene soll immer eingespart werden. Gleichzeitig wird aber eine stetige Verbesserung der Infrastruktur erwartet. Das funktioniert aber nicht.« In diesem Zusammenhang verwies Hammerschmid auf die Tatsache, dass Teile des Schienenetzes noch aus der Monarchie stammen. Wenn der Staat zu der Ansicht komme, dass dieses Netz erneuert werden muss, dann müsse eben Geld in die Hand genommen werden. »Wenn dann über die Verschuldung der ÖBB diskutiert wird, dann hat man das System nicht verstanden.« Dem Vorwurf Chorherrs, die ÖBB würde hauptsächlich in prestigeträchtige Großprojekte investieren, konterte Hammerschmid mit einer beeindruckenden Liste an Bahnhofs- und Gleissanierungen in ganz Österreich, die vor allem das Baunebengewerbe stärken.
Oftmals vergessen in der Diskussion über alternative Finanzierungsmodelle werden die ständig steigenden Grundstückspreise für Wohnbauvorhaben. Die sind für Josef Schmidinger eine direkte Folge der Krise, weil die an sich sinnvolle Überlegung »Grundbuch statt Sparbuch« zahlreiche Spekulanten auf den Plan gerufen hätte. Schmidinger verwies auch auf die Tatsache, dass seit 2008 der frei finanzierte Wohnbau in Wien beinahe zur Gänze zum Erliegen gekommen sei und forderte die Politik auf, jetzt zu handeln, um die wachsende Bevölkerung mit adäquatem Wohnraum versorgen zu können.
Auch Stephan Jainöcker, Geschäftsführer Mischek Bauträger, kritisiete die steigenden Grundstückspreise. »Es hat sich bei den Grundstückseigentümern herumgesprochen, dass Grundstücke im moment recht teuer sind. «Eine echte Preisblase wie etwa in Bratislava sieht Jainöcker in Wien aber nicht. Da die Bereitstellung von günstigem Bauland für den geförderten Wohnbau zumeist nur noch durch Umwidmungen erreicht werden kann, regt Jainöcker an, von den Widmungsgewinnern eine Abgabe einzuheben, um damit die erforderliche Infrastruktur finanzieren zu können.
Von den aktuellen Aktivitäten des Landes Niederösterreich berichtete die Landtagsabgeordnete Michaela Hinterholzer. Sie musste zwar einräumen, dass die Investitionen der öffentlichen Hand nachgelassen haben, diese seien aber in den letzten Jahren auf einem sehr hohen Niveau gewesen. Es wurde viel in Kindergärten, Krankenhäuser und Pflegeheime investiert. Auch jetzt seien noch einige Projekte in der Pipeline. Ein Hauptproblem sind laut Hinterholzer die Gemeinden, die zwar investieren wollen, denen aber derzeit einfach das Geld fehlt.
Heute für Morgen
Den Startschuss für den zweiten Themenblock lieferte der Wiener Planungsstadtrat Rudi Schicker mit einem Überblick über die derzeitigen Stadtentwicklungsprojekte vom Hauptbahnhof über die größte Passivhaussiedlung Europas bis hin zur Seestadt Aspern. Außerdem berichtete er über die positiven Ergebnisse der Evaluierung des Stadtentwicklungsplans von 2005 und zeigte anhand von historischen Beispielen, wie erfolgreiche Stadtplanung aussehen kann. Während der Wiener Hochwasserschutz bis zum Jahr 2002 rund 600 Millionen Euro gekostet habe, hätte alleine das Hochwasser in diesem Jahr in Niederösterreich einen Schaden von einer Milliarde angerichtet. In Wien habe man mit einem Bruchteil dieses Geldes nicht nur einen funktionierenden Hochwasserschutz geschaffen, sondern auch ein Naherholungsgebiet. Auch zum Thema Finanzierung äußerte sich der Planungsstadtrat. Wien hätte durch ein ganz gezieltes »Deficit Spending« die Krise ganz gut überstanden. Aber natürlich müssten die 800 Millionen Euro, die investiert wurden, jetzt auch wieder zurückkommen. »Viele zusätzliche Projekte können wir derzeit aber nicht machen.« Dafür strich Schicker den vorbildhaften Umgang der Stadt mit den Mitteln aus der Wohnbauförderung hervor, wofür es auch prompt Lob von Carl Hennrich, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik, gab. Hennrich forderte die restlichen Bundesländer auf, dem Wiener Beispiel zu folgen, um den sozialen Frieden durch ausreichend neuen Wohnraum dauerhaft zu sichern. »Dafür müssen jetzt die Weichen gestellt werden«, betonte Hennrich, der den Wohnungsneubau als ein Gebot der Stunde sieht.
Einen kurzen Abstecher in Richtung Umweltschutz machte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch. Er verwies das sich hartnäckig haltende Gerücht, wonach energieeffizientes Bauen deutlich teurer sei, in das Reich der Fabeln und erklärte die Bauwirtschaft zu einem der Vorreiter in Sachen Green Jobs. »Früher waren wir als ‹die Betonierer› bekannt, heute stehen wir durch Sanierungsinitiativen und energieeffiziente Neubauten für moderne Green Jobs.« Sorgen bereitet Muchitsch nach wie vor der Umgang vieler Bundesländer mit den Geldern der Wohnbauförderung. So ist er etwa freiwillig aus dem steirischen Wohnbauförderungsbeirat ausgeschieden, weil »das mit Wohnbau eigentlich nichts mehr zu tun hatte«.
Der Umweltschutz war auch das Stichwort für den Dämmspezialisten Franz Böhs. Der Rockwool-Geschäftsführer formulierte mit der Unabhängigkeit von Energieimporten ein ehrgeiziges Ziel für Österreich, das nur über eine Steigerung der Gebäudesanierungsrate von derzeit ein auf drei Prozent erreichbar sei. In diesem Zusammenhang sprach Böhs sowohl der Stadt Wien als auch den gemeinnützigen Wohnbauträgern ein Lob für ihre Vorbildwirkung aus.
Auch Robert Jägersberger, Landesinnungsmeister der NÖ Bau-Gewerbebetriebe, sprach sich für eine Stärkung der Sanierung aus. «Das ist für die zahlreichen Gewerbebetriebe ein enorm wichtiges Geschäftsfeld.« Wie wichtig die Wiedereinführung des Sanierungsschecks ist, zeigte Jägersberger anhand einer Karmasin-Studie. Demnach würden sich 70 Prozent der Bevölkerung nur durch eine Förderung zu einer thermischen Sanierung bewegen lassen.
Gerhard Schenk, Geschäftsführer des Facility Managers HSG Zander, kritisierte das immer noch kurzfristige Renditedenken bei der Immobilienentwicklung und forderte ein Umdenken in Richtung Lebenszykluskosten. Außerdem gab es einen kleinen Seitenhieb in Richtung Architekten. «Aus ästhetischen Gründen werden oft Dinge geplant, die im Betrieb absolut kontraproduktiv sind und horrende Kosten verursachen«, so Schenk, der als konkretes Beispiel Bodenbeläge anführt, die deutlich höhere Heizkosten verursachen.
Langlebigkeit und Lebenszykluskosten waren die Stichworte für Harald Greger, Geschäftsführer des Aluminium-Fenster-Instituts AFI. Er zitierte eine aktuelle Untersuchung der TU Wien, wonach die Lebenszykluskosten bei Aluminiumfenstern deutlich geringer sind als bei anderen Materialien. Anhand einer Musterwohnung des großvolumigen Wohnbaus konnte Greger nachweisen, dass Kommunen über einen Zeitraum von 60 Jahren mit Aluminiumfenstern Kosten von 58.000 Euro entstehen. Bei Kunststoff- und Holz-Alu-Fenstern belaufen sich diese Kosten auf 78.000 Euro, bei klassischen Holzfenstern sogar auf 95.000 Euro. Dieses beeindruckende Zahlenmaterial gab Greger Stadrat Schicker mit auf den Weg, inklusive der Empfehlung an Wiener Wohnen, diesen Materialvorteil auch im Gemeindebau zu nutzen.