Kompromiss zum Emissionshandel: Erfolg oder Misserfolg?
- Written by Redaktion
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Kurz vor Weihnachten hat der EU-Umweltausschuss eine Verknappung der CO2-Emissionszertifikate um 2,4 % statt der aktuell geltenden 1,74 % sowie einen Rauswurf der Zementindustrie aus der Gratis-Zertifikat-Zuteilung gefordert. Das Parlament hat diesen Rauswurf abgelehnt und eine Verknappung um lediglich 2,2 % beschlossen. Während die europäischen Grünen gegen diesen Kompromiss gestimmt haben, zeigt sich die heimische Zementindustrie erleichtert. Der Bau & Immobilien Report hat Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie VÖZ, und Ulrike Lunacek, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, zum verbalen Schlagabtausch gebeten.
Pro: Investitionen, Arbeitsplätze und Klimaschutz gefährdet
"Das Vorhaben des Umweltausschusses der extremen Benachteiligung der Zementindustrie ist völlig unverständlich. Mit der Einstellung der Zertifikatezuteilung an den Zementsektor hätte ein seit mehreren Jahren bewährter Schutz vor EU-internen und EU-externen Wettbewerbsverzerrungen über Nacht seine Wirkung verloren und der österreichische Hightech-Zementproduktionsstandort mit seinen weltweit zukunftsweisenden Technologien bei der Emissionsminderung extremen Schaden erlitten. Die österreichische Zementindustrie, welche gemäß einer Auswertung des World Business Council for Sustainable Development die Weltrangliste der CO2-armen Zementherstellung anführt, wäre aus dem Baustoffmarkt verdrängt worden. Im Gegenzug wäre der Klimaschutz durch die unbedachte Bevorzugung CO2-intensiverer Konkurrenzprodukte unter die Räder geraten. Gerade die österreichische Zementindustrie setzt sich neben ihren Fortschritten für den Klima- und Umweltschutz bereits seit mehr als einem Jahrzehnt vehement für eine sinnvolle Reform des Emissionshandels ein. Mit dem Vorschlag einer vollständigen dynamischen Anpassung der Zuteilung an die tatsächliche Produktion kann ein Systemfehler, welcher nach den derzeitigen Beschlüssen weiterhin vor allem in den hauptkrisengeplagten EU-Ländern zu ungerechtfertigten und zu hohen Zuteilungen führen wird, verhindert werden.
Anstelle der ständigen Kritik und dem Versuch des Rauswurfs jener Branche, die auf internationaler Ebene in mehreren Bereichen die Vorreiterrolle im Klima- und Umweltschutz unter Beweis stellt, wäre vielmehr die Anerkennung der Leistungen der heimischen Zementindustrie angebracht."
Sebastian Spaun, Geschäftsführer der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie
Contra: Streichung der freien Zertifikate auch wirtschaftlich vertretbar
Mit Zertifikatpreisen von fünf Euro liegt der Emissionshandel seit Jahren am Boden. Dieses System gibt keine Anreize für saubere Investitionen und gehört dringend geändert. Das Europaparlament hatte bei der Abstimmung über die Überarbeitung des Emissionshandels für die Handelsperiode 2021–2030 die Chance dazu. Leider hat das EP diesen ersten Test nach Inkrafttreten des Pariser Klima-Abkommens nicht bestanden. Der Kompromiss aus dem EP-Umweltausschuss sah noch vor, dass die Zement- und Klinkerindustrie nach 2020 keine freien Emissionszertifikate mehr zugeteilt bekommen sollte. Nach intensiven Lobbyanstrengungen der Industrie wurde dieser Kompromiss jedoch von den konservativen und liberalen Abgeordneten aufgekündigt. Die Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament und ich konnten deshalb dem Ergebnis nicht zustimmen.
Die Zementindustrie hat bislang massive Zusatzgewinne durch die freie Zuteilung von Emissionszertifikaten eingefahren. Die Streichung der freien Zertifikate wäre deswegen auch wirtschaftlich verantwortbar gewesen. Die Mehrheit der Abgeordneten ist leider den Argumenten der Industrie gefolgt – unsere vertraglichen wie existenziellen Verpflichtungen für den internationalen Klimaschutz wurden daneben vergessen oder bewusst ignoriert. Der Emissionshandel ist das wichtigste europäische Instrument für Klimaschutz. So bekommen klimaschädliche Emissionen einen Preis, der klimafreundliche Innovationen fördert und so dafür sorgt, dass Klimaschutz sich lohnt. Wenn wir weiterhin den Forderungen der energieintensiven Industrie folgen, bleibt dieses Instrument nutz- und wirkungslos – zum Schaden für uns, die Umwelt und vor allem der künftigen Generationen."
Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europaparlaments und Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EP