»Dienste aus der Wolke« – das Podiumsgespräch
- Written by Martin Szelgrad
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Trendthema Cloud-Computing – Expertinnen und Experten diskutieren. Wie sehen die Veränderungen bei IT-Diensten aus? Welche Herausforderungen entstehen beim Weg in die Wolke? Und wo liegt der Mehrwert?
Am 10. Oktober veranstaltete der Report Verlag im Festsaal von Wien Energie Stromnetz eine Podiumsdiskussion zum Thema Cloud-Computing. Vor knapp 80 Besuchern diskutierten Branchenvertreter und Cloudexperten zu rechtlichen und organisatorischen Fragestellungen zu den Diensten aus der Wolke. Am Podium vertreten: Martin Katzer, Geschäftsführer T-Systems; Manfred Köteles, Geschäftsführer Bacher Systems; Sabine Lehner, CIO Wiener Stadtwerke; Árpád Geréd, Maybach Görg Lenneis & Partner, sowie Semih Caliskan, Managing Director Austria & CEE Colt Technology Services. Die Veranstaltungspartner des Podiums waren T-Systems, Bacher Systems und Wien Energie. Es moderierte Telekommunikations & IT Report-Chefredakteur Martin Szelgrad.
Report: Herr Katzer, der Hype um das Thema Wolke dominiert seit gut zwei Jahren die IT-Branche. Ist Cloud-Computing nun mehr ein Marketinggag oder wirklich etwas Neues?
Martin Katzer, T-Systems: Cloud-Computing ist mit Sicherheit kein Marketinggag, aber auch keine Revolution, sondern Teil der Evolution von IT-Services. Diese neue Art von Diensten hat sich aus den Gegebenheiten des Marktes heraus entwickelt. Unternehmen stehen heute in der Entwicklung von neuen Produkten und Services unter einem enormen Druck. Gleichzeitig sollen die laufenden IT-Kosten verringert und die Profitabilität gesteigert werden. Über Cloudservices werden dann jene IT-Dienste bezogen, die ein Unternehmen in diesem Moment und genau in einem bestimmten Ausmaß benötigt. Der Kunde zahlt nur das, was er wirklich braucht und verbraucht. Das Unternehmen selbst muss IT-Infrastruktur – Server, Prozessoren, Softwarelizenzen – nicht mehr selbst besitzen, sondern mietet diese einfach zu.
Einen ähnlichen Wandel können wir auch in der Automobilindustrie beobachten. In den 70er-Jahren galt der Besitz eines Autos als Selbstverständlichkeit. Das Fahrzeug war ein Statussymbol. Heute steht nicht das Auto im Mittelpunkt, sondern die Mobilität. Dafür muss man kein eigenes Fahrzeug besitzen – man ist auch mittels Leihauto, Carsharing oder öffentlichen Verkehrsmitteln mobil.
Report: Welche Ansätze des Cloud-Computing eigenen sich nun für große, welche für kleinere Unternehmen?
Martin Katzer: Das kommt immer auf die jeweiligen Bedürfnisse an. Es gibt keine klare Richtung, ob nun eine abgegrenzte Private Cloud innerhalb eines Unternehmens oder Public-Cloud-Dienste wie Dropbox, Office 365 oder andere Software-as-a-Service die einzige Antwort sind. Mit Infrastructure-as-a-Service werden beispielsweise Rechnerressourcen und Speicherplatz bereitgestellt, Plattform-as-a-Service wiederum kommt etwa bei flexibel dimensionierbaren Arbeitsplätzen mit Entwicklungsumgebungen zum Einsatz. Die Cloud eignet sich für Startups, bei denen die Investoren die Kosten so gering wie möglich halten wollen. Sie eignet sich für traditionelle KMU und auch für Großunternehmen, die so mittlerweile auch kritische Applikationen auslagern. Wir haben von allen Unternehmensgrößen viele Beispiele in der Branche – auch in Österreich.
Report: Herr Köteles, sehen Sie zum Thema Cloudservices nicht auch eine bestimmte Begriffsverwirrung am Markt? Wo liegen die wesentlichen Missverständnisse? Was sind so die gängigen Unterschiede in der Erwartung gegenüber der Cloud und vernünftigen Umsetzungen in der Unternehmens-IT, wenn man unterschiedliche Kundengruppen betrachtet?
Manfred Köteles, Bacher Systems: Wir sind seit Jahrzehnten am Markt tätig und haben schon einige Evolutionen und Revolutionen in den Technologien mittendrin selbst mitgemacht. Nach PCs, der Entwicklung von Client-Server-Modellen und dem Internet stellt uns jetzt der Trend zu Cloud-Services vor neue Herausforderungen. Mittlerweile hat sich dazu auch der Nebel rund um die Begrifflichkeiten und Geschäftsmöglichkeiten gelegt. Wir unterscheiden heute klar zwischen den Konzepten einer Public, einer Private und der Hybrid Cloud. Doch wird es sicherlich selten sinnvoll sein, die eigene IT komplett in eine Public Cloud auszulagern. Die meisten Unternehmen werden auf Hybridformen setzen.
Besonders in den Anfängen dieses Trends konnten viele unserer Kunden kaum etwas mit diesen Begriffen anfangen oder diese gar auf ihre bestehende Infrastruktur und ihre Anforderungen umlegen. Unter einer Amazon Cloud, unter salesforce.com oder auch Dropbox kann man sich ja noch etwas vorstellen. Doch was bedeuten Cloudservices im Bezug auf meine bereits eingesetzte IT-Infrastruktur? Nach einigen Bemühungen bei Bacher Systems, eine Zeitlang auch ohne das viel strapazierte Wort Cloud auszukommen, haben wir uns auf das Bild des »Rechenzentrums der Zukunft« geeinigt. Es beschreibt, wie in Zukunft Rechenleistung zu Verfügung gestellt wird, um jene Services aus der Wolke zu erbringen.
Wir sehen dazu mehrere Zielgruppen am Markt. Klein- und Kleinstunternehmen sind die typischen Microsoft-Office-365-Nutzer. Wenn ich als Unternehmer neu anfangen müsste, würde ich genau diesen Service nutzen: Ich habe von der ersten Stunde eine Büroinfrastruktur zu Verfügung, mit kalkulierbaren Kosten, um die ich mich nicht weiter kümmern muss. Diese Argumente gelten klar auch für Unternehmen, für die IT kein strategischer Faktor ist und die sich nur wenig mit IT-Belangen belasten wollen. Auf der anderen Seite gibt es ab dem gehobenen Mittelstand aufwärts viele Unternehmen, die bisher schon Teile ihrer IT ausgelagert haben. Sie werden mit der Cloudwelle ein größeres Angebot mit mehr Auswahl und besseren Leistungen zu Verfügung bekommen. Dazwischen gibt es weiterhin eine große Bandbreite an Firmen, die ihre IT und ihre Daten aus guten Gründen partout nicht außer Haus geben will. Für diese Gruppe eignet sich eine Private Cloud, die IT unter dem eigenen Dach.
Report: Worin unterscheidet sich im Detail nun ein Rechenzentrum der Zukunft von bisherigen IT-Infrastuktur-Services?
Manfred Köteles: Der größte Unterschied ist die Möglichkeit für Unternehmen, wesentlich höhere Anforderungen an einen internen oder externen Rechenzentrumsdienstleister stellen zu können. In der Vergangenheit wurden Funktionalitäten, Leistungen und Services bei IT-Auslagerungen gemeinsam mit dem IT-Provider geplant und anschließend für einen festgesteckten Zeitraum zu Verfügung gestellt. Das Rechenzentrum der Zukunft ist nun die Antwort auf einen Bedarf, der sich wesentlich dynamischer darstellt. In herkömmlichen Rechenzentren ist Hardware fest zuordenbar und fest verdrahtet. Im künftigen Rechenzentrum wird die Funktion der bereitgestellten Hardware erst durch Software bestimmt. Es gibt eine leistungsfähige, gut konfigurierbare Basishardware. Wofür sie aber arbeitet – ob als Webserver, als Appliance für eine Firewall, als Load-Balancer oder als Datenbankserver – ist völlig offen. Das wird durch eine darüber liegende Softwareschicht definiert.
Report: Frau Lehner, Sie betrachten den Hype um die Cloud vermutlich etwas nüchterner. Welche Chancen sehen Sie als CIO eines großen Unternehmens durch Cloudservices? Welchen Herausforderungen begegnen Sie dabei?
Sabine Lehner, Wiener Stadtwerke: Aus Kundensicht sieht man das Thema kritischer, und da sind wir sicherlich nicht die Einzigen. Wenn ich mit Branchenkollegen spreche und mit CIOs anderer großer Konzerne, sehe ich eine sehr genaue und abwartende Betrachtung des Themas in Europa. Cloudservices sind an sich nichts Neues. Schon vor zehn Jahren hatte man privat Daten ins Web ausgelagert. Firmen müssen sich damit aus rechtlicher Sicht natürlich ganz anders auseinandersetzen. Die Speicherung und der Umgang mit kunden- und personenbezogenen Daten unterliegen einer großen Verantwortung, die wir auch nicht an einen Dritten, einen Cloudprovider, delegieren können. Zwar kann sich ein Unternehmen vertraglich für den Schadensfall absichern. Letztlich haften bei einem Datenleck oder rechtlichen Verletzungen aber die eigene Organisation und die eigene Geschäftsführung.
Natürlich sehe ich auch sehr viele Chancen durch die Cloud. Sie schafft neue Möglichkeiten – in Fortsetzung der Internetrevolution, die vor über 20 Jahren gestartet hat. Noch sind viele rechtliche Fragen offen und trotzdem setzen sich Clouddienste zunehmend durch, da sie viele Vorteile bringen. So wird es in unserer mobiler Welt immer wichtiger, von überall aus auf seine Daten zugreifen zu können, die zentral zugänglich sind.
Report: Wie hoch ist der Standardisierungsgrad der Unternehmens-IT der Wiener Stadtwerke? Sie werden doch auch mit historisch gewachsenen Komponenten zu tun haben, die eine Auslagerung in die Wolke kaum möglich machen.
Sabine Lehner: Ja, es ist auch bei neuen Applikationen nicht immer einfach, die Organisation so an die Softwarelösung anzupassen, dass eine Implementierung lückenlos standardisiert durchführbar ist. Dies ist freilich von Bereich zu Bereich unterschiedlich. So ist auf Infrastrukturebene unsere IT bereits stark vereinheitlicht. Hier können Cloudservices auch helfen und Standardisierungen bis zu einem gewissen Grad unterstützen. Im Applikationsbereich wiederum ist eine allgemeine Standardisierung schon schwieriger, da unser IT-Betrieb von Österreichs größtem Mischkonzern unterschiedlichste Sparten und Geschäftsbereiche serviciert, die teilweise sehr verschiedene Aufgaben haben. Insgesamt sehe ich aber große Chancen in unserem eigenen Rechenzentrum für die Entwicklung eines Private-Cloud-Modells.
Report: Herr Geréd, welche rechtlichen Aspekte sind bei der Auslagerung von Daten in die Cloud zu beachten? Welche rechtlichen Unterschiede gibt es zu dem klassischen Geschäft des IT-Outsourcings, das die Branche ja bereits seit Jahren gut kennt?
Árpád Geréd, Maybach Görg Lenneis & Partner: Der Riesenunterschied zwischen Outsourcing und dem, was wir heute als Clouddienste bezeichnen, besteht vor allem in der persönlichen Wahrnehmung durch die Unternehmen. Beim IT-Outsourcing waren sich nach Unterzeichnung eines Vertrages alle völlig sicher, einen Partner fürs Leben gefunden zu haben, an den man sich binden möchte. Der IT-Dienstleister übernahm sämtliche Daten und auch Unternehmens-Know-how zu Brancheneigenheiten und Geschäftsprozessen. Plötzlich gab es dann niemanden mehr im Unternehmen, der diese Daten noch selbst bearbeiten könnte. Keine Gedanken hatte man sich vor wenigen Jahre noch zu essenziellen Dingen wie Datenschutz oder einer möglichen Rückabwicklung der Outsourcingprojekte gemacht. Damals wollten Unternehmen ihre Daten und Services an die IT-Professionisten loswerden, um Kosten abzubauen. Eine Umkehr dessen wurde als nicht relevant gesehen – schließlich wären da die Kosteneinsparungen wieder aufgehoben worden. Heute dagegen zielen die Unternehmen mit Cloudservices weniger auf Kostensparungen, sondern auf einen Mehrwert. Mobilität, flexible IT, schnell provisionierbare Arbeitsplätze für die Nutzer – das alles macht aber die Speicherung von Daten in der Cloud notwendig. Damit müssen sich Unternehmen die Frage stellen: Bekomme ich diese Daten auch wieder zurück? IT-Outsourcing und Cloudcomputing sind miteinander verwandt. Von der Ausrichtung unterscheiden sie sich aber stark voneinander. Die Unternehmen haben heute bei der Konsolidierung ihrer IT ganz andere Ziele.
Report: Wie sieht es mit neuen, rechtlichen Standards für Cloudanbieter aus? Wie weit ist man in Europa, diese zu errichten?
Árpád Geréd: Die doch herrschenden Unsicherheiten in der Diskussion rund um die unterschiedlichen Clouddienste und Geschäftsmodelle haben jetzt zu Bestrebungen geführt, rechtliche Standards zu schaffen. Nellie Kroes, EU-Kommissarin für die digitale Agenda, hat dazu die ETSI (Anm. European Telecommunications Standards Institute) beauftragt, gültige Standards für den EU-Raum zu schaffen. Die Branchenvereinigung EuroCloud ist einer der Stakeholder, die daran beteiligt werden. EuroCloud hat mit dem Gütesiegel »EuroCloud Star Audit« bereits eine Zertifizierung für die Cloud geschaffen, in diesem Fall speziell für Software-as-a-Service. Nun arbeiten wir auch in Österreich an einem Leitfaden für Cloudprovider. Sein Fokus: Welche Punkte muss ein Cloudproviders seinen Kunden mitteilen? Welche Inhalte muss ein Vertrag enthalten? Mitgetragen wird die Arbeit unter anderem vom Austrian Standards Institute oder auch der Wirtschaftskammer Österreich. Die Ergebnisse dazu wird es Ende Oktober geben. Mit der Beteiligung der EuroCloud an dem ETSI-Verfahren können wir auch sicherstellen, dass diese lokalen Bestrebungen auch für die Basis eines europaweit gültigen Regelwerks herangezogen werden. Letztlich werden diese Leitfäden und Regelwerke Unsicherheiten nehmen und die Akzeptanz von Cloudservices stärken.
Report: Herr Caliskan, zögern Unternehmen noch bei der Umstellung von Geschäftsprozessen in die Wolke? Wenn ja, wie kann man dem begegnen?
Semih Caliskan, Managing Director Colt: Als klassischer Telekommunikationsprovider haben wir uns entschieden, auch einen integrierten Service-Solution-Bereich mit Cloudaspekten anzubieten. Colt hat aus heutiger Sicht dahingehend richtig investiert. Während vor Jahren unsere Kunden bei der Frage nach Hürden für Clouddienste Sicherheitsthemen noch unter ferner liefen gereiht hatten, ist die Awareness dazu nun spürbar gestiegen. In einer jüngsten Befragung wurde die Verlagerung von IT-Services und Daten in die Cloud nun eher als Geschäftsrisiko gesehen. Vielleicht haben wir in der Branche den Fehler gemacht, uns zu sehr auf die Risiken zu konzentrieren und zu wenig über den Mehrwert zu sprechen. Aufgrund dieses oft beobachteten Ungleichgewichts in der Kommunikation zu Cloudthemen zögern jetzt noch viele, entsprechend zu investieren.
Report: Sehen Sie den Mehrwert einer geografisch abgegrenzten Österreich-Cloud oder einer europäischen Cloud gegenüber den Angeboten aus Übersee? Ist das etwas, was Ihre Kunden fordern?
Semih Caliskan: Das ist völlig von der Branche und dem Geschäft des Unternehmens abhängig. Es gibt Kunden mit absolut geschäftskritischen Applikationen und streng geschützten Daten, wo eine sichere Speicherung immens wichtig ist. Anderen wiederum ist bei einer Datenauslagerung die Herkunft des Cloudpartners völlig egal – vorausgesetzt, der Clouddienst betrifft keine Bereiche mit Personendaten oder Daten, die geschäftskritisch sind. Prinzipiell muss jedes Unternehmen selbst prüfen, ob und welchen Mehrwert Clouddienste liefern können. Da geht es klar um die Fragen: Womit verdiene ich mein Geld? Welche Art von Daten habe ich? Was kann ich überhaupt standardisiert auslagern?
Report: Wenn wir also von Mehrwert sprechen wollen: Können Sie ein, zwei Beispiele für die Wirtschaftlichkeit von Cloudservices bei T-Systems geben? Wie attraktiv war die Wolke in diesen speziellen Fällen für Ihre Unternehmenskunden?
Martin Katzer: T-Systems hat seit vielen Jahren das Rechenzentrum der Zukunft umgesetzt und setzt dazu auf Virtualisierung und andere Technologien, um seine Hardware flexibel skalierbar einsetzen zu können. So haben wir beispielsweise vor zwei Jahren für den Papierkonzern Sappi den kompletten SAP-Betrieb übernommen und für den Kunden 15 % Einsparungen erzielt. Zudem verfügt Sappi jetzt über eine SAP-Infrastruktur, die mit dem Unternehmen dynamisch mitwächst. Gleichzeitig hat der Kunde eine klare Transparenz zu den benötigten Kapazitäten bekommen und bezahlt nur das, was er wirklich braucht. Ein weiterer Kunde ist Magna Österreich, für die wir ebenfalls SAP aus der Cloud heraus betreiben. Der Ansatz hier ist anders: Hier geht es stärker um den Gewinn an Flexibilität. Um einen Wildwuchs in der IT bei von Magna gekauften Unternehmen zu vermeiden, kann man nun relativ rasch mit standardisierten Services vor Ort agieren. Die Strukturen neuer Geschäftsbereiche sind damit innerhalb von wenigen Wochen integriert. Zuvor dauerte das Monate.
So nebenbei haben wir interessanterweise auch einige Kunden aus dem amerikanischen Raum, die zwar Teile ihrer IT-Services aus US-Rechenzentren heraus betreiben, Daten aber bewusst in Europa lagern. Grund dafür ist der US Patriot Act, der US-Behörden im Bedarfsfall befähigt, auf Daten direkt zuzugreifen. Das wollen viele nicht.
Report: Wie sieht für Sie ein Best-Case-Szenario aus, Herr Köteles, in dem sich eine Auslagerung von Teilen der Unternehmens-IT in die Wolke sofort rechnet?
Manfred Köteles: Ganz selten sind Kosteneinsparungen der Treiber für diese Themen. Einsparungen werden zwar ebenfalls erwartet – in erster Linie geht es aber um das Erzielen von Mehrwert. Mit den neuen Servicemodellen werden Geschäftsprozesse in einer Weise abgebildet, wie sie früher vielleicht gar nicht möglich war. Auch wir sehen die Mobilität der Endbenutzer dazu als großen Treiber. Für die Unternehmen wird die Möglichkeit, die Endgeräte ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren, immer kleiner. Der Zugriff auf das Rechenzentrum wird von verschiedenen Geräten von unterschiedlich sicheren Orten aus erfolgen. Dazu liefert das Rechenzentrum der Zukunft die passenden Antworten und ermöglicht auch den Nutzern diese Zugriffe. Letzteres ist heute in den IT-Infrastrukturen teils gar nicht erlaubt.
Verfügt ein Unternehmen bereits über einen sauber aufbereiteten Servicekatalog und weiß es genau, was es will, so ist dort auch schnell der Mehrwert von Clouddiensten darstellbar. Ein Business-Value wird immer dort entstehen, wo Flexibilität und unternehmerische Kreativität mithilfe von IT-Werkzeugen unterstützt werden können.
Dabei liegt es auch an der Entscheidung jedes Einzelnen, bei allem, was man betrachtet, Probleme zu sehen oder Lösungen. Einen Fokus auf Lösungen zu haben, erscheint mir – wie so oft im Leben – wesentlich produktiver.
Report: Welche Teile der IT, Frau Lehner, und auch Daten sind aus Ihrer Sicht auch rechtlich eher auslagerbar?
Sabine Lehner: Das Thema zeigt zunächst, dass vor allem einmal die Klassifizierung von Daten dazu wichtig ist, oft aber noch stiefmütterlich behandelt wird. Welche Daten nun in die Wolke auslagerbar sind, hängt davon ab, wie geschäftskritisch Prozesse und Informationen bewertet werden. Doch erfüllen die Angebote, die es in der Cloud gibt, Anforderungen gerade bei kritischen Daten wie personenbezogene Informationen noch nicht hundertprozentig. Hier wäre es praktisch, endlich verbindliche Standards zu haben. Ich hoffe, dass nun ein Regelwerk das Vertragswirrwarr, das oft rund um solche Servicedeals herrscht, etwas mindern wird.
Report: Was halten Sie persönlich von Lösungen, die eine Österreich-Cloud oder eine europäische Cloud versprechen?
Árpád Geréd: Einen reinen österreichischen Anbieter, der wirklich alles das bietet, was wir von internationalen Providern mit technisch höchsten Standards verlangen – den kenne ich nicht. Hierzulande gibt es schon mit dem Fehlen von unterschiedlichen Stromversorgern an den Standorten eine Lücke, die nicht geschlossen werden kann. Wenn sich dann ein Rechenzentrum nicht exakt an einer Landesgrenze befindet, um den Zugang zu einem zweiten, unabhängigen Stromnetz zu bekommen, werden hier eben nur maximal vier erreichbare Sterne vergeben – statt fünf, die international möglich sind. Sinnvoller ist da die Betrachtung etwas größerer Regionen von vielleicht Österreich, Schweiz und Deutschland. Denn auf einen Provider zu setzen, der Rechenzentren auch in größeren Distanzen zueinander betreibt, erhöht die technische Sicherheit. Prinzipiell geht es aber auch einfach um Vertrauen. So darf ich ja persönlich darauf vertrauen, dass mir Wien Strom nicht willkürlich den Strom in meinem Büro abdreht. Schließlich habe ich ja einen Vertrag mit meinem Infrastrukturdienstleister. Warum sollte das bei einem IT-Dienstleister, egal welcher Herkunft, anders sein?
Report: Wo punktet rechtlich gesehen eine heimische Wolke gegenüber einem Cloudservice aus den USA?
Árpád Geréd: Was den Zugriff von Behörden auf Daten von IT-Dienstleistungsunternehmen betrifft, unterschätzen viele das Abfrageverhalten der europäischen Verwaltungen. Diese stehen laut Abfragestatistiken wie etwa dem »Google Transparency Report« den US-Behörden um nichts nach. Die österreichischen Behörden halten die Zahl ihrer Requests an Google sogar unter Verschluss. Europäische Clouds haben dennoch den Marktvorteil der europäischen Datenschutzpolitik. Die Wirtschaft verfügt hier im Gegensatz zu anderen Regionen nicht nur über entsprechende Standards, sondern kennt sie auch und lebt sie.
Semih Caliskan, Colt: Ich denke, die Zukunft gehört jenen Anbietern, die gesamtheitlich auch für die Verbindungen all dieser Dienste und Rechenzentren zu den Kunden sorgen können. Der beste Cloudservice ist ja nur so gut wie die Datenleitung, die seine Übertragung ermöglicht. Die Cloud muss schließlich funktionieren. Deswegen entwickeln sich viele der traditionellen Telekommunikationsanbieter ebenfalls in Richtung Cloudanbieter.
>> Die Begriffe:
- Cloud-Computing ist ein Modell, das on-demand und online den Zugriff auf einen gemeinsamen Pool konfigurierbarer Computing-Ressourcen wie Netzwerke, Server, Speichersysteme, Anwendungen und Dienste ermöglicht. Diese können passgenau, schnell, kostengünstig und mit minimalem Verwaltungsaufwand bereitgestellt und abgerufen werden.
Cloud-Betriebsmodelle
- Private Cloud. IT-Dienstleistungen werden von einem Cloud-Anbieter bereitgestellt und können von jedem Berechtigten über das Internet genutzt werden.
- Public Cloud. IT-Dienstleistungen werden aus den eigenen Rechenzentren bezogen. Alle Dienste und die Infrastruktur unterstehen einer Institution. Die Cloud kann durchaus von Dritten betrieben werden. Auf die Dienste wird entweder über das Intranet oder über VPN (Virtual Private Network) zugegriffen.
- Hybrid Cloud ist eine Mischform bestehend aus einer Public Cloud und einer Private Cloud.
Serviceebenen
Innerhalb der Betriebsmodelle werden von den Cloudanbietern im Regelfall drei Serviceebenen angeboten. Diese Ebenen sind IaaS (Infrastructure-as-a-Service), PaaS (Platform-as-a-Service) und SaaS (Software-as-a-Service) und bauen aufeinander auf, wobei IaaS die Basis für die anderen Ebenen darstellt. In ihrem Angebot spezialisieren sich Anbieter aber oft auf eine der Ebenen. IaaS ist die Bereitstellung von Rechen- und Speicherkapazitäten als Service. PaaS ist die Bereitstellung von Middleware als Service, beispielsweise Entwicklungsumgebungen. SaaS ist die Bereitstellung von Applikationen.
Quellen: National Institute of Standards and Technology, EuroCloud Austria