»Das ist nicht nur Gefühlsduselei«
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(+) plus: Warum ist ein professioneller Umgang mit Trennungen so schwierig?
Astrid Ewald: Es ist grundsätzlich ein aversives Thema. Alle Menschen haben irgendwann Trennungen erlebt, das ist nicht angenehm. Deshalb schaut man lieber weg. Wer eine Trennung durchführt, wird zum Täter und keiner ist gerne Täter. Ich habe früher explizit Workshops zu diesem Thema angeboten, aber das funktioniert nicht. Die Unternehmen haben Angst, sich darauf einzulassen. Jetzt binde ich den Punkt »Den Abschied gestalten« in Führungskräftetrainings ein.
(+) plus: Welche Fehler werden in Trennungsprozessen häufig gemacht?
Ewald: Weil sie mit der Rolle und dem Thema nicht zurechtkommen, werden manche Führungskräfte kalt und hart. Sie ziehen es korrekt durch, aber ohne jede Menschlichkeit. Da zerbricht dann vieles. Für die Kultur des Unternehmens nach außen wie auch nach innen ist das ganz schlecht. Häufig resultieren aus solchen missglückten Prozessen Gerichtsverfahren, weil die Betroffenen aus dieser Verletzung heraus mit Rachegefühlen reagieren.
Die andere Seite sehe ich oft in Unternehmen mit familiärer Kultur, in denen es breitere Kündigungsmaßnahmen noch nie gab. Da wurde bisher nur bei schweren Dienstverfehlungen gekündigt. Wird dann ein breiter Abbauprozess notwendig, ist das ein Kulturschock. Niemand hat brauchbare Strategien, wie man damit umgehen kann. Im Unterschied zur Verhärtung machen die Verantwortlichen vor lauter Mitleid Versprechungen, die sie nicht halten können. Daraus entsteht ein Rattenschwanz an Unklarheiten, Gesprächen und Verhandlungen, die für niemand befriedigend sind, viel Zeit kosten und letztlich auch der Integrität der Führungskraft nur schaden. Sehr harmonieorientierte Vorgesetzte trauen sich auch in »normalen« Zeiten nicht, jemanden zu kritisieren. Eine Führungskraft, die schon vorher gut führt, Mitarbeiter nicht ewig mitschleift und Gespräche gut dokumentiert, tut sich leichter im Kündigungsprozess.
(+) plus: Wie sollte ein Trennungsprozess idealerweise ablaufen?
Ewald: Trennen ist keine gute Sache, aber es kann gut durchgeführt sein. Trennen verursacht Schmerzen. Aber die Frage ist, wie viele Schmerzen füge ich zu und auf welcher Ebene? Ich kann trennen, ohne die Leute in ihrem Selbstwert zu verletzen. Ich kann zum Beispiel sagen: Es tut mir leid, ich respektiere dich als Mensch – trotzdem musste ich diese Entscheidung treffen.
(+) plus: Wie bereiten Sie Führungskräfte darauf vor?
Ewald: Ich ermögliche ihnen, sich mit ihren Gefühlen auseinanderzusetzen. Trennungsphasen sind auch für Führungskräfte belastend. Sie wollen die Helden sein und das möglichst ohne Hilfe schaffen, dann bekommen sie auf einmal Herz-Kreislauf-Probleme. Im Workshop müssen sich die Manager auch in die Lage der Betroffenen versetzen. Wenn jemand mit Aggressionen reagiert, ist das absolut verständlich. Aber man darf sich als Führungskraft nicht persönlich angegriffen fühlen. Manche unterliegen auch der Versuchung, Trost zuzusprechen. Für die Betroffenen ist das ein Witz, die fühlen sich in ihrer Verzweiflung nicht ernst genommen. Oder die Führungskräfte fangen selbst zu jammern an, wie schlecht es ihnen dabei geht. Es gilt einen Mittelweg zwischen Mitgefühl und Mitleid zu finden.
Ohne Vorbereitung passieren die abenteuerlichsten Dinge. Man redet sich in eine Spirale hinein. Das Gespräch beginnt zum Beispiel mit »Wir müssen über ihre berufliche Weiterentwicklung reden«, obwohl es eigentlich um eine Kündigung geht – und die betroffene Person glaubt, ihr steht ein Karriereschritt bevor. Es muss verständlich ausgedrückt werden. Ein klarer Schnitt ist für beide Seiten besser zu verarbeiten.
(+) plus: Viele Führungskräfte scheuen das persönliche Gespräch. Ist das Delegieren nach außen eine Lösung?
Ewald: Es gibt natürlich Unternehmen, die das übernehmen. Aber wenn wir von Trennungskultur sprechen, finde ich das nicht akzeptabel. Wenn es um die Trennungsbotschaft geht, hat der unmittelbare Vorgesetzte dazusitzen und der Mitarbeiter und sonst niemand. Zur Klärung der Konditionen etc. ist dann normalerweise jemand vom Personalmanagement oder der Betriebsrat dabei. Aber die Person, die die Entscheidung getroffen hat, muss auch die Verantwortung übernehmen. Wenn ich jahrelang für jemanden arbeite und der ist nicht imstande, mir ins Gesicht zu schauen, dann ist das ein Armutszeugnis.
(+) plus: Kann Geld die Trennung erleichtern?
Ewald: Manchmal bekommen die Mitarbeiter Geld oder Unterstützung bei der Arbeitssuche angeboten, aber wählen dann das Geld. Dann stehen der Audi oder die Ewe-Küche als Belohnung im Vordergrund, auch wenn sich die Arbeitssuche für viele dann nicht so leicht gestaltet.
Was auch interessant ist: Im Coaching erzählen viele, dass sie bis zur Kündigung nie irgendeine Kritik gehört hatten. Wenn jemand nicht mehr die Leistung bringt oder nicht ins Team passt, sollte das frühzeitig und ohne Umschweife angesprochen werden. Das verabsäumen viele Führungskräfte. Zum Teil werden sie auch in Trainings »verbildet«. Sie lernen zwar, wertschätzend und nett zu kommunizieren, aber zur Professionalität gehört auch eine gewisse Nüchternheit. Man muss den Mitarbeitern die Wahrheit sagen, das ist ebenso eine Frage des Respekts. Alles, was in einem Unternehmen über eine Person geredet wird, sollte auch mit ihr geredet werden.
(+) plus: Warum zahlt sich eine positive Trennungskultur für Unternehmen aus?
Ewald: Das ist nicht nur Gefühlsduselei. Schlechte Trennungen verursachen einen Imageschaden in der Öffentlichkeit, Prozesskosten und eine Lähmung im Unternehmen selbst. Es gibt unter den verbliebenen Mitarbeitern wenig Glauben an die Zukunft. Einmal zerstörtes Vertrauen braucht lange, bis es wieder aufgebaut wird. Das darf man nicht unterschätzen. Die Produktivität sinkt. Das merkt man auch an Fehlzeiten und Krankenständen. Die Leistungsträger sind die Ersten, die gehen.n
Astrid Ewald ist Geschäftsführerin der leadership.consulting und hat sich als Coach und Beraterin im Bereich Unternehmensentwicklung auf den Schwerpunkt Übergänge spezialisiert.