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»Gebot der Stunde«

\"Hans-WernerHans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister Bau, spricht über die aktuell schwierige Situation der heimischen Bauwirtschaft und präsentiert Ideen, um den Wohnbau wieder anzukurbeln und Privatkapital zu mobilisieren. Eine bedarfsorientierte Zweckbindung der Wohnbauförderung sieht Frömmel als Gebot der Stunde.

(+) plus: Der Report Verlag feiert seinen 15. Geburtstag. In der Medienwelt hat sich in dieser Zeit einiges getan. Was hat sich aus Ihrer Sicht in der Bauwirtschaft in den letzten eineinhalb Jahrzehnten verändert?

Hans-Werner Frömmel: Es hat sich sehr viel verändert. Sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeiter mussten deutlich flexibler und mobiler werden. Die Zeiten, in denen der Nahbereich eines Unternehmens ausreichend Betätigungsmöglichkeiten bot, sind endgültig vorbei. Heute muss man sich zur Arbeit hinbewegen. Auch in der Planung und Auftragsabwicklung hat sich einiges getan, dazu ist die Materialvielfalt heute eine ganz andere als noch vor 15 Jahren. Die Anforderungen, die heute hinsichtlich Energie und Umwelt gestellt werden, waren vor 15 Jahren noch undenkbar. Zudem waren unsere Unternehmen mit dem EU-Beitritt einer neuen Konkurrenzsituation ausgesetzt, die es vorher nicht gab. Und schließlich sind in den letzten drei Jahren krisenbedingt auch noch deutliche Erschwernisse im Finanzierungsbereich aufgetreten.

(+) plus: Der Baubranche wird oftmals eine gewisse Trägheit vorgeworfen. Wie haben die Unternehmen auf diese neuen Heraus­forderungen reagiert?

Frömmel: Hinsichtlich der Krise der letzten drei Jahre haben die Unternehmen sehr rasch reagieren müssen. Das ist in den meisten Fällen auch sehr gut gelungen. Die Unternehmen haben sich intern effektiver aufgestellt und konnten so trotz eines enor­men Preisverfalls weiter am Markt reüssieren. Etwas zögerlicher war die Reaktion bei den Themen Energie und Umwelt. Aber auch hier haben wir speziell in den letzten Jahren das Tempo angezogen und mit einem neuen Aus- und Weiterbildungsangebot gut auf die aktuellen Entwicklungen reagiert. 

(+) plus: Die Konkurrenzsituation aus der EU hat sich mit 1. Mai noch einmal verschärft. Wie geht die heimische Bauwirtschaft mit der neuen Situation um?

Frömmel: Die Auswirkungen der Arbeitsmarktöffnung sind heute noch nicht absehbar. Fakt ist: Es wird sicher nicht leichter für unsere Unternehmen. Der 1. Mai wird den Pfusch nicht reduzieren, eher das Gegenteil ist anzunehmen. Teilweise wird bisher illegale Erwerbstätigkeit sogar legalisiert. Das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungs-Gesetz ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Man muss jetzt beobachten, ob die Regelungen ausreichen. Wenn nicht, muss adaptiert werden.

(+) plus:
Wo soll Ihrer Ansicht nach der Hebel angesetzt werden?

Frömmel: Wir haben einige Maßnahmen fertig ausgearbeitet in der Schublade, etwa einen bundesweiten Baustellenkataster. Damit würden die kontrollierenden Behörden immer genau wissen, wo und wann gebaut wird. Auch die verpflichtende Installierung eines Bauführers mit uneingeschränkter Baumeisterberechtigung in allen Bundesländern wäre ein wichtiger Schritt, ebenso die Einführung einer Bankgarantie zur Sicherung der Abgabenabfuhr. Auch eine verpflichtende Bauhaftpflichtversicherung ist denkbar.

(+) plus: Die Krise hat die Bauwirtschaft mit Verspätung, dafür umso härter getroffen. In der Gesamtwirtschaft ist die Erholung bereits wieder spürbar. Wie geht es dem Bau?

Frömmel: Die Situation ist nicht erfreulich. Der Bau ist ein »Nachläufer«. Uns hat die Krise am Anfang nicht so hart getroffen wie andere Branchen, da wir noch Aufträge abzuarbeiten hatten. Dafür ist die Krise jetzt voll angekommen. Alleine in den Monaten Jänner und Februar ist die Bauproduktion gegenüber dem Vorjahr um 8,6 Prozent eingebrochen. Die Konjunkturpakete sind ausgelaufen und die öffentliche Hand ist mit ihren Investitionen sehr zurückhaltend.

(+) plus: Wie lautet Ihre Prognose für die nächsten Jahre?

Frömmel: Die Jahre 2011 bis 2013 werden hart. Gemeinden und Länder haben kein Geld. Die Folge sind Sparpakete, wie sie etwa die Steiermark unlängst geschnürt hat. Dazu kommt, dass bundesweit alleine im Infrastrukturbereich 5,8 Milliarden Euro eingespart werden. Vereinzelte Gegenmaßnahmen wie die Neuauflage des Sanierungsschecks sind zwar gut und richtig, aber leider nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

(+) plus: Können private Investoren die fehlenden öffentlichen Gelder von Bund, Ländern und Gemeinden kompensieren?

Frömmel: Die Politik geht langsam auf unsere Ideen ein, um private Investitionen zu erleichtern. Wir fordern schon lange fiskalische Anreize, um Privatkapital zu mobilisieren. Auch ein Bauhandwerkerbonus wäre sinnvoll. Damit konnte in Deutschland die Schwarzarbeit um fast acht Milliarden Euro reduziert werden. Außerdem müsste die seniorengerechte Adaptierungen von Bestandswohnungen gefördert werden. Da gibt es ein enormes Potenzial und eine große Investitionsbereitschaft.

(+) plus: Wie steht die Politik zur Forderung nach einem Sanierungsscheck für seniorengerechte Wohnungen?

Frömmel: Die Politik hat dafür ein offenes Ohr. Konkrete Schritte zur Umsetzung gibt es aber leider noch keine. Wir werden aber nicht aufhören, die Werbetrommel für diese gesellschaftspolitisch so wichtige Maßnahme zu rühren.

(+) plus:
Der Wohnungsneubau ist trotz steigender Nachfrage rückläufig. Wo muss der Hebel angesetzt werden, um den Wohnbau anzukurbeln?

Frömmel: Der Wohnbau bereitet Anlass zur Sorge. Die Neubaubewilligungen sind gegenüber dem langjährigen Schnitt von rd. 47.000 Einheiten drastisch zurückgegangen. Für 2011 wird ein weiterer Rückgang auf 37.400 prognostiziert. Der Bedarf liegt aber bei 50.000 Einheiten!

Diese Entwicklung muss umgekehrt werden. Dafür ist eine bedarfsorientierte Zweckbindung der Wohnbauförderung ein Gebot der Stunde. Ich appelliere deshalb an die Länder, Förderungen von der Vorlage von Dienstleistungsrechnungen abhängig zu machen, um ein Abfließen in die Schattenwirtschaft zu verhindern.

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