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Zeit zu handeln

Die letzten Jahre waren geprägt von einer unerwartet langen, europaweiten Konjunkturschwäche. Davon war natürlich auch österreich betroffen. Allerdings in geringerem Ausmaß als andere EU-Länder. Die Wirtschaft ist im letzten Jahrzehnt real um etwas mehr als zwei Prozent gewachsen und liegt damit geringfügig über dem Schnitt der Eurozone. Auch die Arbeitsproduktivität liegt leicht über dem Eurozonenschnitt. Gemessen am BIP pro Kopf liegt österreich hinter Luxemburg und Irland an dritter Stelle. Weiterhin Besorgnis erregend entwickelt sich die Arbeitslosenquote. Die Arbeitslosigkeit stieg wie in den drei vorausgegangen Jahren an und erreichte 2005 laut Statistik Austria 5,2 Prozent.
Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung geht in seinen Prognosen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in österreich kurz- und mittelfristig stärker als in Deutschland und Italien sein wird, aber schwächer als in den neuen EU-Mitgliedsländern und auch schwächer als in den skandinavischen Ländern.
Trotz der nicht unbedingt idealen Rahmenbedingungen beharrt die Europäische Kommission auf ihren ehrgeizigen Zielen: \"Wir wollen die besten Universitäten, hoch qualifizierte Arbeitskräfte, leistungsfähige soziale Sicherungssysteme, die wettbewerbsfähigste Wirtschaft und die sauberste Umwelt“, sagt Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Für ihn ist es an der Zeit zu handeln, für die Mitgliedsstaaten gehe es jetzt darum, die nationalen Reformprogramme umzusetzen.

Reformprogramm in österreich
Das Nationale Reformprogramm (NRP) österreichs ist wenig überraschend auf Kontinuität ausgerichtet, radikale Politikänderungen und neue mittelfristige Zielvorgaben sind nicht vorgesehen. Das Programm ist eher eine Bestandsaufnahme als eine Präsentation neuer Maßnahmen. Als wichtigste makroökonomische Aufgabe wird die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen gesehen, eine Einschätzung, die auch von der Kommission geteilt wird. Die Strategie zur Erreichung des Ziels umfasst drei Ziele und ist sehr allgemein formuliert: ein ausgeglichener Haushalt im Wirtschaftszyklus, die Absenkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent des BIP bis 2010 und die Steigerung des Wachstums durch Investitionen in die Forschung.
In der mikroökonomischen Politik liegen die Schwerpunkte auf F&E und Innovation, Infrastrukturinvestitionen, internationale Wettbewerbsfähigkeit und Umwelttechnologien, der Wettbewerb im Dienstleistungssektor wird außer Acht gelassen.
In der Beschäftigungspolitik sollen die Finanzmittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik aufgestockt und die öffentlichen Verwaltungen ausgebaut werden. Die zunehmende Jugendarbeitslosigkeit soll durch die Modernisierung und Erweiterung der Lehrlingsausbildung bekämpft werden. Die Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt findet ebenso nur geringe Beachtung wie die Bereitstellung zusätzlicher Kinderbetreuungseinrichtungen, um eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben zu gewährleisten. Durch eine Senkung der gesetzlichen Lohnnebenkosten für ältere Arbeitskräfte soll die im EU-Vergleich sehr niedrige Beschäftigungsquote dieser Personenschicht angehoben werden.

Die Beurteilung durch die Kommission
Die Europäische Kommission bezeichnet das Nationale Reformprogramm österreichs als \"in sich schlüssig und auf kurze Sicht angemessen und realistisch“. Allerdings hätte die Kommission einen ehrgeizigeren und längerfristigen Ansatz begrüßt. Kritik wird auch an der relativen Schwammigkeit der Formulierung laut. So seien etwa die Umsetzungsmaßnahmen nicht detailliert beschrieben. Wörtlich heißt es: \"Mehr Informationen wären erforderlich, um sich ein Urteil darüber zu bilden, ob die finanziellen Verpflichtungen im Nationalen Reformplan“ in Einklang stehen mit dem Gesamtziel, den Haushalt ausgeglichener zu gestalten.
Als Stärken werden die kohärente Strategie zur intensiven Förderung von Innovation und Umwelttechnologie gesehen, die Stärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik und die Absenkung der Lohnnebenkosten. Ebenfalls voll des Lobes ist die Kommission für die Absichtserklärung, die Lehrlingsausbildung für junge Menschen moderner und attraktiver zu gestalten. Starker Kritik sieht sich der Dienstleistungssektor ausgesetzt, der laut Kommission \"gegenwärtig noch stark durch regulatorische Hindernisse eingeschränkt wird“. Auch seien weitere Anstrengungen erforderlich, um die niedrige Beschäftigungsquote der älteren Arbeitskräfte anzuheben und die Investitionen in die berufliche Fortbildung Erwachsener zu erhöhen.
Die Kommission fordert österreich auf, sein Nationales Reformprogramm speziell unter Berücksichtigung der formulierten Kritikpunkte zügig umzusetzen. Gesprächen mit den österreichischen Behörden im Rahmen der neuen Partnerschaft für Wachstum und Beschäftigung im Herbst dieses Jahres blickt sie erwartungsvoll entgegen. Das klingt beinahe wie eine Drohung.

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