Menu
A+ A A-

Im Spannungsdreieck

\"''Investitionssicherheit... der Energieversorgung.

Wien-Energie-Geschäftsführerin Susanna Zapreva im Report-Interview

über die Wende am Energiesektor, das Wiener Modell und europäische Entwicklungen.

(+) plus: Was waren aus Ihrer persönlichen Sicht die spannendsten Projekte und Entwicklungen in der Energiewirtschaft im vergangenen Jahr in Österreich? Was wird sich in Wien 2012 am Energiesektor tun?

Susanna Zapreva: Das Energiejahr 2011 war sicher durch den folgenschweren Unfall in Fukushima geprägt. Der beschlossene Ausstieg von Deutschland und der Schweiz aus der Atomkraft beschleunigte die Entwicklung zur Energieversorgung aus erneuerbaren Energieträgern. Wir haben in diesem Zusammenhang das Wiener Modell von Wien Energie mit dem Kauf von Anteilen an den Innkraftwerken noch weiter ausgebaut. Somit können wir bereits rund 400.000 Wiener Haushalte mit Ökostrom versorgen.

Den Ausbau erneuerbarer Energieträger werden wir auch im Jahr 2012 fortsetzen. Bis 2030 planen wir, dass wir zu 50 % Ökoenergie erzeugen.

(+) plus: Der wohl größte Hebel, den ständig wachsenden Energiebedarf in Europa in den Griff zu bekommen, ist Energieeffizienz. Welche Unterstützung und konkrete Maßnahmen zu Förderung dieses Bereiches wünschen Sie sich von der Politik? Welche Einsparungspotenziale gäbe es in Wien?

Zapreva: Herausforderung vor dem Hintergrund der Entwicklungen am Energiemarkt ist, im Spannungsdreieck von leistbarer und sozial ausgewogener, sicherer sowie umweltschonender Energieversorgung die richtigen Maßnahmen rechtzeitig zu treffen.
Wesentlich wird sein, dass beim Einsatz finanzieller Mittel auch ein Maximum an Klimaschutz und Energieeffizienz erreicht wird. Das Potenzial ist beim Endkunden noch sehr groß, insbesondere bei der Wärmedämmung, aber auch beim Einsatz energiesparender Geräte. Wichtig ist vor allem, dass wir die effizientesten Energieformen wie Strom verwenden statt zum Beispiel Öl.

Unter Voraussetzung verschiedener Rahmenbedingungen müssen wir den Energieerzeugungsmix breit anlegen und alle technologischen Möglichkeiten ausschöpfen. Hier bei uns in Wien setzen wir vor allem auf Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärmeversorgung, um ein Höchstmaß an Effizienz und Klimaverträglichkeit zu erreichen. Wir setzen zudem auf neue Lösungen wie Geothermie für die Wärmeversorgung.

Der konsequente Ausbau von erneuerbarer Energie ist essentiell und wir müssen dafür sorgen, dass in der Produktion, Übertragung und Verwendung von Energie eine deutliche Steigerung der Effizienz erreicht wird. Denn jede nicht verbrauchte Kilowattstunde ist die günstigste und umweltfreundlichste.

Investitionssicherheit und rasche Genehmigungsverfahren sind die Voraussetzung für eine positive Entwicklung und Basis einer sicheren Energieversorgung, hier wünschen wir uns nicht nur ein Signal aus der Politik, sondern ein Commitment.

(+) plus: Eine derzeit breit diskutierte Stoßrichtung in der Energiewende ist eine Veränderung des Fahrzeugmixes auf den Straßen mittels Elektromobilität. Welche Rolle sehen Sie für einen Infrastrukturdienstleister und Energieversorger wie Wien Energie?

Zapreva: Im Rahmen des »e-mobility on demand«-Programms der Wiener Stadtwerke leisten wir einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der Infrastruktur für Elektromobilität im Großraum Wien. Im Frühjahr 2011 wurde beispielsweise mit der Supersteckdose ein modernes und benutzerfreundliches Konzept für alle Stromtankstellen im öffentlichen Raum vorgestellt. Wien Energie setzt seit Jahren generell auf alternative Antriebsenergie. Wir haben in der Wien Energie-Gruppe mit rund 450 Fahrzeugen die größte Erdgasflotte Österreichs. Damit sparen wir zirka 250 Tonnen Kohlendioxid und knapp 500.000 Euro an Kraftstoffkosten pro Jahr ein.

(+) plus: Sollte die russische Erdgaspipeline South Stream entgegen ursprünglicher Vereinbarungen der OMV mit Gaz­prom nicht über den niederösterreichischen Knoten Baumgarten, sondern über Italien geführt werden, wie kolportiert wird – hätte dies Auswirkungen auf den künftigen Einkaufspreis für Wien Energie?

Zapreva: Im Dezember 2011 berichteten russische Medien, dass Gazprom die Route im Westen nicht zum existierenden Verteiler nach Baumgarten und auch nicht nach Süditalien, sondern nur nach Norditalien führen wird, da Österreich mit der OMV die konkurrierende Nabucco-Pipeline betreibt. Russland hat eine 50-Prozent-Beteiligung an der OMV-dominierten Gasbörse CEGH gefordert, die Einfluss auf Nabucco geschaffen hätte, was von der EU-Kommission durch gestellte Bedingungen verhindert worden ist. South Stream soll die Lieferrouten des russischen Erdgases nach Europa diversifizieren und die Abhängigkeit von den Transitstaaten Ukraine und Weißrussland reduzieren. South Stream gilt als ein Konkurrenzprojekt für die geplante Nabucco-Pipeline, die – vom kaspischen Raum her kommend – russisches Territorium umgehen soll.

Beide Projekte zeigen, dass für die europäische und auch österreichische Erdgasversorgung eine möglichst hohe Diversifizierung wesentlich ist. Rund 15 % des in Österreich benötigt Erdgases werden im Inland gewonnen. Der restliche Bezug ist möglichst gut zu streuen, sowohl hinsichtlich Herkunft als auch hinsichtlich Transport. Konkrete Auswirkungen der kolportierten Pipeline-Projektverläufe auf die Erdgasbeschaffung von Wien Energie sind nach derzeitigem Stand aber nicht zu erwarten.

 

>> Zur Person:

Susanna Zapreva, geb. 1973, verantwortet seit April 2010 die Bereiche Energieerzeugung, Energiewirtschaft und Handel, Erneuerbare Energien und Beteiligungsmanagement, Telekom sowie Personal, Organisation und Recht bei Wien Energie. Sie absolvierte das Elektrotechnikstudium und promovierte an der TU Wien. Nach dem Studium arbeitete sie als Beraterin in der Energiebranche, startete 2001 ihre Karriere bei Wien Energie-Wienstrom und ist Mutter eines Sohnes.

>> Das Unternehmen:

Wien Energie ist der größte Energiedienstleister Österreichs. Das Unternehmen versorgt mehr als zwei Millionen Menschen, rund 230.000 Gewerbeanlagen, industrielle Anlagen und öffentliche Gebäude sowie rund 4.500 landwirtschaftliche Betriebe in Wien, NÖ und Burgenland mit Strom, Gas und Wärme.

 

back to top