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»Ich will nicht in die Fußstapfen anderer treten, das geht selten gut«

»Ich will nicht in die Fußstapfen anderer treten, das geht selten gut«

Zwölf Jahre lang war Hans-Werner Frömmel Bundesinnungsmeister Bau. Aus Altersgründen war eine neuerliche Kandidatur nicht möglich. Im Interview mit Report(+)PLUS spricht sein Nachfolger Robert Jägersberger über die aktuelle Lage der Branche, die Schwerpunkte und Herausforderungen seiner Amtszeit und erklärt, wie und wo man seine Handschrift erkennen wird.

(+) plus: Die Bauwirtschaft ist bislang verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen. Worauf führen Sie das zurück und was muss passieren, damit das auch so bleibt?

Robert Jägersberger: Wir sind tatsächlich mit dem berühmten blauen Auge durch die Krise gekommen. Wir rechnen mit einem Umsatz- und Ergebnisrückgang im einstelligen Prozentbereich. Von März bis nach Ostern ist die Bauproduktion schon deutlich zurückgegangen.

Wir haben aber vehement gegen die Schließungen der Baustellen gekämpft und dann auch gemeinsam mit dem Sozialpartner ein Maßnahmenpaket für sicheres Arbeiten auf der Baustelle entwickelt, das uns gut durch die Krise gebracht hat. Das war enorm wichtig, denn der Bau ist hinsichtlich Beschäftigung und Produktivität eine wichtige Stütze der Wirtschaft. Im August hatten wir sogar wieder mehr Menschen in Beschäftigung als im Jahr davor.

(+) plus: Wie wird 2021 aus Ihrer Sicht laufen?

Jägersberger: Wenn man den Wirtschaftsforschern Glauben schenken darf, kann man mit einem Wachstum von 2 bis 2,5 Prozent rechnen. Aber es gibt eine enorme Unsicherheit im Markt. Unser Vorteil ist, dass der Bau aufgrund der langen Vorlaufzeiten antizyklisch ist. Vom Beschluss, ein Projekt zu starten, bis zum tatsächlichen Baubeginn vergeht mit Planung, Finanzierung und Bewilligung viel Zeit. Damit trifft uns der Abschwung wenn, dann zeitversetzt.

(+) plus: Ab wann rechnen Sie mit stärkeren Rückgängen?

Jägersberger: Wenn wir es schaffen, dass die Nachfrage stabil bleibt, dann muss es nicht unbedingt zu stärkeren Rückgängen kommen. Dafür muss aber die Wirtschaft und die Beschäftigungssituation halbwegs stabil bleiben, damit Investitionen getä­tigt werden. Wenn in Zukunft weitere Lockdowns verhindert werden können, dann bin ich durchaus optimistisch, dass die Nachfrage stabil bleibt.

(+) plus: Welchen Beitrag können die Bundesinnung und Sie als Bundesinnungsmeister leisten, um die Branche gut durch die Krise zu bringen?

Jägersberger: Vor allem geht es darum, den großen volkswirtschaftlichen Nutzen der Bauwirtschaft darzustellen. Wir wollen, dass umsetzungsreife Bauprojekte aus der Schublade geholt und realisiert werden und Anreize für Investitionen geschaffen werden. Deshalb haben wir auch schon im Frühjahr 2020 eine Investitionsprämie gefordert.  Solche Maßnahmen helfen den Betrieben. Kontraproduktiv sind dagegen Maßnahmen wie die NoVA-Erhöhung, denn diese bringt der Umwelt wenig und ist eine deutliche Zusatzbelastung für die Wirtschaft.

(+) plus: Wo sehen Sie abseits vom aktiven Krisenmanagement Ihre Hauptaufgaben für Ihre erste Funktionsperiode?

Jägersberger: Es geht darum, die Rahmenbedingungen für unsere Branche zu verbessern. Das reicht von der Abrechnung der Kurzarbeit über eine Senkung der Lohnnebenkosten bis zum Thema der überbordenden Standards, die echte Kostentreiber am Bau sind. Da müssen wir wieder auf ein praxistaugliches Maß kommen.

(+) plus: In den letzten Jahren wurde viel über Versäumnisse der Branche in Sachen Produktivität und Digitalisierung sowie den weit verbreiteten Facharbeitermangel gesprochen. Werden diese Themen die zentralen Herausforderung für die Unternehmen bleiben oder gibt es Verschiebungen durch die Coronakrise?

Jägersberger: Aktuell steht sicher die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, aber die Branche kann und will sich der Zukunft nicht verschließen. Deshalb haben wir in Sachen Digitalisierung viel Aufklärungsarbeit betrieben, Informationskampagnen gestartet und Workshops durchgeführt. Das beginnt schon bei der Ausbildung, wo wir mit E-Baulehre stark auf das Thema Digitalisierung setzen, um die jungen Menschen auch dort abzuholen, wo sie im Alltag sind. 

Aber natürlich wird aus Sicht der ausführenden Firmen der Schwerpunkt auch in Zukunft auf der qualitativ hochwertigen handwerklichen Leistung liegen. Aber von der Planung über die Verwaltung bis hin zur Organisation ist die Digitalisierung auch in unserer Branche längst angekommen. 

Der Facharbeitermangel zählt ohne Zweifel zu den großen Herausforderungen. Das liegt nicht daran, dass wir zu wenig ausbilden. Im Gegenteil, wir investieren einen sehr namhaften Betrag in die Ausbildung, fördern Lehrbetriebe mit der Lehrlingsprämie oder verbessern unsere Ausbildungsstätten.

(+) plus: Warum fehlen dennoch die Facharbeiter?

Jägersberger: Das Problem ist, dass die Lehre zwar leichte Steigerungen verzeichnet, aber dennoch der Trend zur höheren schulischen Ausbildung und Studium ungebrochen ist. Bildung ist wichtig, aber die Frage ist, ob wirklich jeder an einer Uni oder FH gut aufgehoben ist. Ich bin überzeugt, dass viele mit einer Lehre nicht nur glücklicher wären, sondern auf den Lebensverdienst bezogen auch finanziell besser dastehen würden. Dafür muss sich aber das Image der Lehre ändern.

(+) plus: In keiner anderen Branche wird die Sozialpartnerschaft so partnerschaftlich gelebt wie in der Bauwirtschaft. Daran gibt es von Mitgliedern beider Seiten mitunter auch Kritik, es wird auch ein härteres Vorgehen gefordert. Wie werden Sie es als Innungsmeister mit der Sozialpartnerschaft halten? 

Jägersberger: Was ich auf jeden Fall von meinem Vorgänger lernen kann, ist die Kompromissbereitschaft. Jeder kämpft für seine Klientel und will das Beste herausholen. Aber auch wir wissen, dass wir gute und zufriedene Mitarbeiter brauchen, die auch eine entsprechende soziale Absicherung und Entlohnung brauchen. Aber das müssen die Unternehmen am Markt verdienen.

Oft gibt der Preis am Markt aber nicht her, was an Kosten entsteht. Da gilt es den Aufschrei unserer Mitglieder auch weiterzutragen. Manchmal müssen wir auch mit geringeren Deckungsbeiträgen auskommen, deshalb darf man nie die Kosten aus den Augen verlieren. Und die größte Kostenstelle ist nun mal der Personalbereich. Eine Senkung der Lohnnebenkosten wäre enorm wichtig und eine Win-win-Situation für beide Seiten. Das muss unser Anspruch an die Sozialpartnerschaft sein, das ist schwierig genug.

(+) plus: Hans-Werner Frömmel war zwölf Jahre lang Bundesinnungsmeister, Sie in diesem Zeitraum sein Stellvertreter. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben, was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine der letzten zwölf Jahre?

Jägersberger: In dieser Zeit ist sehr viel passiert und es ist uns viel gelungen. Spontan fallen mir die Faire Vergaben-Kampagne oder die Durchsetzung des Bestbieterprinzips ein. Auch die im Zuge der Angleichung von Arbeitern und Angestellten erzielte Sonderlösung für den Bau war ein wichtiger Schritt.
Mit dem Kompetenzzentrum Bauforschung wurde ein Fokus auf Forschung und Innovation gelegt, um u.a. die Vorteile der massiven Bauweise auch wissenschaftlich zu untermauern. Es wurde nicht nur die Lehrlingsprämie erhöht, sondern die gesamte Lehre neu aufgestellt. Es gibt eine vierjährige Kaderlehre für zukünftige Führungskräfte und mit dem Hochbauer, dem Tiefbauer und dem Betonbauer neue Berufsbilder.

(+) plus: Was werden Sie ähnlich wie Ihr Vorgänger anlegen? Wo wird es Unterschiede geben? Wo wird man Ihre Handschrift erkennen?

Jägersberger: Ich halte nichts davon, in die Fußstapfen eines anderen zu treten, denn jeder hat eine eigene Schuhgröße. Das geht selten gut. Es muss jeder seinen eigenen Weg finden. Mein großes Ziel ist es, die KMU zu stärken. Sie sind das Rückgrat. Ich will das Sprachrohr unserer Mitgliedsbetriebe sein, ich will hören, wo der Schuh drückt und dort Lösungen anbieten, wo ich es kann.

Wenn es außerhalb meines Kompetenzbereiches liegt, will ich die Anliegen an die zuständigen Stellen weitertragen. Ich sehe es aber auch als meine Aufgabe, Fehlentwicklungen zu verhindern. Ich denke da etwa an europäische Regelungen. Da gibt es auch im Baubereich Regelungen, die nicht für jedes Land passend sind, nur weil sich das praxisfremde Personen in Brüssel überlegt haben.

(+) plus: Wenn Sie Anfang 2022 zurückblicken: Was muss passiert sein, damit Sie von einem erfolgreichen ersten Jahr als Bundesinnungsmeister sprechen?

Jägersberger: Ganz wichtig wäre es für mich, dass sich die Rahmenbedingungen wieder etwas verbessert haben. Dass wir mit unseren Forderungen in Richtung Investitionsförderungen und schnellere Baubewilligungen bei der Politik Gehör finden und unsere Betriebe ausreichend Aufträge haben. Ein schöner Erfolg wäre es, wieder an die guten Jahre anzuschließen.

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