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Ausbildung in der Krise

Ausbildung in der Krise

Der Facharbeitermangel in der Baubranche war in den letzten Jahren evident. Daran wird auch die Coronakrise vorerst nichts ändern. Allerdings geht die Angst um, dass die Lehrlingsausbildung unter Corona leiden könnte. Eine aktuelle Report-Umfrage gibt Entwarnung. Die Pandemie hat praktisch keine Auswirkungen auf die Ausbildungsstrategie der Unternehmen. Von der Regierung beschlossene Anreizmodelle wie der Lehrlingsbonus allerdings auch nicht.

In den letzten Jahren haben viele Unternehmen aus der Bauwirtschaft händeringend nach Fachkräften gesucht. In vielen Fällen vergeblich. Die Ursache ist unter anderem in der letzten großen Krise vor Corona zu suchen. In Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 sind viele Unternehmen in der Lehrlingsausbildung auf die Bremse gestiegen. Wurden laut Bauarbeiter Urlaubs- und Abfertigungskasse BUAK im Jahr 2008 noch 8269 Lehrlinge ausgebildet, sank die Anzahl der Lehrlinge in den Folgejahren sukzessive und erreichte im Jahr 2016 mit 6015 ihren Tiefststand. Das ist ein Minus von satten 27,3 %.

»In den letzten Jahren des Booms fehlten diese Fachkräfte an allen Ecken und Enden«, sagt Albert Scheiblauer, Bundesjugendsekretär in der Gewerkschaft Bau-Holz. Mit der bevorstehenden Pensionierungswelle werde das Problem eher noch größer und nicht kleiner werden. Auch mehrere aktuelle Studien kommen zu dem Schluss, dass der Facharbeitermangel auch in Zukunft eine der größten Branchenherausforderungen bleiben wird. Zudem hat Corona auch noch gezeigt was es bedeutet, wenn Fachkräfte aus den Nachbarländern nicht über Subfirmen nach Österreich dürfen. Die Arbeitgeber müssen wieder unabhängiger werden. »Nur wer viele Gewerke und Tätigkeiten mit Eigenpersonal abdecken kann wird Vorteile am Markt haben«, ist Scheiblauer überzeugt.

Seit 2017 steigt die Zahl der Lehrlinge zwar wieder an. Eine stichprobenartige Erhebung des Bau & Immobilien Report unter 25 führenden Branchenvertretern zeigt, dass von einer echten Trendwende noch keine Rede sein kann. So ist zwar die Zahl der Mitarbeiter in den letzten vier Jahren deutlich gestiegen, die Zahl der Lehrlinge kann mit dieser Entwicklung aber nicht immer mithalten. Etwas weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen hat heute eine niedrigere Lehrlingsquote als 2015. Etwas weniger können auf eine gestiegene Lehrlingsquote verweisen.

Beim Rest ist die Quote gleich geblieben. Während das Baugewerbe als durchaus ausbildungsfreudig bezeichnet werden kann, und die Bauindustrie in den letzten Jahren deutlich aufgeholt hat, hinkt etwa die Baustoffindus-trie deutlich hinterher. Zudem befürchten viele, dass die aktuelle Coronakrise die Ausbildungslust der Unternehmen wieder deutlich hemmen könnte. Aber zumindest in diesem Punkt kann der Bau & Immobilien Report Entwarnung geben.



Keine Angst vor Corona

Auch wenn es noch dauern wird, um auf das Niveau von 2008 zu kommen, kurzfristig wird Corona an der Ausbildungsstrategie der Unternehmen nichts ändern. Keines der befragten Unternehmen hat angekündigt, im heurigen Herbst weniger Lehrlinge als im Vorjahr bzw. weniger als geplant aufzunehmen. Sollte es doch einen Rückgang geben, dann weil schlicht und einfach die Bewerber fehlen.

»Die Entwicklungen der letzten Monate haben keine Veränderung in unserer Ausbildungsstrategie zur Folge. Vielmehr ist es eine Bestätigung, auf gut ausgebildetes, lokales Personal zu setzen«, sagt etwa Charlotte Leitgeber, Personalchefin bei Lieb Bau. Ganz ähnlich die Aussagen bei Ardex, Baumit, Herbitschek Bau, Knauf, Kirchdorfer oder Leyrer + Graf. Auch beim Holz-Spezialisten Stora Enso hat die aktuelle Pandemie keinerlei Einfluss darauf, wie viele Lehrlinge aufgenommen werden.

»Wir werden genau so viele aufnehmen, wie wir geplant hatten. Denn wir bilden aus, um dem Fachkräftemangel am Markt langfristig entgegenzuwirken und setzen auf eine strategische Personalplanung, um die natürliche Fluktuation und Pensionierungen auszugleichen«, sagt Gerald Hongleitner-Welt, Head of Production Central Europe.

Andere wie Oberndorfer, Binderholz, Porr, Strabag oder Habau wollen trotz Corona sogar mehr Lehrlinge aufnehmen. »Da uns die Ausbildung unserer Lehrlinge ein sehr wichtiges Anliegen ist, werden wir sie weiter ausbauen. So haben wir das Investitionsvorhaben unserer neuen Konzernlehrwerkstatt in Ybbs, die den Schulungsbedarf von 250 Lehrlingen pro Jahr decken soll, wie geplant eingereicht. In Tirol etwa möchten wir die Zahl der Lehrlinge sogar von aktuell ca. 35 auf 50-55 Lehrlinge steigern«, sagt Strabag-Konzernsprecherin Diana Klein.  

Teure Mitnahmeeffekte

Genauso wenig Auswirkungen auf die Lehrlingsausbildung wie die Coronakrise hat übrigens der von der Regierung beschlossene Lehrlingsbonus. Bis zu 3000 Euro sollen Unternehmen für zusätzliche Lehrlinge erhalten. Als Anreiz ist das zu wenig, wie auch Maria Böhm, Personalverantwortliche bei Baumit, feststellt. »Das ist ein schönes Zuckerl für uns Lehrlingsausbildner, ändert aber nichts an unserer Ausbildungspolitik«, sagt auch Martin Ziegerhofer von Herbitschek Bau. Und auch für Binderholz ist der Lehrlingsbonus »ein nicht unangenehmer Nebeneffekt, den man gerne mitnimmt«, Einfluss auf die Anzahl der Lehrlinge hat er aber nicht.

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