Die neuen Vorstände der Energie Steiermark AG Oswin Kois und Olaf Kieser über geplante Maßnahmen, um Ergebniszahlen und Image des Energieversorgers zu verbessern, über geplante Projekte und Preisdiskussionen. Report: Was wird der neue Vorstand neu machen, wo liegen Ihre Schwerpunkte?Kois: Wir mussten feststellen, dass das Jahresergebnis 2009 durch Wirtschafts- und Gaskrise schwer belastet ist. Das Ergebnis wird sich mehr als halbieren, möglicherweise dritteln. Der Umsatz von 1,3 Milliarden wird sich auf 1,1 Milliarden reduzieren. Wir erleben deutliche Einbußen bei den Industriekunden, sowohl im Strom- als auch im Gasbereich, wo die Situation noch wesentlich dramatischer ist. Wir wollen uns daher im Bereich Kunden und bei der Ökologie neu orientieren. Dazu gehört, in mindestens 150 steirischen Gemeinden der Steiermark mit Photovoltaik-Musteranlagen zumindest 1,5 Millionen Kilowattstunden Sonnenstrom zusätzlich ins Netz zu bringen. Report: Glauben Sie, damit die schlechten Ergebnisse egalisieren zu können?Kois: Diese Maßnahme zielt weniger auf das Ergebnis, sondern soll eine Trendwende in der öffentlichen Beurteilung herbeiführen. Die Energie Steiermark ist mit enormen Imageproblemen behaftet, die über Jahre entstanden sind und aus mangelndem Rückhalt bei den Landtagsparteien resultiert. Mit dieser Offensive wollen wir deutlich machen, dass die Energie Steiermark auch die ökologische Neuorientierung der Gesellschaft mitträgt. Report: Die Rückgänge sind auch durch die Gaskrise Anfang des Jahres entstanden. Wie sollen Sie das Vertrauen der Kunden in die Versorgungssicherheit bei Erdgas wieder herstellen?Kieser: Gesamteuropa hat im Moment einen Überschuss an Gas. Das liegt an der Wirtschaftskrise, aber auch an Flüssiggaslieferungen aus dem Nahen Osten. Um die Versorgungssicherheit nachhaltig zu verbessern, investieren wir antizyklisch in Gasspeicher. Wir gehen auch in Richtung Biogas, um unabhängiger von den Importen zu werden. Report: Gas gibt es im Übermaß, gleichzeitig sinkt die Nachfrage. Befürchten Sie vonseiten der Industriekunden mehr Druck auf Preise und Verträge? Kieser: Durch die Krise sind wir gefordert, uns neue Lösungen zu überlegen. Beim Gas werden die »take-or-pay«-Verpflichtungen immer mehr zum Problem. Die Industriekunden reagieren darauf, indem sie sich zu geringeren Mengen verpflichten und den Rest kurzfristig über den Spotmarkt beschaffen. Das ist für uns eine Herausforderung, der wir auch durch verstärkten Gashandel begegnen. Wir werden den Industriekunden Spotmarktlieferungen anbieten. Damit geben wir den Kunden erhöhte Flexibilität in der schwer zu prognostizierenden Produktion.Report: Wird es Änderungen bei der Preisgestaltung geben?Kieser: Unsere Langfristverträge sind fast ausschließlich an den Ölpreis gekoppelt. Zusammen mit den Mengen am Spotmarkt, wo Gas zurzeit sehr günstig ist, gibt es einen Mischpreis, von dem der Kunde profitiert.Kois: Klar ist, dass wir auch beim Strom, wo sich unser Hauptgeschäft abspielt, wettbewerbsfähig sein müssen. Beim Strom liegen wir zumindest im sehr guten österreichischen Mittelfeld. Das wird aber nicht genügen. Wir werden daher für den Kunden einen Zusatznutzen kreieren. Beispielsweise indem wir ihm Überschussenergie, die er aus einer hauseigenen Photovoltaikanlage produziert, um 15 Cent pro Kilowattstunde abkaufen. Darüber hinaus wollen wir im Bereich Wissenschaft und Forschung Akzente setzen. Den Rektoren der Hochschulen haben wir angeboten, eine »E-Cademy« zu finanzieren, die sich mit den Energiefragen unter besonderer Berücksichtigung der erneuerbaren Energie auseinandersetzt. Damit erleichtern wir dem Kunden die Wahl, bei ihrem heimischen Versorger zu bleiben, selbst auf die Gefahr hin, dass sie gegenüber dem Billigstbieter vielleicht 30 Euro im Jahr mehr zahlen müssen. Report: Wie wichtig wird der Sektor Erneuerbare Energien in Ihrem Portfolio?Kois: Er hat Vorrang. Die Energie Steiermark hat sich ja durch die alten Südpolverträge (wodurch 2001 der Kraftwerkspark der Steweag im Abtausch gegen den Vertrieb und Beteiligungen an Austrian Hydro Power und Austrian Thermal Power in den Verbund eingebracht wurde, Anm.) der Möglichkeit der eigenen Erzeugung von Wasserkraft begeben. Im Bereich der erneuerbaren Energien wollen wir über Leuchtturmprojekte in den Bereichen Wind, hocheffiziente Biomasse, Solar und auch Biogas Akzeptanz erzeugen, die zu der notwendigen Kundenbindung führt. Report: Was planen Sie im Gasbereich?Kois: Vieles ist möglich. Der alte Vorstand hatte für Graz ein 400-Megawatt-Gaskraftwerk in Vorbereitung. Wir sind der Ansicht, dass beispielsweise ein redimensioniertes Projekt mit Partnerunternehmen in ein Gesamtenergie-Fernwärmeversorgungskonzept eingebettet sein müsste. Die Evaluierung steht noch aus. Auch eine zweite Fernwärmeleitung von Mellach nach Graz ist möglich. Report: Sie planen einige Wasserkraftprojekte, bei der Gasversorgung starten Sie mit der Südschiene. Welche Ausbaupläne gibt es noch für die Zukunft? Kois: Für unsere fünfjährige Vorstandsperiode sehen wir ein Investitionsvolumen von 600 Millionen Euro vor. Auf die Südschiene entfallen etwa 150 Millionen, auf die Wasserkraftwerke in und um Graz etwa 300 Millionen, die wir aber 50:50 mit dem Verbund finanzieren. Im Bereich der hocheffizienten Biomasse planen wir zumindest eine Anlage.Kieser: Die Idee ist, ein mit Holz betriebenes, CO2-neutrales Biomassekraftwerk mit innovativer Technik so aufzurüsten, dass man Wirkungsgrade von mehr als 80 Prozent samt Auskoppelung für Fernwärme erreichen kann. Das wäre technisch ein Meilenstein.Report: Die 380kV-Stromleitung ist nach langen Diskussionen fertiggestellt worden. Sehen Sie die Kabelverlegung im Hochspannungsbereich als realistische Alternative, um trotz zunehmender Bürgerproteste die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten? Kois: Bei der derzeitigen Kostensituation nicht. Den Energieversorgern ist nicht zumutbar, einen acht- bis zehnfachen Aufwand zu tragen, den dann wieder der Kunde übernehmen muss. Im Niederspannungsbereich ist die Kabelverlegung für uns Standard. Report: Die E-Control kritisiert, dass die Energieversorger die Energiepreissenkungen zu wenig an die Kunden weitergeben. Sie sieht das Einsparungspotenzial nach unten bei rund 10 %. Ist das realistisch? Kieser: Nein. Die Preisbildung im Strombereich, die nicht Aufgabe des Regulators ist, ist komplex, da ist man vom Großhandelsmarkt abhängig. Wichtig ist, ein günstiges Preis-Leistungsverhältnis anbieten zu können. Im Gasbereich haben wir Anfang des Jahres die Preise gesenkt, was sich auch in unserem Ergebnis widerspiegelt. Wenn sich die Ergebnisse dritteln, dann ist der Spielraum für Preissenkungen relativ gering.Report: Der Regulator vermutet auch, dass sich die Versorger mit zu hohen Ökostromzuschlägen die Margen verbessern. Kieser: Dieser Vorwurf ist nicht haltbar. Die Kosten für Ökostrom werden ja schließlich zentral aus einem Topf als zusätzliche Abgabe verteilt. Wenn aber sozial Schwache und energieintensive Kunden von den Ökostromzuschlägen ausgenommen werden, der Topf aber gleich groß bleibt, dann müssen wir den Ökostromanteil bei allen anderen erhöhen. Der Politik muss eines klar sein: Wenn ich einem etwas Gutes tue in diesem System, leiden viele andere. Es würde daher allen gut tun, diese Preisdiskussion zu versachlichen. Kois: In einem Preisvergleich der EU-27 liegt Österreich bei den Industriestromkunden im vordersten Drittel, bei den Endkunden im sehr guten Mittelfeld. Das ist ein überprüfbares Faktum. Österreich ist also kein Energie-Hochpreisland, bei den öffentlichen Abgaben aber schon. __________________________________________________________________________________________________Neuer Vorstand>Oswin Kois (58) und Olaf Kieser (43) sind seit 1. August 2009 Vorstandsdirektoren der Energie Steiermark Holding AG. Kois ist Vorstandssprecher und für Finanzen, Controlling, Personal, Recht, Netze und Kommunikation verantwortlich. Von 2002 bis 2009 war Kois Geschäftsführer der Verbund-Austrian Thermal Power (ATP). Kieser verantwortet die Ressorts Vertrieb, Trading, Risikomanagement, Erzeugung, Contracting, Abfallwirtschaft, Forschung und Entwicklung, Informationstechnologie und Revision. Zuletzt war Kieser Leiter Business Unit Key Account Management der EdF-Tochter EnBW. >Die Energie Steiermark Holding AG ist das viertgrößte Energieunternehmen Österreichs mit den Kerngeschäftsfeldern Strom, Erdgas, Fernwärme und Restmüllverwertung. Mehrheitseigentümer der Energie Steiermark ist das Land Steiermark (Anteil: 75 % minus eine Aktie). Die französische Beteiligungsgesellschaft SIA Societé d'Investissement en Autriche (Eigentümer sind Electricité de France – EdF – und Gaz de France im Verhältnis 4:1) hält 25 % plus eine Aktie.