In der Alpe-Adria-Region werden Produkte von Weltformat erzeugt: Aceto balsamico, Prosciutto, Olivenöl, Käse, Bioweine und vieles mehr. Wir haben die Besten besucht. »Etwas Neues wollt ihr? Etwas Spannendes?« Der Homöopath und der Sportreporter standen Edelgreißler Herwig Ertl in seinem Geschäft in Kötschach-Mauthen erwartungsvoll gegenüber. »Bitte sehr, ein Wein von Damijan Podversic. So etwas habt ihr noch nie getrunken, und gesund ist es auch.« Zwei Tage später kommt eine halbvolle Flasche retour. So einen Stoff könne man nicht trinken! Den ganzen Abend hätten der Arzt und der Sportreporter darüber diskutiert. »Ausgezeichnet.« Herwig Ertl reibt sich die Hände und schickt seine Botschaft zurück: »Endlich habt ihr einmal über Wein gesprochen und nicht gedankenlos getrunken.« Damijan Podversic lässt keinen kalt. »Die Menschen haben keinen gebildeten Gaumen. Die Globalisierung der Lebensmittel hat großen Schaden angerichtet«, sagt Damijan, klettert in seinem Keller in der Nähe von Gorizia auf monumentalen Fässern umher und rührt im Wein. Zwei- bis dreimal täglich muss die Maische mit den Traubenschalen bewegt werden. Ein anstrengender Job, die Pranke, die der Riesenkerl zum Gruß entgegenstreckt, ist Arbeit gewohnt. Den Erntebeginn bestimmt er durch Verkostung von Trauben und Kernen, auch die Mondphase muss stimmen. Der Wein reift schließlich zwei bis vier Jahre in großen Eichenfässern. Schwefel wird nur sparsamst verwendet, chemische Hefen, Zucker und Filtration meidet Podversic wie der Teufel das Weihwasser. »Zurück nach vorn gehen«, nennt er diese Rückbesinnung auf alte Methoden. Bio ist für den wilden Winzer ein Schimpfwort. »Ich gebe kein Gütesiegel auf das Etikett. Biowein sollte eine Verpflichtung und kein Verkaufsargument sein.« Podversic-Weine sind voll reifer Früchte, der Geschmack ist süß, frisch, fast zart. Nicht für jeden sofort verständlich, aber Podversic interessiert das nicht. »Meinen Wein müssen nicht alle verstehen. Die Welt ist schön, weil sie bunt ist.« Olivenöl-Revolutionär »Er muss verrückt sein.« Vitjan Sancin bekam diesen Satz oft zu hören. Das erste Mal, als der Herr Doktor der Agrarwissenschaften 1978 einen halben Hektar Kiwis pflanzte. In Triest! Später kultivierte er auch Olivenbäume im unwirtlichen Karst. Sein erster Versuch endete allerdings mit einer Niederlage: 1984 pflanzte er 2000 Bäume und die Kälte zwang alle in die Knie. »Auch egal«, sagte sich Sancin lustvoll trotzig, »wir machen weiter.« Seine Produktionsstätte inklusive Weinkeller ist kein schicker Designerschuppen. »Ich investiere lieber in die Qualität«, sagt er und schenkt uns seine süchtig machende, munter perlende Glera spumante nach. Wieder so ein Totgeglaubter, den er wachgeküsst hat. Die Glera ist die Urform des Prosecco. In Valdobbiadene machte sie Weltkarriere, im Karst ist sie jetzt auch wieder heimisch. Wir schnuppern an einer Flasche Čelo – so riecht die Revolution. Erstklassiges Olivenöl, so wie das Lemončelo, das schon bei der Pressung mit dem Saft reifer Biozitronen verfeinert wird. Auch das 2000 Jahre existierende autochthone Bianchera-Öl in der edlen Designerflasche ist eine Rarität. Für Sancin ist die Ehrlichkeit der Produkte entscheidend, darum ist er für integrierten statt biologischen Anbau. »Viele sagen, sie verwenden keine Pflanzenschutzmittel und nehmen sie trotzdem. Ich stehe dazu, ich produziere möglichst naturnahe. Rein biologisch ist irreal.«Der weltbeste ProsciuttoDas Telefon klingelt. »Die beste Prosciutteria der Welt unter der Sonne von San Daniele, guten Tag!« So begrüßt Levi Gregoris seine Kunden. Einen Mangel an Selbstvertrauen kann man dem jungen Mann nicht vorwerfen. Der typische San-Daniele-Geruch zieht durch die Verkaufsräume gegenüber des Doms, Noten von Geräuchertem, zarter Würze, Holz und Schinken. Mit 7000 Schinken pro Jahr ist er ein Bonsaibetrieb, aber einer mit höchsten Ansprüchen. Deshalb ist er auch nicht Mitglied des Prosciutto-Konsortiums in San Daniele, denn nicht überall, wo San Daniele draufsteht, ist die gleiche Qualität drinnen. »Industrieschinken und handwerklich hergestellte haben unterschiedliche Grundprodukte, die mit anderer Sorgfalt verarbeitet werden und deshalb komplett anders schmecken.« Die Schweine für Levi-Schinken werden mit Mais, Gerste, Milch gefüttert, und sie wachsen langsamer und mit weniger Stress. Dass Levi-Schinken ohne chemische Produkte reift, ist klar – und das schmeckt man. Sogar ein eigenes Verpackungsverfahren hat Levi entwickelt, damit die hauchzarten Blätter auf natürliche Weise 90 Tage haltbar bleiben. Hansi Baumgartners Berufsbezeichnung lautet Käseaffineur. In Südtirol gibt es gerade einmal einen, und der heißt Hansi Baumgartner. Er bewahrt selten gewordene Käse vor dem Aussterben und veredelt sie. Um die besten Quellen für authentischen Käse ausfindig zu machen, wandert er aber oft tagelang von einer Alm zur nächsten. In einem ehemaligen Bombenbunker aus dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Bozen lagern die Schätze, die er durch irre Kombinationen zu Kunstwerken macht. Ein paar Kostproben? Der Kloaznkäse (Weichkäse mit Mehl einer alten Südtiroler Birne), der Nussiler (mit Nussschnaps und Nussblatt verfeinert), der Trester Kas (in Lagreiner Dunkeltrester), der Minzkas (Rotschmierkäse mit Gebirgsminze) oder der Golden Gel (Blauschimmelkäse mit süßem Trester). Mit Algen veredelt er den Käse aus Sylt, seinen Karo-Blu, einen Blauschimmelkäse, lässt er in Kakaobohnen reifen. Eine geniale Kombination ist der Ziegencamembert mit einer hauchdünnen Kakaoschicht. Mit Wachs, Blüten, Heu und Kräutern experimentiert der ehemalige Sternekoch auch gerne. Gute Produzenten sind auch scharfsinnige Beobachter ihrer Umwelt. Aceto-Hersteller Herwig Pecoraro ist so einer. »Wir sind drauf und dran, die Welt kaputtzumachen, weil wir zu blöd sind. Sonst würden wir die Mutter Erde anders behandeln«, sagt er. Als Polizeibeamter begann Pecoraro in Vorarlberg. Nebenbei arbeitete er in der Nacht als Konditor und Koch. Noch nicht genug, als Sänger ließ er sich ebenfalls ausbilden und nachdem er bei Opernstar Elisabeth Schwarzkopf in Uniform vorsang, wurde er gleich nach Modena zu Luciano Pavarottis Gesangslehrer vermittelt. Natürlich war ihm singen zu wenig, also heuerte er in einem Betrieb für Aceto Balsamico an und arbeitete dort ein Jahr lang gratis. »Zum Lohn« durfte er zwei Aceto-Fässer um 40.000 Schilling kaufen. Irgendwie nachvollziehbar, dass seine Frau an Scheidung dachte. Seine Sturköpfigkeit zahlte sich aber aus, in Klosterneuburg haben die Pecoraros eine erfolgreiche Acetaia aufgebaut, die 1:1 einem Keller in Modena nachgebaut ist. Wenn Herwig Pecoraro mit einer Pipette aus seinem allerersten Fass mit der Aufschrift 1959 einen Tropfen Aceto entnimmt, auf seine Hand träufelt und ihn ableckt, weiß er, wozu das alles gut war. So ein Wow-Aceto zieht natürlich Geldadel an. »Manche kommen mit einem Rolls-Royce und wollen unbedingt den alten Aceto kaufen – bekommen tun sie nichts, der ist nur für mich.« Die Topproduzenten:> Herwig Pecoraro, Aceto balsamico. Eisenhütte 32, Klosterneuburg, +43 22 43/873 23, www.pecorarobalsamico.at> Hansi Baumgartner, Käse. Degust, Löwecenter, Eisackstraße 22, Vahrn, +39 0472/84 98 73, www.degust.com> Levi, Prosciutto. Via Umberto 2, San Daniele, +39 0432/95 70 43, www.bottegadelprosciutto.com> Damijan Podversic, Wein. Via Brigata Pavia 61, Gorizia, + 39 0481/782 17, www.damijanpodversic.com> Vitjan Sancin, Olivenöl, Wein. Dolina 360, Triest, +39 040/22 88 70, Mobil: +39 329/212 69 72, www.sancin.com >> Buchtipp: Weitere Einblicke und revolutionäre Botschaften im neuen Buch über den Edelgreißler Herwig Ertl und seine besten Produzenten. »Einfach Genuss! Ansichten eines kulinarischen Querdenkers«, von Werner Ringhofer. Erscheinungstermin: Ende Juni 2010, Carinthia Verlag, 24,90 Euro.