Warum kommt es zu Blasen? Keynes liefert mit seinem „Beauty Contest“ hierfür eine schlüssige Erklärung: Immer mehr Leute (Anleger) kaufen dieselben Assets, oder übergeordnet dieselbe Asset-Klasse. Es entwickelt sich ein „schöner“ Trend, immer mehr sehen das und wollen an den Steigerungen teilhaben. Die Steigung des Trends beschleunigt sich, jetzt will jeder dabei sein. Und zwar nicht unbedingt deshalb, weil er von der Sinnhaltigkeit dieser Investition selbst überzeugt ist, sondern deshalb, weil er meint, dass „alle“ dabei sind.
Und wenn wirklich alle dabei sind, dann platzt die Blase – aufpumpen geht langsam, platzen geht schnell, zudem ist der Zeitpunkt kaum vorhersehbar.
Eine Blase entwickelt sich stets nach demselben Schema: In der Frühphase gibt es wenige, die die Chancen erkennen, die sich mit einer bestimmten Anlage bieten. Der Trend wird angeschoben („Start“). In der mittleren Phase („Acceleration“) kommen immer mehr dazu, der Trend nimmt Fahrt auf. In der Endphase („Exponential“) beschleunigt sich der Trend und endet in einer Fahnenstange.
Ist das alles? Oft wird gesagt, Bedingung für eine Blasenbildung sei, dass sie sich unerkannt entwickelt. Ich denke, das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, was die Masse der Anleger tut. Ob diese an der Blase teilnehmen, weil sie sie nicht erkennen oder gerade weil sie sie erkennen (und vorhaben, rechtzeitig abzuspringen), ist unbedeutend. Motive sind letztlich uninteressant, auch wenn sie einen gewissen Einfluss auf den konkreten Verlauf der Blasenbildung haben mögen.
Am Verlauf von Öl Brent lassen sich die drei genannten Phasen schön verfolgen. Die Startphase endete Ende 2004 mit einem schnellen Kursrückgang, bei dem sich wahrscheinlich einige Anleger der ersten Stunde verabschiedet haben. Die Phase „Acceleration“ endete im Januar 2007 – auch hier kam es zu einem deutlichen Kursrückgang sogar kurz unter die ursprüngliche Aufwärtslinie. Die „Exponential“-Phase dauerte bis Anfang Juli 2008. Das Platzen der Blase („Burst“) ließ den Kurs bis Ende 2008 auf das Niveau von Ende 2004 kollabieren.
Schön zu sehen, dass sich anschließend eine Echo-Blase mit vergleichsweise kurzer Start-Phase entwickelte, die in den ersten Maitagen des Jahres 2011 platzte. Das ist nicht untypisch, genauso die Seitwärtsbewegung danach (in diesem Falle zwischen rund 90 und 125). Dabei haben dann auch immer noch wichtige Linien aus der Vergangenheit Einfluss auf das Kursgeschehen.
Das grundlegende Verhalten, das zu Blasenbildung führt, ist unabhängig davon, ob Daytrader, Langfrist-Anleger, Opportunisten, Optimisten, Pessimisten oder Computer an der Börse unterwegs sind, immer gleich. Weil die Psychologie zwischen Angst und Gier immer die gleiche ist. Und das gilt auch für Computer, deren Programme in Bits und Bytes gegossenes menschliches Verhalten sind – allerdings ohne „Nerven“ und deswegen „extrem“.
Im Detail gibt es Unterschiede. Die Tatsache, dass Trends heute sehr weit ausgereizt werden und auch auf monatelang vorher bekannte Stolpersteine erst kurz vorher reagiert wird (und dann umso heftiger), ist der starken Präsenz des Computerhandels zuzuschreiben. Ich beziehe mich dabei auf die großen Akteure, die den Handel per Geldmasse dominieren. Damit ist auch klar, dass die Behauptung, die Börse nähme künftige Entwicklungen sechs Monate vorweg, heute so nicht mehr zutrifft.
Der Computerhandel sorgt in Verbindung mit den dank Liquiditätsflut immer größeren Kapitalmassen für eine Art „Allmachtsphantasie“ bei den großen Akteuren. Zudem ist das Risiko gering – wenn es schief geht, werden sie gerettet. Wie bei jeder Phantasie gibt es irgendwann ein böses Erwachen, aber das ist ein anderes Thema. (Mancher sieht die Rettung des LTCM-Hedge-Fonds 1998 als den eigentlichen Sündenfall der Fed und als Beginn von „TBTF“).
Der Kleinanleger ist in dem ganzen Spiel so etwas wie das Stimmvieh bei Wahlen. Wirklich Grundsätzliches bewegen kann der Wähler kaum, lediglich festlegen, in welcher Farbe die Regierung gestrichen wird. Auf die Finanzmärkte übertragen, wird an den Kleinanlegern ausprobiert, welcher Trend sich gegenwärtig am Besten spielen lässt.
Dazu gehört auch, dass am Ende eines solchen genügend gierige Hände da sind, die das Material aufnehmen, was die großen Akteure nicht mehr wollen. Und da greift dann die „greater fool“-Theorie: So lange es noch gierige Marktteilnehmer gibt, findet sich Nachfrage für den, der in weiser Voraussicht auf das Ende der Veranstaltung hin verkaufen will.
„The trend is your friend – until its end.“ Das Ende eines Trends, einer Anlage-Mode, einer Blase ist immer dann erreicht, wenn große Akteure auszusteigen beginnen. Das geschieht zunächst schleichend, bleibt aber nicht lange unbemerkt. Der nächste Große schleicht hinterher und alsbald kann es am Ausgang eng werden und die Kurse purzeln.
Dann entsteht auch wieder ein Trend. Und auch hier neigen die Trendfolgeprogramme der großen Computer-Akteure wieder dazu, ihn sehr weit (nach unten) auszureizen. Dann folgen weitere starke Amplituden in jede Richtung, aus denen sich häufig eine Seitwärtsspanne formiert. Je heftiger der Absturz nach dem Platzen einer Blase, je wahrscheinlicher ist es aber offenbar, dass sich stattdessen eine Echo-Blase anschließt. Schön zu sehen im Öl-Chart, hier folgt auf die Echo-Blase nun die Seitwärtsspanne.
Beim Öl war die Blasenbildung mustergültig. Ein noch ausdrucksvolleres Exemplar zeigt der Chart von Gold. Die Blase entwickelte sich über viele Jahre und platzte im Sommer 2011. Die nachfolgende Korrektur blieb allerdings sehr begrenzt, woraus geschlossen werden kann, dass hier noch längst nicht aller Tage Abend ist. Aktuell ist der Kurs in einer Seitwärtsbewegung zwischen 1550 und 1800 gefangen.
Blasen sind eine typische Übertreibungs-Formation. Sie kommen bei ausgepägtem Herdentrieb zustande. Beim nachfolgenden Chart des S&P 500 stellt sich der einem Blasenende vorausgehende exponentielle Verlauf bei der 2000er Blase und bei der Echo-Blase von 2007 nicht ganz so deutlich dar wie bei den vorangegangenen Beispielen.
Aktuell liegt beim S&P 500 zwar keine Blasen-Formation im eigentlichen Sinn vor, aber auch hier warnte zuletzt eine zunehmende Steilheit nach einer längeren Aufwärtsbewegung vor dem Ende einer Übertreibung. Als Maß dafür kann der Abstand des Kurses zur EMA200 herangezogen werden. Liegt der Kurs 10% oder mehr über dieser, gilt die Situation als anfällig für eine Korrektur. Aktuell notiert der Kurs des S&P 500 wieder unter der EMA200. Die nach starken Bewegungen für eine Korrektur relevante, übergeordnete Seitwärtsspanne ist zwischen 1460 und 1120 festzumachen.
Was das weitere “Schicksal” des S&P 500 angeht, so kommt charttechnisch erschwerend hinzu, dass der Kurs seit einem Jahr in einem großen, aufwärts gerichteten, allerdings untypisch breiten Keil verläuft. Aus diesem ist er vor kurzem nach unten ausgebrochen – rechnerisches Kursziel ist etwa die Untergrenze der Seitwärtsspanne. Das geht in die Richtung von Vorhersagen etwa von Michael Belkin, der einen Absturz der Aktienkurse um rund 30% kommen sieht.
Zwei der zehn Marktregeln von der lnvestmentlegende Bob Farrel:
- Übertreibungen in die eine Richtung führen zu Übertreibungen in die andere. Der langfristige Marktverlauf ist wie ein Gummiband – wird es stark in eine Richtung ausgelenkt, schwingt es nach dem Loslassen in die andere.
- Exponentiell steigende oder fallende Märkte können weiter gehen als man gemeinhin denkt. Aber sie bauen ihre Übertreibung nicht seitwärts ab. Gewinne werden durch Verkaufen realisiert, also erfolgt eine signifikante Korrektur.
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