Gefängnisausbruch 2.0
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Apple sieht den Volkssport iPhone-Hacken als Bedrohung seines Geschäftsmodells – während Googles Android auf die Kreativität der User setzt.
„Jailbreaking“, Gefängnisausbruch, heißt die weltweit beliebte Methode, um Apples rigorose Sicherheitsarchitektur des Megasellers iPhone zu umgehen. Schon kurz nach dem Verkaufsstart kommentierte Steve Jobs den Drang der User, die von Apple gesetzten Grenzen der Verwendung trickreich auszuhebeln, mit der säuerlichen Ankündigung, künftige Updates würden gehackte iPhones zu „iBricks“, also nutzlosem Elektroschrott werden lassen. Der großen Popularität des Volkssports iPhone-Hacken tat dies keinen Abbruch: In unzähligen How-Tos und Internetforen wird dem geneigten iPhone-Benutzer Schritt für Schritt erklärt, wie das beliebteste Gadget der Welt „befreit“ werden kann, um auch Third-Person-Applikationen und Apple-fremde Software ausführen zu können. Der Grund für Apples Unmut ist klar: Nur beim Download von durch Apple genehmigte Tools und Spiele ist einerseits – so die offizielle Argumentation – die Kompatibilität und Sicherheit des Systems gewährleistet. Dass nebenbei Apple auch gern an der Software verdienen möchte, ist der zweite, wohl wichtigere Grund für die strenge Abschottung gegen die Heerscharen von potenziellen Hobbyprogrammierern, die mit Freeware- und Open-Source-Ideologie den Markt ruinieren würden.
Die jüngste Eskalation ist beachtlich: Apple hat vor dem US-amerikanischen Kongress den Antrag eingebracht, jeden Akt des „Jailbreakings“ zur kriminellen Straftat zu erklären und mit 2.500 Dollar Strafe oder – bei kommerziellen Entsperrungsanbietern – mit bis zu fünf Jahren Haft zu bedrohen. Apple scheint also gewillt, den Kampf um seine goldene Monokultur auch gegen die eigenen Kunden mit härtesten Bandagen weiterzuführen. Die Electronic Frontier Foundation, die sich um Konsumentenrechte im von Copyright-Kämpfen gebeutelten elektronischen Netz annimmt, hatte zuvor vom Kongress weitergehende Nutzerrechte gefordert. Die Entscheidung wird spannend, denn folgt der Gesetzgeber Apples Argumenten, stellt sich eine absurd scheinende, aber entscheidende Frage: Wem gehört letzten Endes das gekaufte Gerät: dem Käufer – oder doch dem Hersteller?
Vielleicht löst sich das Problem aber bald in Wohlgefallen auf, weil die besonders experimentierfreudigen Smartphone-Nutzer Apple den Rücken kehren: Die zukünftige Konkurrenz kommt passenderweise von einem diametral entgegengesetzten Geschäftsmodell, dem von Google entwickelten freien Betriebssystem Android, das in wenigen Monaten in Hunderten Smartphones verschiedenster Hersteller zum Einsatz kommen wird. Der Gegensatz könnte größer nicht sein: Hier Apples strenge ordnende Hand, die jedes Tool zuerst begutachtet und dann mit satter Gewinnbeteiligung ausschließlich im firmeneigenen Store zum Verkauf anbietet, dort die wuchernde Open-Source-Szene, die von der größtmöglichen Vielfalt und Offenheit geprägt ist. Dass Apple auch hier versucht, den Technologievorsprung und den Frühstarterbonus des iPhones zu verteidigen, zeigt ein schwelender Konflikt zwischen Apple und Palm, in dem Apple unverhohlen mit rechtlichen Folgen drohte, falls die patentierte Multitouch-Oberfläche auf den Smartphones von Palm zum Einsatz käme.
Ernsthafter Streit ist zwischen Apple, Palm und Google dennoch kaum zu befürchten: Bei Patentkriegen zwischen den auch personell eng verwandten Riesen Apple und Palm wären wohl beiderseitige Verluste zu beklagen, und Google bemüht sich nicht nur durch besondere Webunterstützung um das iPhone, sondern ist auch auf persönlicher Ebene verbandelt: Eric Schmidt ist nicht nur CEO von Google, sondern sitzt auch bei Apple im Verwaltungsrat. Bei näherer Betrachtung scheint es sich hier also weniger um Konkurrenz, als um die strategische Aufteilung eines lukrativen Marktes zu handeln. Denn der wahre Feind ist und bleibt Microsoft – und aus Redmond gibt es bisher nur Gerüchte, was ein eigenes Engagement im Smartphone-Markt betrifft.
Ein Bericht aus der Serie "Wunderbare Welt des Web".