Susanna Zapreva, Geschäftsführerin Wien Energie, im Report-Interview über die aktuelle Situation am Strommarkt und den großen Trend zu erneuerbaren Energien. (+) plus: Das Thema erneuerbare Energie ist derzeit im Aufwind. Wie setzt sich der Strommix bei Wien Energie zusammen?Susanna Zapreva: Der aktuelle Energiemix für Kundinnen und Kunden von Wien Energie setzt sich zusammen aus 45,18 Prozent Wasserkraft, 8,44 Prozent sonstige Ökoenergie wie Wind-, Sonnenenergie, feste oder flüssige Biomasse sowie 46,38 Prozent Erdgas aus hocheffizienten Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen, die gleichzeitig Strom und Fernwärme produzieren.Unser Ziel ist, die produzierte Energie aus erneuerbaren Energieträgern weiter zu erhöhen. Dabei liegt unser Fokus auf Wind, Wasser und Geothermie. Wir streben einen Anteil von 50 Prozent erneuerbaren Energien im Produktionsportfolio von Wien Energie an.(+) plus: Wie abhängig ist die heimische Wirtschaft von einzelnen Energielieferanten wie beispielsweise russischen Gasanbietern? Wie ist Wien Energie hier aufgestellt? Über welche Reserven kann verfügt werden?Zapreva: Die Wirtschaft in der EU ist stark abhängig von Energieimporten. Rund 55 Prozent der in der EU verbrauchten Energie wird importiert, Tendenz steigend. Die größten Anteile bei den Nettoenergieimporten entfallen mit circa 60 Prozent auf Öl und mit circa 26 Prozent auf Gas. Die wichtigsten Lieferanten von Rohöl und Erdgas sind Russland mit rund 33 Prozent Öl- und 40 Prozent der Gasimporte, gefolgt von Norwegen mit 16 Prozent Öl und 23 Prozent Gas.Die Situation in Österreich bei Erdgas ist konkret folgende: Rund 14 Prozent des heimischen Erdgasbedarfs kommen aus Österreich, 12 Prozent aus Norwegen, 48 Prozent aus Russland und 26 Prozent aus anderen Ländern, vor allem Deutschland. Wien Energie als Qualitätsanbieter sorgt mit vorausschauender Planung dafür, dass Gasmengen für mehrere Monate als Reserve vorhanden sind, sodass die Erdgaslieferungen für unsere Kundinnen und Kunden gesichert sind.(+) plus: Zunehmend wird in der Politik vom Ziel der Autarkie der heimischen Energiewirtschaft gesprochen. Ist eine Unabhängigkeit von internationalen Energiemärkten überhaupt möglich? Ist zumindest eine positive Nettobilanz beim Import und Export realisierbar?Zapreva: Europa und auch Österreich sind Energie-Importeure. Zwischen 1997 und 2006 ging zum Beispiel die Energieerzeugung in der EU27 um 9 Prozent zurück, während der Verbrauch um 7 Prozent und der Nettoimport um 29 Prozent stiegen.Ich halte das Wort Autarkie für ein Modewort, das in der Energieversorgung keinen Platz hat. Grenzen aufzubauen widerspricht dem europäischen Gedanken. Gas und Öl werden auch in Zukunft in der Energieversorgung eine signifikante Rolle spielen und davon haben wir in Österreich, Wien oder wo auch immer die Grenzen für die Autarkie gesetzt werden, nicht genug. Was aber sehr wichtig ist, ist Maßnahmen zu Effizienzsteigerungen zu setzen und erneuerbare Energien zu forcieren. Eine gewisse Autonomie in Energiefragen anzustreben, ist in Österreich und Europa aber natürlich wichtig. (+) plus: Heuer werden zehn Jahre Strommarktliberalisierung gefeiert. Bei eher geringen Wechselraten in der Wahl des Stromanbieters scheinen die Haushalte aus der Liberalisierung wenig Vorteile zu ziehen. Was sind die positiven wie negativen Folgen aus der Öffnung des Strommarktes aus Ihrer Sicht?Zapreva: Der österreichische Strommarkt gehört zu den wettbewerbsintensivsten in Europa. Die Energiekunden haben seit der Liberalisierung deutlich von der moderaten Preispolitik der heimischen Anbieter profitiert. Das ist auch der Grund, warum kein ausländischer Anbieter bisher in Österreich erfolgreich war. Die Wechselraten liegen über dem EU-Schnitt. Und die aktuelle Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass die österreichischen Stromkunden und Stromkundinnen mit dem Wechselvorgang zufrieden sind und keine Schwierigkeiten haben, ihren Anbieter zu wechseln.Der weltweite Energiehunger wird, trotz der aktuell negativen Entwicklung auf den europäischen Energiemärkten, steigen. Der Klimaschutz wird immer wichtiger. Und die Endlichkeit der fossilen Energieressourcen zwingt uns zu einem effizienteren und verantwortungsvollen Umgang mit Energie. Aufgrund der in ganz Europa anhaltend schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird auch die Stromnachfrage in Österreich in den nächsten ein bis zwei Jahren auf einem niedrigen Niveau bleiben. Dieser Nachfragerückgang in Verbindung mit höheren Wechselraten wird alle Energieunternehmen stark fordern. Zudem führt die Regulierung der Netze zu hohen Umsatzeinbußen.Für Wien Energie ist die Strategie klar – das Wiener Modell. Das heißt: Produktion von Strom und Wärme in hocheffizienten Gaskraftwerken, kombiniert mit Wärme aus der Müllverwertung. So erzeugen wir klimafreundlich und zu ausgewogenen Preisen Strom und Energie für Raumwärme und Warmwasser. Daneben sind die Themen Energieeffizienz und Energiesparen sowie der Ausbau von Wind- und Wasserkraft von großer Bedeutung. In den nächsten fünf Jahren investieren wir mehr als zwei Milliarden Euro in den Ausbau des Wiener Modells. >> Zur Person:Susanna Zapreva, geb. 1973, verantwortet seit April 2010 die Bereiche Energieerzeugung, Energiewirtschaft und Handel, Erneuerbare Energien und Beteiligungsmanagement, Telekom sowie Personal, Organisation und Recht bei Wien Energie. Sie absolvierte das Elektrotechnikstudium und promovierte an der TU Wien. Nach dem Studium arbeitete sie als Beraterin in der Energiebranche, startete 2001 ihre Karriere bei Wien Energie-Wienstrom und ist Mutter eines Sohnes.