Groß angekündigt, hübsch verpackt: Die Konjunkturpakete der Regierung haben viel versprochen und jede Menge Hoffnungen geschürt. Bei der Umsetzung gibt es allerdings Probleme. Darunter leidet vor allem die Bauwirtschaft, die auch noch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen hat. Auf den ersten Blick scheinen alle sehr zufrieden mit sich zu sein. Bundeskanzler Werner Faymann hat kurz vor Weihnachten festgestellt, dass die gemessen am BIP zweitgrößten Konjunkturpakete Europas in Österreich »das Schlimmste verhindert und 100.000 Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen« haben. Auch der Koalitionspartner ist zufrieden, schließlich sei es gelungen, den »unvermeidlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung auf 2,1 Prozentpunkte zu beschränken«. Und auch Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl zieht eine »positive Bilanz für 2009«. Aber nicht alle können in die Lobeshymnen der Politik einstimmen. In der Bauwirtschaft ist die Meinung zur Performance der Politik zumindest zwiespältig. Speziell die vorgezogenen Investitionen der Bundesimmobiliengesellschaft stoßen vielen sauer auf. 875 Millionen Euro werde die BIG an Projekten 2009 und 2010 vorziehen, jubelte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner Anfang 2009. Der Jubel ist rasch verhallt, denn mit der Umsetzung gibt es nach wie vor Probleme. »Das mit großem Trara von der Regierung angekündigte Baukonjunkturpaket der BIG stellt sich als Polit-Werbegag heraus«, lautet etwa das kritische Urteil von Strabag-Vorstand Franz Urban. Die BIG selbst nimmt Urban in seiner Kritik explizit aus. Schuld seien vielmehr die Ministerien, die sich mit Aufträgen an die BIG höflich zurückhalten. Etwas härter ins Gericht mit der BIG geht Josef Muchitsch, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Bau Holz. »Im Gegensatz zu ÖBB und Asfinag waren viele Projekte der BIG nicht ausreichend vorbereitet, dass sie schon 2009 hätten gestartet werden können.« SprachproblemeTatsache ist, das Bau-Konjunkturpaket stolpert schon über die Definitionsfrage. Niemand hat sich konkrete Gedanken darüber gemacht, was als »vorgezogene Investition« durchgeht. Handelt es sich um ausbezahlte Rechnungen und damit tatsächliche Investitionen oder reicht der Baubeginn, also ein Projektvolumen, das in Umlauf gebracht wurde? Unabhängig davon, wie die Antwort auf diese Frage lautet, der BIG sind in vielen Fällen die Hände gebunden. Projekte, die nicht in der Pipeline sind, kann man auch nicht realisieren. Wenn Bescheide fehlen, dann stehen die Räder still. Es gibt nur wenige Stellschrauben, die das vorgegebene Prozedere beschleunigen können, erklärt BIG-Pressesprecher Ernst Eichinger. Die BIG als Eigentümer der Liegenschaften finanziert Bauvorhaben im Wesentlichen über den Kapitalmarkt durch Begebung von Anleihen und refinanziert sich durch die laufenden Mieterträge. »Ein unterschriebener Mietvertrag zwischen der BIG und dem jeweiligen Mieter ist die Basis jedes Bauvorhabens. Ohne Mietvertrag kein Baubeginn«, stellt Eichinger klar. Dieser Workflow wird auch im Rahmen des Konjunkturpakets nicht verlassen. Zwar gibt es den Ministerratsbeschluss über die 875 Millionen Euro, es obliegt aber den Geschäftspartnern der BIG, allen voran Bildungs-, Justiz- und Innenministerium, mit ihrer Unterschrift das Startsignal für Sanierungs- und Neubauprojekte zu geben. Dass es hier zu Verzögerungen gekommen ist, weiß man bei der BIG ebenso wie in den betroffenen Ministerien. Dennoch hat die BIG laut Eichinger 2009 mehr Geld in Neubau, Sanierung und Instandhaltung investiert als jemals zuvor. »Aus den rund 360 Millionen Euro der Vorjahre sind mehr als 500 Millionen geworden.« Aktuell befinden sich mehr als 40 Großprojekte mit einem Volumen von über 1,3 Milliarden Euro in Ausführung, Projekte im Wert von rund 650 Millionen Euro sind in der Planungsphase.ÖBB und AsfinagAuch bei den ÖBB soll das Konjunkturpaket greifen. 700 Millionen Euro werden bis 2012 in Bahnhöfe und Streckeninfrastruktur investiert, zusätzlich zu den 13,2 Milliarden Euro, die gemäß Rahmenplan bis 2014 investiert werden. Die ersten 100 Millionen sind bereits 2009 wirksam geworden, die restlichen 600 Millionen sollen bis 2012 folgen. Neben kleineren Neuprojekten wie der barrierefreien Adaptierung von Bahnhöfen machen auch bei den ÖBB vorgezogene Projekte aus dem Rahmenplan den Löwenanteil des Konjunkturpakets aus, darunter die Güterzugumfahrung St. Pölten oder die völlige Neugestaltung des Bahnhofs Attnang-Puchheim. Auch die Asfinag soll ihren Teil vom Konjunkturpaket abbekommen, rund 200 zusätzliche Millionen sind bis 2012 vorgesehen. Das Problem ist da wie dort gleich. »Es fehlt an Transparenz«, sagt Christoph Schneider, Leiter Stabstelle Wirtschaftspolitik in der Wirtschaftskammer. Es ist kaum nachzuvollziehen, welche Projekte Teil des groß angelegten Rahmenplans sind, welche Projekte um wie viel vorgezogen werden und welche neu hinzugekommen sind. Das nährt die Skepsis. Außerdem kommt bei ÖBB und Asfinag noch eine weitere Unabwägbarkeit dazu: die Frage nach der zeitgerechten Realisierung. »Durch falsche Planungen oder falsche Kostenschätzungen ist schon so manches Großprojekt in Österreich enorm verzögert worden«, weiß Urban und fordert die öffentliche Hand auf, das in der bauausführenden Branche vorhandene Know-how besser zu nutzen. Dazu sollten Fachkräfte aus der Baubranche in die Projektentwicklung einbezogen werden, um eine effektive, effiziente und zeitnahe Realisierung von Projekten sicherzustellen. Urban schlägt ein permanentes Gremium aus Politik, den betroffenen Institutionen Asfinag und ÖBB, Vertretern der Bauwirtschaft sowie Architekten und Sonderfachleuten vor. »In Deutschland gibt es ähnliche Projekte, die hervorragend funktionieren und einen Mehrwert für alle bringen.«Ungewollt positivDas zögerliche Anlaufen der Konjunkturpakete hat aber auch Vorteile. Denn bis ins dritte Quartal 2009 war die Bauwirtschaft durch den hohen Auftragsstand aus dem Vorjahr ohnehin gut ausgelastet, wie Wirschaftskammer-Experte Schneider erklärt. Jetzt würde der Löwenanteil der Konjunkturmaßnahmen eben in den schwierigen Folgejahren 2010, 2011 und 2012 greifen. Deutlich mehr Sorgen als die Verzögerungen der Konjunkturpakete bereiten der Bauwirtschaft die Auswirkungen der Finanzausgleichsverhandlungen von 2007. Für die Periode 2008 bis 2013 ist die Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel des Bundes Geschichte. Über den Mitteleinsatz entscheiden jetzt ausschließlich die Länder. Und die Verlockung, die Gelder zum Stopfen der Budgetlöcher zu verwenden, ist groß. Das hat in den letzten beiden Jahren bereits zu einem deutlichen Rückgang des Wohnungsneubaus geführt. Während in den letzten Jahren der Zweckbindung jährlich rund 45.000 Wohneinheiten errichtet wurden (siehe Kasten), waren es 2008 laut einer Studie von Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen nur noch rund 40.000 und 2009 nur noch 35.000 Einheiten. Und ein weiteres Absinken auf 33.000 Einheiten ist nicht ausgeschlossen. Dabei liegt der jährliche Mindestbedarf laut Amann bei 47.000 neuen Einheiten, allerdings nur bei stagnierenden Bevölkerungszahlen. Realistischer ist der Bedarf von jährlich 55.000 neuen Einheiten. Der Rückgang in der Bautätigkeit führt nicht nur zu mehr Arbeitslosigkeit am Bau, sondern wird auch das Wohnen empfindlich teurer machen und damit einen Teufelskreis in Gang setzen. Weil durch höhere Wohnkosten die Anzahl der Wohnungsbeihilfeempfänger dramatisch steigen wird, bleibt noch weniger Geld für den Neubau. Denn beide Förderungen kommen aus demselben Topf, der Wohnbauförderung. 2002 haben rund 135.000 Haushalte Wohnbeihilfe bezogen, 2008 waren es 210.000 und für das Jahr 2013 prognostiziert Amann bis zu 300.000 Empfänger. Die Forderungen der Branche sind naheliegend: eine rasche Fortsetzung der beschäftigungsintensiven Initiative zur Thermischen Sanierung sowie verstärkte Investitionen in den Neubau. Während es mit der Sanierungsoffensive ganz gut ausschaut, sieht es im Neubau düster aus. Eine Alternative zur Wohnbauförderung wird derzeit von den Sozialpartnern ausgetüftelt. Sie soll im Laufe des Jahres präsentiert werden und für ein politisches Erdbeben sorgen, so die selbstbewussten Ankündigungen. Wohnungsbewilligungen in ÖsterreichDramatischer Rückgang nach der Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ab 2008.1991: 42.007 1992: 51.846 1993: 58.316 1994: 60.984 1995: 66.689 1996: 65.358 1997: 56.925 1998: 50.789 1999: 45.459 2000: 41.460 2001: 40.229 2002: 42.281 2003: 43.500 2004: 43.500 2005: 43.800 2006: 47.600 2007: 44.800 2008: 40.200 2009: 35.800Quelle: Statistik Austria/IIBW