Jüngst, als ich mich gerade durch aufmerksamen Konsum des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in eine angenehm katatonische Starre nahe am Wachkoma versetzt hatte, wurde ich durch ein ungewöhnliches Geräusch hochgeschreckt. Bevor ich noch überlegen konnte, was ich mir aus Krimis und Horrorfilmen für diese Situation an Lehren fürs richtige Leben abgeschaut haben könnte, öffnete sich die Tür vom Vorzimmer und ein mir gänzlich unbekannter 2-Meter-Hüne mit eleganter schwarzer Skimaske stand vor mir. Hinter ihm konnte ich noch die traurig in den Angeln hängenden zersplitterten überreste meiner Eingangstür sehen. »Gestatten: Kurt«, begrüßte mich der Fremde mit einem angenehm festen Händedruck in schwarzen Lederhandschuhen. Da ich bei meinen Freunden durchaus als schlagfertig bekannt bin, überraschte mich selbst meine Sprachlosigkeit am allermeisten. Mit einem Kopfnicken in Richtung aufgebrochene Eingangstür fuhr mein nächtlicher Gast in angenehmem Plauderton fort: »Diese Türen sind wohl nicht Ihr Ernst, oder? Die kann man ja mit einem Fingernagel und einmal streng Anschauen aufbrechen. Haben Sie nie dran gedacht, sich ein anständiges Sicherheitsschloss zuzulegen? Sie wissen ja, die Gegend hier ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Zigarette?« Ich schüttelte entgeistert den Kopf, während es sich mein Gast mit seinem Glimmstengel auf dem Ledersofa bequem machte. »Also ehrlich: Diese Eingangstür, da können S’ ja gleich einen Perlenvorhang aufhängen. Wissen S’, wo Sie die günstigsten Sicherheitsschlösser herkriegen?«, fragte er mich nach eingehender Musterung des Mobiliars. Wieder schüttelte ich den Kopf. »Im Ernst«, er beugte sich verschwörerisch zu mir vor, »achten S’ ein bisserl mehr auf Ihre Sicherheit. Bei meinem Schwager kriegen S’ Rabatt - sagen Sie einfach, der Kurtl schickt Sie. Wenn Sie, sagen wir, diese Woche noch eine bestellen, dann könnt ich dann in so ein, zwei Wochen wiederkommen. Wär Ihnen das Recht?« Ich nickte verwirrt und nahm die Visitenkarte entgegen. Danach zeigte ich dem Herrn Kurt, wie man den neuen Festplattenrekorder abbaut, damit er nicht mit leeren Händen gehen müsse, und begleitete ihn zur Tür. »Also«, meinte er zum Abschied, »so ein Klumpert wie dieses Pipischloss will ich hier nimmer sehen! Und eh schon wissen: Der Kurtl schickt Sie. Habe die Ehre!« Dann verschwand der Herr Kurt in der Nacht und ließ mich wie betäubt zurück. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass ich seinen Rat befolgte. Zwei Wochen später - ich hatte mir gerade einen mitternächtlichen Imbiss zubereitet - hörte ich erneut ein verdächtiges Krachen an der Eingangstür. Und tatsächlich - elegant und hünenhaft stand wieder der Herr Kurt mit Skimaske vor mir und musterte abschätzig die überreste meiner Mittelklassesicherheitstür, die mich die Hälfte meines Monatsgehalts gekostet hatte und nun ein gemütlich rauchendes Loch anstelle eines Schlosses aufwies. »Also bitte, wollen S’ mich beleidigen? Diesmal hab ich mich schon etwas mehr anstrengen müssen, aber Sie wissen ja, wer billig kauft, kauft teuer.« Mit vorwurfsvollem Blick schrieb er mir die genaue Bezeichnung einer Hochsicherheitstür auf einen Zettel, empfahl mir seinen Cousin als Spezialisten für Fenstervergitterung und riet mir eindringlich, mich um eine Alarmanlage umzusehen. Dann half ich ihm, meinen Plasmafernseher und mein Notebook zu seinem Auto zu tragen und durchsuchte mit ihm gemeinsam mein Arbeitszimmer nach den Sparbüchern. Dann empfahl er sich. Die nächsten Wochen verbrachte ich damit, mein Heim wie angeraten zu einem Hochsicherheitstrakt umzubauen. Meine neue Wohnungstür ließe so manche Safe-Schleuse vor Neid erblassen, meine neuen, bruchsicheren Hochsicherheitsfenster sind nun nicht bloß vergittert, sondern unter Starkstrom gesetzt (um die Taubenabwehr muss ich mich, ein angenehmer Nebeneffekt, nun nicht mehr kümmern) und zwanzig Kameras und biometrische Sicherheitsschleusen mit Iris-Scan vermitteln mir ein wohliges Gefühl von Geborgenheit. Neulich, kurz vor Mitternacht, läutete es an der Tür. Erraten: Der Herr Kurt stand, komplett mit Skimaske, vor der Sicherheitskamera. Voller Stolz führte ich ihn durch mein Heim, in dem nun, wo ich mein gesamtes, unverschämt teures Mobiliar im Austausch für mehr Sicherheit versetzt hatte, auch die großen, leeren Räume viel besser zur Geltung kamen. »Respekt«, sagte der Herr Kurt anerkennend, als wir gemütlich beim Licht einer Kerze auf leeren Bierkisten zusammensaßen, »also, Sie haben’s wirklich begriffen.« Zum Abschied gab ich ihm meine Autoschlüssel, verriegelte alle Türen und bettete mich auf meine Isomatte - zufrieden und mit dem guten, wohligen Gefühl, endlich, endlich alles für meine Sicherheit getan zu haben.