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Satire (121)

Steuermänner

Wie gesagt: Alles, alles bleibt Spekulation – vielleicht wird die Öffentlichkeit nie die ganze Wahrheit über die Entstehung dieses legistischen Meisterwerks erfahren.Das Sparpaket ist fertig –  doch was geschah wirklich hinter verschlossenen Türen? Dunkles Gemunkle und völlig haltlose Spekulationen von Rainer Sigl.

Die Entstehungsgeschichte des kürzlich voll Stolz präsentierten Sparpakets liegt weitgehend im Dunklen der Politgeschichte dieses an dunklen Hinterzimmern nicht armen Landes. Dass ein Drittel des mit treuherzigem Blick und metaphorischem Schwanzwedeln in Richtung Ratingagenturen emporgerecktem Pakets auf einer herzerwärmenden Mischung von kindlich-optimistischer Naivität und festem Daumendrücken beruht, mag von den ewig raunzenden Berufsverhinderern und Oppositionsgesocks als kleiner Schönheitsfehler betrachtet werden. Tatsache bleibt jedoch, dass die zwei großen Machtblöcke im Lande, die mit wenigen schmachvollen Seitensprüngen seit Generationen in ähnlich brutal-zärtlicher Umklammerung aneinander haften wie so manches Pensionistenehepaar, es tatsächlich geschafft haben, ihre Arbeit zu erledigen, für die sie vom braven Volk, das auf seine hehren Steuermänner voll Stolz hinanblickt, auch bezahlt wird. Das ist doch mal was!

Dabei hatte es zu Beginn der Verhandlungen gar nicht gut ausgesehen: zu verhärtet die Fronten, zu vergiftet die Atmosphäre, zu verhasst der Koalitionsgegner. Doch in einem Akt zähneknirschender Vernunft hatte man sich völlig unbestätigten Gerüchten zufolge darauf geeinigt, zur Abwechslung die traditionell üblichen erbitterten Schlammschlachten samt den rituell dazugehörigen Fluchformeln (»Leistungsvernichter!«, »Millionärsbüttel!« etc etc) sowie diversen Empörungs- und Schmollfloskeln in einer ausgelagerten Arbeitsgruppe im untersten, nur von Eingeweihten von außen aufschließbaren Verlies des Zwölf-Apostel-Kellers stattfinden zu lassen; dem Vernehmen nach kehrten die Teilnehmer dieses emotionalen Ausschusses erst gestern, zwei Woche nach Präsentation der inzwischen finalisierten Sparpläne, bleich und zittrig aus diesem Gremium zurück; mit schlechten Nachrichten, wie zu erfahren war.

Doch auch in den Arbeitsgruppen zu ebener Erde herrschte völlig unbestätigten, aber plausibel klingenden Gerüchten zufolge lange dicke Luft. Die Taktik, mit Maximalforderungen an die Sache heranzugehen, um dann mit Kernerfolgen vom Tisch aufzustehen, trieb auf beiden Seiten seltsame Blüten; so etwa im kolportierten Vorschlag des Finanzministeriums, pauschal sämtlichen Haushalten unter 40.000 Euro Jahreseinkommen wegen »verdächtiger Minderleistung« und »Owezahrens« zur Motivationssteigerung Kinderbeihilfen und Sozialgelder zu streichen. Trotz wortreicher Verweise auf die christlich-demokratischen Wurzeln dieses gutgemeinten Anreizes zu mehr Leistung (»Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen«) wurde dieser Entwurf schnell zu den Akten gelegt, wofür im Gegenzug die von der Gegenseite erhobene »Bourgeoisie-Steuer« begraben wurde, die zugegeben treffsicher Presse-Abonnenten, regelmäßigen Sonntagskirchgängern und Trachtenvereinsmitgliedern eine zusätzliche Steuerlast in Höhe von 20 Prozent beschert hätte. Auch die zugleich damit von Sozialdemokraten in die Diskussion eingebrachte erhöhte Gummistiefel-, Traktoren- und Hofratswitwenbesteuerung wurde aufgegeben, was im Tauschhandel dafür die konservative Forderung nach sofortiger Zwangsauflösung der »teuren« Gewerkschaften zu Fall brachte.

Wie von unseriösen Quellen berichtet, war angesichts dieser Grabenkämpfe der letztliche »Erfolg« in der Erstellung des Sparpakets lange Zeit ungewiss; und tatsächlich habe man sich erst in der allerletzten Sekunde, mit blank liegenden Nerven, eingefrorenen Gesichtern und aufgestellten Nackenhaaren, auf die Konturen des dann beschlossenen Pakets geeinigt, das absolut unbestätigten Gerüchten zufolge während der Kaffeepausen von zwei ahnungslosen, von den langanhaltenden Konfrontationsrunden ermüdeten Praktikanten der beiden Parteien zum Spaß auf einer Serviette im Raucherkammerl des Finanzministeriums zusammengeschludert worden war. »Wir ham gewettet, wos ois Minimum rauskummt«, gibt einer der beiden heimlichen Architekten des Pakets, Hari W. (Name von der Redaktion frei erfunden) angeblich zu Protokoll. Als die Spitzenfunktionäre am letzten Abend schweißgebadet und mutlos die Arena verlassen hätten, wäre man auf die beiden und ihr Projekt aufmerksam geworden – gerade noch rechtzeitig

Wie gesagt: Alles, alles bleibt Spekulation – vielleicht wird die Öffentlichkeit nie die ganze Wahrheit über die Entstehung dieses legistischen Meisterwerks erfahren. Nu eines aber steht mit Sicherheit fest: Den größten Anteil am endgültigen Gelingen des Kraftakts hatte mit Sicherheit Fritz Neugebauer. Der war bekanntlich zur Zeit der Entstehung auf Schiurlaub. Wir finden: Das war nett von ihm.

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Burn

Ich sag Ihnen was, bei unseren Eltern, in Zeiten des goldenen Wirtschaftswunders – da gab’s so was wie Burnout noch gar nicht!Von wegen Burnout: Nur weil man viel zu tun hat, muss man noch lange nicht weinerlich ­zusammenklappen.

Eine Vorstellungsrunde mit Rainer Sigl.

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Less is more

Wer braucht all den Luxus, wozu all der Ballast?  – Jetzt ist genau die richtige Zeit, sich von vielem zu verabschieden. Ein Plädoyer von Rainer Sigl.

Grüß Sie! So eine Überraschung, so ein Zufall, dass wir uns hier treffen! Jaja, mir geht’s gut, blendend, kann nicht klagen! Wie bitte? Ach nein, haha, nett, dass Sie fragen, aber ja, wirklich, mir geht’s hervorragend. Momentan, so im ersten Moment, war das natürlich schon ein Schock, aber Sie wissen ja eh, die Wirtschaft, die allgemeine Lage, die Krise, der Bankrott, dann die Gerichtsverhandlungen – da muss man halt flexibel bleiben! Und nach einer ersten Umorientierungsphase geht’s jetzt wirklich wieder sehr gut, mehr noch: besser als vorher!

Einen großen Vorteil hatte die ganze Sache, denn ich bin echt draufgekommen, dass man so viel ja gar nicht braucht! Ich war ja so was von blind vorher! Die drei Autos, das Haus, die Mitgliedschaft im Golfclub, die Anzüge … Man belastet sich die ganze Zeit mit Gegenständen, die man angeblich haben muss, mit Luxusgütern, die man angeblich braucht, mit Zeug, das man heim in seine überteuerte Luxushütte schleppt und dann hegen und pflegen muss … Gut, dass das alles hinter mir liegt! Ich sag Ihnen, jetzt, wo mein Leben sozusagen gesundgeschrumpft ist, geht’s mir wirklich besser!

Im Rückblick kann ich mir mein früheres Elend ja gar nicht mehr vorstellen! Ich mein, das war schon ätzend langweilig, und stressig zugleich, dieser eine einzige Job, immer mit denselben Leuten, fünfzig, sechzig, siebzig Stunden die Woche … da lob ich mir meine jetzige Freiheit, nicht, immer unterwegs, immer neue Gesichter, jeder Tag ein Abenteuer, mal hier vor dem Supermarkt, mal dort vor der Ubahn … Und erst bei Schneefall: Herrlich! Ich sag Ihnen, als Lohnsklave kriegt man ja die majestätische Schönheit der Jahreszeiten nie mit, aber jetzt: Frühmorgens ausrücken, die Stadt schläft, nur du und deine Kollegen unterwegs, gerade, ehrliche Männer, wenige Worte, die klare Luft, die verschneiten Straßenbahngleise, die gesunde Bewegung, der ehrliche Schweiß vom Schneeschaufeln, die wohlige Wärme des Rums zum Frühstück …

Und erst der Sommer! Ich sag Ihnen, als ich noch im Firmenhamsterrad laufen musste, ging das Leben an mir vorüber! Wann haben Sie etwa das letzte Mal die Natur so richtig wahrgenommen? Dachte ich mir! Ist es etwa nicht das Größte, unter Gottes freiem Himmel zu liegen und aufzuschauen zu dieser ehrfurchtgebietenden Unendlichkeit der Sterne? Oder das Wunder des Frühlingsbeginns! Mit Andacht wahrzunehmen, wie sich die Natur unter den ersten zarten Sonnenstrahlen aus ihrem Winterschlaf erhebt! Das zarte Knospen der Blüten mitanzusehen! Die lieblichen Rufe der Zugvögel bei ihrer Heimkehr wirklich zu hören! Früher hab ich geglaubt, dafür brauch ich mindestens eine Dachterrassenwohnung, besser noch: ein Haus im Grünen mit Garten, ein Ferienhaus in Italien, ein Cabrio und einen mindestens zweiwöchigen Urlaub auf Mauritius, für den ich seit Jahren sowieso keine Zeit hatte – Mann, war ich ein Idiot! Wenn ich jetzt im Frühling abends so auf der Donauinsel liege, bedeckt von Wirtschaftszeitungen, die ich endlich, endlich nicht mehr lesen muss, unter mir der atmende Planet, über mir die Unendlichkeit des Kosmos, dann fehlt es mir an nichts! Und ich Dödel hab jahrzehntelang geglaubt, diesen Luxus könnte ich mir vor lauter Stress nicht leisten!
Gut, das mit dem Schneidezahn hat mich schon kurzfristig etwas deprimiert. Und dass die Irmi inzwischen ausgerechnet diesen Trottel von Gerichtsvollzieher geheiratet hat. Und gut, ja, dieser mieselsüchtige Hubert – der war früher irgendwo bei einer Bank im Vorstand, behauptet er zumindest –, dass der jetzt glaubt, er hat den Platz vor dem Billa im neunten gepachtet, also, das zipft mich schon an, weil bitte: Ich hab da schon die Zeitung verkauft, da war der Idiot noch irgendwo angstbleich im Anzug in Krisensitzungen unterwegs, bittesehr!

Aber wissen Sie was: Das alles ist mir eigentlich auch wurscht – davon lass ich mir das Leben nicht versauen! Alsdann, schön, dass wir uns getroffen haben! Wollen S’ vielleicht nicht doch eine Zeitung …? Oder eine kleine Spende …? Hallo …? Das ist wieder mal typisch bei diesen Systemsklaven: immer im Stress. Bin ich froh, dass ich das hinter mir habe!

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