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Wo bleibt nur das liebe Geld?

Forderungen und offene Rechnungen sind ja schön – aber nutzlos, wenn man daraus einen Papierflieger machen kann. Wie man sich in harten Zeiten am besten absichert, was Wirtschaftsauskünfte bringen und warum die Inkasso-Branche trotz Krise nicht boomt.

Selbst hartgesottene Krisenticker-Beobachter dürften die Augenbrauen hochgezogen haben. Porsche vor dem Abgrund und knapp an der Zahlungsunfähigkeit vorbei geschrammt! Ja wie geht denn das, mag sich mancher gefragt haben. Hat der Wunderwuzzi Wendelin Wiedeking, Europas bestbezahlter Manager, nicht gerade noch mehr Gewinn als Umsatz gemacht und wurde der Konzern nicht als Perle gehandelt? Sozusagen ein unsinkbares Schiff, ein solider Supertanker, der jedem Sturm trotzt? Gewiss, der Sportwagenhersteller ist sicherlich ein Sonderfall. Aber wenn selbst den Lieferanten von Porsche der Schreck in die Glieder fährt, stimmt das doch nachdenklich. Welchen Kunden kann man dann überhaupt noch vertrauen? In Krisenzeiten wird man unbarmherzig da­ran erinnert, dass Rechnungen auch nur ein Stück Papier und Umsätze nur virtuelle Ziffern sind. Zumindest so lange, bis das Geld tatsächlich am eigenen Konto landet. Die Einsicht ist banal und gilt selbst dann, wenn der Konjunkturmotor brummt. Trotzdem gibt es bei jedem Konkurs einige Lieferanten, die die Suppe auslöffeln dürfen. Diese sind weder dumm noch blind. Im Regelfall merkt man, dass über dem Kunden eigentlich der Pleitegeier schwebt.

Aber trotzdem wird bis zum bitteren Ende auf offene Rechnung geliefert. Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft handelt es sich bei dem Kunden um eine langjährige und erfolgreiche Geschäftsbeziehung, man kennt und schätzt sich auch persönlich. Wer hetzt solchen Kunden schon gerne Inkassanten auf den Hals, auch wenn die Zahlungsmoral sinkt? Auch Lieferung gegen Cash oder das forsche Bestehen auf Bankgarantien bleibt oft schnöde Theorie. Damit setzt man dem Kunden offen das Messer an die Brust und erodiert so das Verhältnis, wenn es sich bei den Schwierigkeiten doch nur um eine vorübergehende Schwächephase handelt. Oft trübt auch der eigene Quartalsdruck den Blick. Der Vertrieb würde auch Wackelkunden das Lager am liebsten bis unter das Dach vollstopfen. Das ist kein Wunder, geht es doch um die eigenen Targets und Provisionen. Wenn das Controlling oder die Buchhaltung nicht bremst, wird der – vermeintliche – Umsatz bis zum bitteren Ende gepusht. Auf das Prinzip Hoffnung zu bauen, ist allerdings auch keine erfolgversprechende Unternehmensstrategie.

Glaskugeln und Vollkasko
Kein Wunder, dass in solchen Situationen der Wunsch nach einer Glaskugel aufkommt. Wenn man nur wüsste, wie angeschlagen der Kunde tatsächlich ist oder wie man schnell zu seinem Geld kommt, wenn die Lage brenzlig ist. Eine Art Vollkaskoversicherung wäre auch nicht schlecht. Um solche Bedürfnisse kümmern sich eine Armada von Wirtschaftsauskunfteien, Bonitätsprüfern, Kreditversicherern, Inkassounternehmen oder Factoring-Anbietern. Aber können diese tatsächlich ein Rundum-Sorglospaket anbieten? Es ist kein großes Geheimnis, dass auch KSV, Creditreform und Co nicht im Besitz einer alles durchdringenden Glaskugel sind. Dass man anhand von Rating-Berichten den genauen Zeitpunkt einer Insolvenz vorhersehen kann, dürfte eher die Ausnahme als die Regel sein. Auch die Bonitätsprüfer kochen nur mit Wasser. Einen Teil ihrer Informationen gewinnen sie etwa durch Selbstauskünfte. Fragt man den Chef einer möglichen Pleitefirma, wie es denn finanziell so um ihn steht, gibt es klarerweise keine Garantie, dass dieser nicht das Blaue vom Himmel erzählt. Es ist eher anzunehmen, dass niemand freiwillig sein Rating verschlechtert. Dass die Auskunfteien allzu genaue Einblicke in das Innenleben einer Firma geben, verhindert sowieso schon der Datenschutz.

Trotz solchen Widrigkeiten sind die Bonitätsauskünfte eine nützliche Informationsquelle. Das große Plus der Monitoring-Anbieter sind ihre umfassenden Datenbanken. Unternehmen, die auffällig werden, verheddern sich dort schnell – auch wenn die Selbstauskünfte noch so rosig geschönt wurden. Neben offensichtlichen Indikatoren wie Inkassoverfahren fließen in die Risikoeinschätzung auch Informationen wie etwa die Pünktlichkeit der Bilanzhinterlegung ein, die in der Gesamtheit ein ziemlich realistisches Bild vermitteln. Die individuelle Entscheidung, wie lange man einen Kunden tatsächlich auf offene Rechnung beliefert, können einem aber auch die besten Rating-Agenturen nicht abnehmen. Solche kniffligen Entscheidungen werden in Zukunft aber häufiger zu treffen sein. »Die Lieferantenkredite betrugen 2008 rund 70 Milliarden Euro. Bedingt durch die Krise wird der Wert heuer voraussichtlich auf 80 bis 85 Milliarden Euro anwachsen«, schätzt etwa Johannes Nejedlick, Vorstand der KSV1870-Holding AG, die aktuelle Lage ein.

Wildwest-Mythen und Realität

Dass Nejedlik bei der Bonitätsprüfung einen starken Aufholbedarf ortet, überrascht nicht. Nur ein knappes Fünftel aller österreichischen Unternehmen prüft zur Vermeidung von Zahlungsausfällen laufend die Bonität der Geschäftspartner. Bis vor kurzem war die allgemeine Stimmung bezüglich Zahlungsmoral noch gut. Nach KSV-Auswertungen ist die Zahlungsmoral besser als vor zehn Jahren. Im zweiten Halbjahr 2008 zahlten die Unternehmen sogar noch schneller als im diesbezüglich ohnehin schon sensationellen ersten Halbjahr. Aber die gute Stimmung kippt. Nicht nur beim KSV zeigen sich die ersten Wolken. Der Kreditversicherer Coface hat erst kürzlich das Rating von 47 Staaten nach unten justiert. Für das Exportland Österreich kein gutes Omen. Auch beim Inkassoverband Österreich (IVÖ) schrillen die Alarmglocken (siehe Kasten). Bei der jüngsten Befragung über die Zahlungsmoral orteten die rund 130 Mitglieder erstmals seit 2006 bei Unternehmen wie Privaten einen Trend nach unten. Ein Indiz für eine allgemein schwächer werdende Liquidität ist, dass die Zahlungsbereitschaft vor allem bei Forderungen über 1.000 Euro deutlich nachgelassen hat. »Die Wirtschaftskrise ist noch nicht bei überall in gleichem Umfang angekommen«, sagt IVÖ-Pressesprecher und Creditreform-Manager Gerald Waffek. Dass sie jedoch ankommt, wird von kaum einem Verbandsmitlied bezweifelt. Für heuer rechnen 80 Prozent mit einer Verschlechterung der Zahlungsmoral. Noch drastischer hat sich die Erwartungshaltung bei den Unternehmensinsolvenzen geändert. Vor einem Jahr noch rechnete nicht einmal ein Drittel der Befragten hier mit einem Anstieg, heuer sind es gleich 100 Prozent.

Wer jetzt bei den Inkassounternehmen eine Goldgräberstimmung vermutet, liegt falsch. »Krisengewinnler sind wir nicht«, sagt Waffek. Die Branche lebt weniger von der rein numerischen Zahl der Aufträge als von der Zahl der tatsächlich erfolgreich abgewickelten Aufträge. Erst diese bringen die Butter auf das Honorar-Brot. Wenn die Insolvenzzahlen jedoch steigen, sinkt zwangsläufig die Erfolgsquote bei den Eintreibungen. Ist der Kaiser erst einmal nackt, kann man ihm auch keine Kleider mehr abnehmen. Das führt wiederum zu Kundenfrust. »Warum wir in hoffnungslosen Fällen keine Leistung bringen können, ist den Kunden letztendlich auch wurscht«, so Waffek. Bei einigen Kunden dürfte auch die Erwartungshaltung etwas überzogen sein. Oft herrscht noch der Glaube, unbarmherzige Inkassanten würden ihre Klientel Tag und Nacht unter Druck setzen, um so notfalls auch noch das letzte Geld aus der Handkassa zu ergattern. Mit der Realität von seriösen Inkassobüros haben solcher Wildwest-Fantasien freilich überhaupt nichts zu tun. Der Druck ist eher subtil. Läuft ein Inkassoverfahren an, landet diese Information prompt in den Datenbanken der Bonitätsprüfer und drückt so unweigerlich auf das Kredit-Rating der Zahlungsverweigerer. Überlebensfähige Unternehmen werden das nach Kräften verhindern. Steht aber eine Insolvenz ohnehin schon mit beiden Beinen in der Tür, dürfte den Betroffenen eine Ratingverschlechterung auch schon ziemlich egal sein.

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