Menu
A+ A A-

Kein Oberlehrer

Gaston Giefing, Chef des Gewerbekundenbereichs für Raiffeisen Wien, ist mittendrin. Seine Kunden sind Kleinunternehmen, die mehr brauchen als nur eine Bank, deshalb geht Giefing neue Wege und berät Kunden auch bei den Themen Energie, Werbung und Personal.

(+) plus: Alle reden von der Krise. Sie sind als Verantwortlicher für den Gewerbekundenbereich Ihres Instituts sozusagen im Auge des Zyklons. Wie schaut’s tatsächlich im Bereich der KMU aus?
Gaston Giefing: Wir haben eine Untersuchung gemacht und die zeigt deutlich, dass die Firmenchefs die Lage des eigenen Unternehmens deutlich besser einschätzen als das gesamtwirtschaftliche Umfeld. Wir bestärken die Unternehmen jetzt darin, zeitnäher Soll-Ist-Abweichungsanalysen zu erstellen, um planbarer und kalkulierbarer zu werden. Wir haben an unsere Kunden die Einladung ausgesprochen: Wir finanzieren Investitionen in Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum! Bei uns gibt es keine Kreditklemme.

(+) plus: Das heißt, die KMU machen ihre Hausaufgaben?
Giefing: Nicht alle! Wir haben 50.000 Wirtschaftstreibende nur in Wien. Ich bin zuversichtlich, weil mir unseren Kunden allen Grund geben, es zu sein – und das ist kein Zweckoptimismus. Was uns auffällt, ist, dass die kleinsten Unternehmen die meiste Unterstützung brauchen. Das ist im Moment die größte Herausforderung.

(+) plus: Gerade bei den Ein-Personen-Gesellschaften gibt es ja keine strategische Planung, keinen Business-Plan …

Giefing: Nein, ganz im Gegenteil. Da ist der Business-Plan halt nicht 100 Seiten stark, sondern es reicht eine Seite, auf der festgeschrieben wird, was die Geschäftsidee und die Strategie ist.

(+) plus:
Jetzt reden Sie aber von der Theorie, in der Praxis schaut’s anders aus …

Giefing: Danke, genau deswegen sitz ich da. Mit 50 Mitarbeitern bin ich Tag für Tag bemüht, genau dieses Thema für die Wiener Wirtschaft fest zu verankern. Wir betreuen 12.000 Kleinstgewerbebetriebe und sind hier Sparringpartner, mit dem Ziel, die Positionen klarer zu machen und das strategische Denken zu stärken. Jedes Unternehmen, egal wie groß, muss für sich die Frage beantworten: Was macht mich einzigartig?  Da sind wir gefordert, da sind wir mittendrin und noch  lange nicht am Ziel.

(+) plus: Kurze Nachfrage zu den Unternehmerberatern in Ihrem Haus: Sie haben erwähnt, dass Ihre Truppe 50 Mitarbeiter stark ist. Welchen Hintergrund haben diese Mitarbeiter? Haben alle die klassische Bankkarriere durchlaufen oder gibt es Quereinsteiger?

Giefing: Die Erfahrungshorizonte sind sehr unterschiedlich. Wir haben vor drei Monaten einen Kollegen aufgenommen, der bis dahin selbst Unternehmer war. Jetzt beginnt­ er auf der anderen Seite des Geschäftes. Das halte ich für fantastisch, weil er genau die Perspektive kennt. Ein Viertel unserer Mannschaft kommt aus Unternehmerfamilien, wie ich selbst auch, und hat praktisch mit der Muttermilch aufgesogen, was es bedeutet, ein selbstständiger Unternehmer zu sein. Wir haben also aus eigener Erfahrung erlebt, welche Probleme tagtäglich in Betrieben auftauchen.

(+) plus: Der Hintergrund meiner Frage war, dass ja viele Selbstständige enorme Probleme in ihrer Kommunikation mit Banken haben und immer wieder taucht das Gefühl auf, dass die Banker in ihrer eigenen Welt leben und die Probleme Wirtschaftstreibender nicht verstehen.
Giefing: Verstehen wir, was unsere Kunden machen und wie sie es machen? Diese Frage beschäftigt uns permanent. Seit vier Jahren läuft ein Programm unter dem Motto »Mittendrin statt nur dabei«. Dabei verbringt ein Berater einen ganzen Tag bei einem unserer Kunden. Die Bankberater lernen vor allem eines: Demut – vor dem, was Unternehmer jeden Tag leisten. Das ist schon einmal die wichtigste Perspektive, weil wir nicht als Oberlehrer, sondern als Begleiter auftreten, der auf Augenhöhe agiert und weiß, was der Kunde macht, wie er es macht und welche Probleme er täglich zu lösen hat.

(+) plus: Was tut Ihr Institut im Moment konkret, um Ihren Kunden über diese schwierige Phase hinwegzuhelfen?

Giefing: Wir ergänzen das schon seit vier Jahren laufende Projekt der Grätzelmillion um zusätzliche Dienstleistungen, aktuell zusammen mit der Wirtschaftskammer und dem WIFI.  Wir geben Gratis-Energieeffizienzberatung. Ein Sachverständiger kommt ins Unternehmen und stellt fest, wo Energie und somit Geld verschwendet wird. Wärmerückgewinnung bei Gastrobetrieben, Lüftungssysteme, die Klimatechnik uvm. werden analysiert. Beispielsweise kann ein Bäckereibetrieb seit der Energieeffienzberatung 23.000 Euro eisnparen – und das nur bei den Energiekosten mit einer Amortisationszeit von vier Jahren. Genau das schafft Liquidität. Gerade in diesem Bereich ist unglaublich viel drinnen. Oder wir beginnen gerade ein neues Projekt mit einem Personalberater. Mit ihm zusammen bieten wir unseren Kunden an, bei der Neubesetzung von Positionen ein Screening durchzuführen, um kostspielige Irrtümer  bei der Personalauswahl zu verhindern. Im Rahmen unserer Grätzelprojekts stellen wir unseren Kunden auch Werbeflächen in Bezirksmedien zur Verfügung.
Das alles sind keine Bankkernthemen,  es kostet uns auch eine Menge Geld, aber durch all diese Maßnahmen ermöglichen  wir kleineren Unternehmen, was für Konzerne selbstverständlich ist.

back to top