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»Nicht zum Pessimisten werden«

Regina Prehofer, Vorstandsmitglied der BAWAG P.S.K., über Kreditklemme, Zukunftsfragen und die Hausbanken als Sparringpartner der Unternehmer.

(+) plus: Die Wirtschaft klagt seit Monaten über eine »Kreditklemme«. Tatsächlich vergaben die Banken laut Nationalbank aber schon im Dezember um 2,6 Prozent mehr Unternehmenskredite als im Vormonat. Jammern sich die Unternehmen selbst krank?
Regina Prehofer: Für große Unternehmen ist es sicher schwieriger geworden. Die haben bisher große Teile ihres Finanzierungsbedarfs über den Kapitalmarkt aufgebracht und vielleicht auch mit ausländischen Banken zusammengearbeitet. Manche dieser Banken ziehen sich vom österreichischen Markt zurück. Die relativ hohen Summen, die früher über Bonds, Börsengänge oder Kapitalerhöhungen hereinkamen, können nicht völlig vom österreichischen Finanzmarkt substituiert werden. Bei Klein- und Mittelbetrieben ist die Versorgung mit Kreditmitteln gegeben. KMU haben meist ein gutes Verhältnis zu ihren Hausbanken, die in gewisser Weise Sparringpartner für diese Unternehmen sind. Das Kreditwachstum der  BAWAG P.S.K.  war insbesondere im zweiten Halbjahr besonders stark: Von Jänner 2008 bis Dezember 2008 sind die Unternehmenskredite um 13,2 Prozent auf mehr als neun Milliarden Euro gestiegen. Wir sehen also von unserer Warte sicher keine Kreditklemme, sondern haben die Kreditvergabe sogar stark erhöht. Diesen Kurs wollen wir auch 2009 fortsetzen.

(+) plus: Bemerken Sie eine geringere Nachfrage nach Unternehmenskrediten? Sind vielleicht die Firmen selbst aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage vorsichtiger mit Investitionen?
Prehofer: Bei unseren Firmenkunden sehe ich das nicht. Der Grund liegt vermutlich darin, dass wir wirklich genügend Liquidität zur Verfügung haben. Wir bemerken eine sehr hohe Nachfrage und versuchen, diese  entsprechend in Kredite umzusetzen. Weniger Nachfrage sehen wir nur im Privatkundengeschäft. Hier herrscht derzeit größere Vorsicht als noch vor einem Jahr.
Was auffällt: Firmenkunden fragen vermehrt kurzfristige Kredite nach, die  Versorgung mit Betriebsmittelkrediten funktioniert. Es gibt hingegen im KMU-Segment relativ wenig Nachfrage nach mittel- und langfristigen Krediten – das hängt damit zusammen, dass im Moment weniger neu investiert wird; davon ausgenommen ist der Immobilienbereich.

(+) plus: Die Wirtschaftskammer Wien hat im November eine Ombudsstelle für Kreditfragen eingerichtet. Die Berater berichten, dass von den Banken so detaillierte Unterlagen gefordert werden, wie es bisher nicht der Fall war. Haben Sie die Kriterien für die Kreditvergabe verschärft?
Prehofer: Die Kriterien für die Kreditvergabe sind unverändert, aber wir stellen sicher mehr Fragen als früher, vor allem zu Zukunftsszenarien. Wir fragen nach dem Auftragsstand, nach der erwarteten Umsatzentwicklung, wir diskutieren mit den Kunden über die Liquidität der nächsten Jahre und versuchen, gemeinsam Vorschaurechnungen zu erstellen. Diese Fragen hat man sicherlich vor zwei, drei Jahren nicht in dieser Intensität besprochen. Gute Unternehmer haben darauf Antworten, weil sie sich schon früh selbst mit diesen Fragen beschäftigen. Zahlen von 2007 oder 2008 haben heute nur mehr sehr wenig Aussagekraft, da diese beiden Jahre aufgrund der Hochkonjunktur für manche Firmen die besten Ergebnisse aller Zeiten lieferten. Dies ist definitiv für heuer nicht zu erwarten, oder zumindest nur für manche Branchen.

(+) plus: Was wird konkret geprüft? Die Zukunftsentwicklung lässt sich ja nicht wirklich vorhersagen.
Prehofer: Sie können ausgehend von der heutigen Auftragslage in Kombination mit der Entwicklung in der Vergangenheit gewisse Schlüsse für die Zukunft ziehen. Sie wissen, wie die Kostenstruktur des Unternehmens ist, können Szenariorechnungen machen – wie wirken sich zum Beispiel ein niedrigerer Energiepreis, niedrigere Rohstoffkosten, eine niedrigere Inflation aus? Das Wichtigste ist aber: Wie wirkt sich eine rückläufige Auftragslage auf Umsatz und auf die Betriebserlöse aus? Die meisten Unternehmen haben bei den Aufträgen eine Vorlaufzeit von zumindest ein paar Monaten. Wenn ich diese Zahlen mit den Vorjahren vergleiche, lässt sich daraus schon viel ableiten.  In manchen Branchen haben wir leider Auftragsrückgänge von 30 bis 40 Prozent. Da muss das Unternehmen reagieren.

(+) plus: Verlangen Sie zusätzliche Sicherheiten im Vergleich zu früher?
Prehofer: Das hängt vom Einzelfall ab. Durch einen Wirtschaftsabschwung verschlechtern sich leider auch manchmal die Ratings der Unternehmen. Nach den Kreditvergaberichtlinien sind für die verschiedenen Ratings unterschiedliche Sicherheiten vorgesehen. Das liegt aber nicht an einer geänderten credit policy, sondern weil das Unternehmen im Rating abgerutscht ist.

(+) plus: Gerade KMU weisen meist eine sehr dünne Eigenkapitaldecke auf. Könnte das zum Problem werden?
Prehofer: Ich würde das nicht generell sagen. Etwa 20 bis 25 Prozent der Unternehmen rechnen noch immer mit leichten Umsatzzuwächsen gegenüber dem Vorjahr. 30 bis 40 Prozent der Unternehmen sagen, die Umsätze werden in etwa gleich bleiben oder eine Spur geringer ausfallen. Der Rest hat gröbere Einbrüche. Auf die Eigenkapitaldecke wirkt sich das je nach Kategorie des Unternehmens unterschiedlich aus.
Im Durchschnitt haben die Unternehmen aber eine bessere Eigenkapitalausstattung als noch vor fünf Jahren, das hilft natürlich schon. Positiv ist zu bemerken, dass in schlechten Zeiten vor allem Familienbetriebe von privater Seite Kapital zuschießen, weil sie sich als Eigentümer ihrem Unternehmen verpflichtet fühlen.

(+) plus: In welchen Branchen ist die Situation besonders schwierig?
Prehofer: In der Autoindustrie, im Autohandel, teilweise im Maschinen- und Anlagenbau bis hin zur metallverarbeitenden Industrie sind Firmen teilweise sehr stark betroffen. Diese Branchen kämpfen mit Umsatzrückgängen von 40 oder 50 Prozent. Die Frage ist daher: Wie schaffe ich es, mit meinen Kostenblöcken umzugehen? Dass diese nicht auf Dauer mit Krediten finanziert werden können, ist auch den Unternehmen selbst klar. Hier ist eine Kreditaufstockung kein Thema. Durch die Umsatzrückgänge werden oft sogar weniger Kreditmittel, beispielsweise für Exportfinanzierungen, benötigt. Gleichzeitig will man aber gute Arbeitskräfte nicht verlieren – daher sind die vorrangigen Themen eher Kurzarbeit, das AMS oder eine »Verlustfinanzierung«, um einige Monate durchtauchen zu können.

(+) plus: Wie sieht es mit den Konditionen aus? Dank des niedrigen Euribor sind die Zinsen sehr niedrig, dafür werden aber höhere Aufschläge verrechnet.
Prehofer: Die Zinsen sind dramatisch gesunken und diese Senkung der Basiszinssätze hilft auch eindeutig. Die Aufschläge sind gestiegen, es wird aber kaum Unternehmen geben, bei denen vor einem Jahr die Zinsenbelastung nicht deutlich höher war. Wenn man sich die Entwicklung des Euribor anschaut, ist da viel Platz – so stark sind die Aufschläge nicht gestiegen.

(+) plus: Der Leitzinssatz der EZB liegt auf dem historischen Tief von 1,5 Prozent.  Wagen Sie eine Prognose, wie sich das Zinsniveau entwickeln wird?
Prehofer: Wir rechnen damit, dass sich die EZB im Laufe des zweiten Quartals zu einer weiteren Zinssenkung entschließen könnte, was natürlich von der weiteren Entwicklung des wirtschaftlichen Umfelds und dem Greifen der Konjunkturmaßnahmen auf nationaler und auf EU-Ebene abhängig ist.

(+) plus: Die USA und Japan sind bereits bei null Prozent angelangt. Ist Null-Zins-Politik Ihrer Meinung nach ein taugliches Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln?
Prehofer: Ich denke, dass die Zinssenkungen bei uns auf jeden Fall helfen, vor allem weil sich die Belastung der Unternehmen trotz höherer Margen reduziert hat. Was wir allerdings wirklich brauchen, sind ein höherer Konsum und vermehrte Investitionen. Das niedrige Zinssatzniveau mag vielleicht etwas dazu beitragen, aber wir benötigen in erster Linie Investitionsanreize und eine bessere Stimmung – um die Psychologie nicht zu vergessen. Natürlich muss man die Lage realistisch einschätzen, aber man darf nicht vor lauter Sorge zum Pessimisten werden.  

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