Menu
A+ A A-

Volle Konzentration

\"Unsere Rettung war in den vergangenen Jahren die Entwicklung in Osteuropa.« Das Zitat des früheren Knauf-Chefs Manfred Winkler könnte von gestern oder vorgestern sein. Tatsächlich sagte Winkler das vor nunmehr zehn Jahren in der Erstausgabe des Bau & Immobilien Report. Schon damals hatte die österreich-Tochter des deutschen Gipsriesen Niederlassungen in 17 ehemaligen Oststaaten gegründet. Die Vision damals: »Wir könnten wieder eine k. u. k. Wirtschaftsgroßmacht werden«, schwärmte Winkler. Heute kann man getrost sagen, dass diese Vision wahr geworden ist. »Unser Erfolgsrezept war es, lokale Manager unter österreichischer Führung zu animieren, den Aufbau ihres Landes zu forcieren«, erklärt der heutige Knauf-Chef Otto Ordelt. Nicht nur für Knauf, sondern für ganze Wirtschaftszweige.
Die gesammelte Baustoffindustrie hat den Nachholbedarf in den ehemaligen Ostblockstaaten erkannt und ist mit viel Engagement und vergleichsweise viel Feingefühl Richtung Osten ausgeschwärmt, was man durchaus als mutig bezeichnen kann. Nicht wenige der Erstinvestments in Niederlassungen und Fertigungsstätten passierten zu einer Zeit, in denen selbst die bilateralen Handelsabkommen fehlten.
Seit heuer reicht die EU bis an das Schwarze Meer und zahlreiche Baustofferzeuger sind flächendeckend von Ungarn bis Rumänien mit Werken und Vertriebsniederlassungen vertreten. Einige davon haben da und dort Lehrgeld bezahlt, mussten Rückschläge hinnehmen und wurden vereinzelt auch Opfer der teilweise ausufernden Kriminalität. Dennoch wird man niemanden in der Branche finden, der an der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Expansion Richtung Osteuropa zweifelt. Sie kam gerade recht. Die Baustoffindustrie hatte damals aufgrund von Wettbewerb, Eitelkeit und Machtstreben mächtig Kapazitäten in den Markt gebracht. Zugleich sorgten Geburtenrückgange und Sparpakete für eine gedämpfte Nachfrage im Neubau. Dem zum Opfer fielen im vergangenen Jahrzehnt zahlreiche kleine und mittelständische Unternehmen, die es versäumt hatten, ihre Zukunft marktgerecht zu kreieren. Sie sperrten zu oder wurden von jenen großen Unternehmen übernommen, die heute auch als die Macher im vergrößerten Wirtschaftsraum dastehen.
Ohne die angelaufenen Exporte in die Nachbarländer hätte so manches heimische Werk stillgelegt werden müssen. »österreichische Firmen sind immer dann besonders erfolgreich, wenn sie sehr innovativ sind. Aufgrund der Kleinheit des heimischen Marktes müssen wir im Export stark sein«, erklärt Othmar Wutscher, Chef von der zur Saint Gobain gehörenden Rigips Austria GmbH seine Sicht der Dinge. Rund sechzig Prozent der Produktion des Rigips-Werkes Bad Ausseee gehen derzeit in den Export. Zudem wird ein Teil der Ost- und Südosteuropa-Aktivitäten von österreich aus gesteuert. So betrachtet diente die forcierte Expansion dem Arbeitsmarkt im Inland. Was für die Shareholder weit mehr wiegt, ist jedoch der Mehrwert, der abseits des Heimmarktes geschaffen wurde. Ein gutes Beispiel dafür stellt auch die Schmid-Industrieholding mit dem Flaggschiff Wopfinger Baustoffgruppe dar. Die Gruppe wuchs in atemberaubenden Tempo von einem lokalen Kalkproduzenten zu einem ansehnlichen Imperium, das im Jahr 2006 erstmals die Umsatzmilliarde übersprungen hat. Ein Jahr zuvor erwirtschaftete die Industrieholding noch knapp 800 Millionen. »Wir sind von einem Land ins nächste gegangen«, beschreibt der Eigentümer der Holding Friedrich Schmid seine Gangart, die ihn bislang in 17 Länder geführt hat. Sein Erfolgsrezept: »Das Wichtigste ist es, einen guten Geschäftsführer zu finden. Der sucht sich dann auch gute Leute und die Dinge nehmen ihren Lauf«, erklärt er. Die Auswahl der Manager behält Schmid sich deshalb selbst vor. Dabei setzt er vielfach auf Intuition. Was freilich auch nicht davor schützt, gelegentlich Enttäuschungen zu erleben, wie Schmid zugibt. In China hat man bei der Etablierung des Geschäfts zwei gescheiterte Versuche hinter sich. Im Moment läuft gerade der dritte in Schanghai. Auch in Bulgarien brauchte man vier lokale Manager, um den zu finden, der sein Geschäft versteht. Von Partnerschaften mit lokalen Akteuren hält der passionierte Jäger Schmid inzwischen wenig. »Am Anfang gründeten wir Joint Ventures, das hat sich jedoch nicht bewährt, weil Partner dazu neigen, lethargisch zu agieren«, weiß Schmid und fügt süffisant hinzu: »Hundert Prozent sind besser.« Schmid ist Eigentümer mit Leidenschaft, der nicht an einen Börsegang denkt, sondern lieber privat ein bisschen an der Börse spekuliert. Vielleicht sogar gelegentlich mit einer der größten Publikumsgesellschaften des Landes, der Wienerberger AG.
Sie ist so wie Wopfinger ein Baustoffriese, der in den letzten zehn Jahren große Sprünge gemacht hat. Dort allerdings ging die Expansion in alle Himmelsrichtungen. 1996 übernahm Wienerberger mit Terca den führenden Vormauerziegelproduzenten in Benelux und erzielte ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von rund 1,4 Milliarden Schilling. Damals waren die Hauptmärkte österreich und Deutschland. 1999 wurde in den USA General Shale übernommen, was in der Firmenchronik als Aufstieg zum Global Player vermerkt ist. Danach ging es Schlag auf Schlag. 2000 wurde die Treibacher Industrie AG verkauft und im Gegenzug mit Cherokee Sanford ein weiterer US-Ziegelproduzent gekauft. 2002 folgte bereits unter der ägide von Wolfgang Reithofer Hanson plc. Seit 2003 versteht sich die Wienerberger AG als Anbieter von Dach und Wand. 2005 betrug der Umsatz der Gruppe 1,95 Milliarden Euro, das EBITDA betrug 428 Millionen Euro. Aus den ehemaligen Hauptmärkten österreich und Deutschland wurden mit Konzernumsätzen von zwei und zwölf Prozent sogenannte »wichtige Märkte«. Die finden sich aber auch in Holland und Belgien, wo jeweils zehn Prozent des Umsatzes erwirtschaftet werden. Die neu eroberten Staaten Polen, Ungarn und Tschechien bringen mit jeweils vier Prozent des Konzernumsatzes genau so viel wie Deutschland. Die USA tragen immerhin 17 Prozent zum Konzernumsatz bei. Dass das Headquarter ausgerechnet am Wienerberg angesiedelt ist, lässt sich wohl nur dadurch erklären, dass das Top-Management des Ziegelriesen heimischer Abstammung ist und man Wert auf die Tradition legt. Schließlich wurde dort 1819 der Grundstein für das Imperium gelegt, zu dem heute auch das ebenfalls stark expandierende Unternehmen Semmelrock gehört. Erst kürzlich wurde mit der Bestellung von Willy van Riet als CFO die Tradition der Heimmanager gebrochen. Ungebrochen ist hingegen der weitere Expansionswille, der sich durch die hervorragende Pressearbeit des Konzerns nachvollziehen lässt. Es vergeht kaum eine Woche, in der das große Wienerberger-Puzzle nicht ein Stückchen wächst oder optimiert wird.
back to top