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Ohne Schranken

Von Heike Wagner-Leimbach

Informationstechnologien helfen Barrieren abzubauen und schaffen neue Barrieren - dieses Spannungsverhältnis trifft besonders auf die barrierefreie Gestaltung von Webangeboten zu. Das Informationszeitalter birgt die Chance, dass Menschen mit Behinderung ein bisher nicht gekanntes Maß an Selbstbestimmtheit leben können. Es kann jedoch auch sozial benachteiligte Personen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen vom Zugang ausschließen. Der Webauftritt einer Verwaltungsorganisation ist heute die Visitenkarte, daher ist die Zugänglichkeit von öffentlichen Webseiten ein wichtiges Qualitätskriterium. Webinhalte müssen so gestaltet werden, dass sie für alle Menschen zugänglich sind. Vor allem Menschen mit Behinderung, mit anderer Muttersprache oder älteren Personen sollen Amtswege durch zugängliche Internetangebote erleichtert werden.

»Die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen und die bisherigen Erfolge sind ein wichtiger Schritt, aber es geht um noch viel mehr: Barrierefreies Internet muss zu einer Selbstverständlichkeit werden. Das ist ein wesentlicher Beitrag, Chancengleichheit in der Gesellschaft zu verwirklichen«, betont die zuständige Staatssekretärin Heidrun Silhavy. Damit Leistungen im Internet für alle Menschen einfach, schnell und komfortabel nutzbar sind, ist es unerlässlich, dass alle Verwaltungsebenen dazu beitragen.

Technologien verändern sich laufend, daher orientiert sich die Branche an anerkannten internationalen Standards: Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) der Web Accessibility Initiative (WAI) sowie deren Richtlinien in den Bereichen Autoren- und Anwenderwerkzeuge sind einzuhalten, wenn es darum geht, behördliche Angebote im Netz zu gestalten.

Was eine Barriere ist. Menschen mit Behinderungen stellen an die IKT besondere Anforderungen. So ist etwa essenziell, dass Webauftritte eine durchgängige Seitenstruktur aufweisen und vollständig ohne Maus navigierbar sind. Jeder kann im Selbstversuch testen, welche Hürden sich beim Surfen ergeben, wenn Webangebote diese Kriterien missachten. Dafür reicht es aus, einfach die Maus abzustecken. Große Bedeutung für die Orientierung hat es, ob und wie angebotene Inhalte gegliedert sind. Texte sollen in knapper, einfacher und möglichst klarer Sprache verfasst sein und durch Absätze, überschriften und zusammenfassende Abschnitte unterteilt sein.

Gehörlose Menschen kommunizieren über den visuellen Interaktionskanal. Sprechen Informationen auf Webseiten nur den Hörsinn an, sind diese für sie nicht zugänglich. Ihre Muttersprache ist die österreichische Gebärdensprache, kurz öGS genannt, ein von der Lautsprache Deutsch unabhängiges natürliches Sprachsystem von Zeichen und Gesten. Wichtige Inhalte sollten auch als Video mit öGS-Dolmetschung oder mindes­tens als Transkript zu Audiodateien angeboten werden. Barrierefreie Gestaltung von Webangeboten bedeutet auch, dass für Grafiken und Bilder eine aussagekräftige Beschreibung angeboten wird. Was fängt sonst eine Person mit Sehbehinderung, die sich Webangebote automatisiert vorlesen lässt, mit der Information »Bild1.jpg« an? Eine andere grundlegende Anforderung ist die kontrastreiche Darstellung von Navigationselementen und Inhalten. Das bedeutet etwa, dass auch bei eingeschränkter Sehleistung für Anwender eindeutig erkennbar sein muss, welcher Menüpunkt gerade auf einer Webseite ausgewählt ist. Diese Kriterien klingen selbstverständlich - und sollten es auch sein. Leider sieht derzeit die Realität teilweise noch anders aus. Zahlreiche Barrieren auf Webseiten sind nicht böse Absicht, sondern entstehen durch mangelndes Bewusstsein und fehlendes Hintergrundwissen. Mit einem optimal zugänglichen Webauftritt trägt jeder Serviceanbieter - Gemeinden ebenso wie Unternehmen - dazu bei, verbreitete Fehleinschätzungen zu berichtigen. Best-Practice-Beispiele wie www.gleichundgleich.gv.at, www.help.gv.at, www.ojm.at, www.on-line.on.eu zeigen, dass zugängliches Webdesign nicht einer kleinen Minderheit von Nutzern Vorteile bringt, sondern alle davon profitieren - sowohl Anbieter von Services im Internet als auch User. Und barrierefreies Gestalten von Webseiten muss nicht zwangsläufig teurer sein als herkömmliches Design. Sogar das Gegenteil ist der Fall, wenn entsprechende Technologien standardkonform eingesetzt werden.

Suchmaschinen optimiert. Eine Webseite, die den derzeitigen WAI-Kriterien entspricht, kann von Suchmaschinen wie Google oder Yahoo besser indiziert werden und wird höher gelistet als nicht valide Webseiten. Eine Webseite, die linear und optimal mithilfe der Tastatur navigierbar ist, kann auch leichter mit verschiedenen mobilen Geräten wie Handheld oder PDA genutzt werden. Und eine benutzerfreundliche, zugängliche Webseite funktioniert auch bei deaktivierten Funktionserweiterungen wie Skripts noch einwandfrei. Lässt sich die Schriftgröße um mindes­tens zwei Stufen vergrößern, ohne dass das Layout zerfällt oder sich Teile überlagern, ist das positiv. Firefox und Opera bieten Funktionen an, um das Standardlayout von Seiten auszuschalten. Sieht man dann eine Zeile für Zeile lesbare Webseite, deren Navigation als Liste angezeigt wird und deren Inhalt mehrere überschriften und Absätze aufweist, ist ein wichtiges Kriterium erfüllt. Entscheidend ist auch, dass nach dem Wegschalten der Farben alle Texte lesbar bleiben. Zusätzlich können auch Bilder deaktiviert werden, in diesem Fall sollten aussagekräftige Alternativtexte bei inhaltlich wichtigen Bildern aufscheinen. Bezüglich angebotenen Formularen kann wieder das Abstecken der Maus aufschlussreiche Erkenntnisse liefern.

Kostenlose Prüfung. Die ersten Aha-Erlebnisse kann jeder Interessierte durch Kurztests mit online verfügbaren, automatisierten Testwerkzeugen wie www.barrierefinder.de, www.webxact.com oder www.cynthiasays.com ergänzen. Die­se Tools prüfen jene Zugänglichkeitsanforderungen, die aus dem Quellcode einer Webseite automatisiert überprüfbar sind. Die Ergebnisse solcher Tests sind jedoch immer erst ein Anfang und stellen keine vollständige Evaluierung dar. Automatische Testwerkzeuge können niemals Benutzerrückmeldungen ersetzen. Wann Barrierefreiheit erreicht ist, lässt sich deshalb auch pauschal nicht beantworten. Welche Kriterien erfüllt werden müssen, um ein optimal nutzbares Webangebot umzusetzen, ist maßgeblich von den angebotenen Inhalten, dem Zweck der Webseiten und der angesprochenen Zielgruppen abhängig.

Die Autorin: Heike Wagner-Leimbach betreut das Thema »Barrierefreie Webangebot der Verwaltung« im Bereich IKT-Strategie des Bundes im Bundeskanzleramt.

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