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Menschen statt Roboter

In den USA erlebt der gute alte Kreditreferent, der seine Kunden kennt und einschätzen kann, eine Renaissance. Der Grund: Der Roboter erwies sich als Dämon. Von Alfons Flatscher, New York.

Der Dow-Jones-Index verlor in weniger als einer Stunde mehr als 1.000 Punkte. Das war am 7. Mai diesen Jahres, und wie sich wenig später herausstellte, war der stärkste Kurssturz in der Geschichte der Wall Street von selbstständig agierenden Trading Computern verursacht worden. Da ist niemand mehr, der denkend eingreift, die Börse liegt in der Hand der Automaten, das war die erschreckende Erkenntnis des Tages. Amar Bhide, Professor an der zur Tuft University gehörenden Fletcher School geht sogar noch weiter: Maschinen waren es, die uns in die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre geführt haben – oder genauer gesagt mechanistische Modelle, die zum Ziel hatten, den subjektiven Einfluss des Einzelnen auszuschalten und ein möglichst objektives, sprich mathematisches Konzept zu etablieren. Genau das hatte, wie Bhide erklärt, die Wirkung „des Moskauer Politbüros” der kommunistischen Tage. In der „Harvard Business Review” schreibt er dazu: „Früher haben Kreditreferenten sich ihre Kunden vor Ort angeschaut und von Fall zu Fall über deren Kreditwürdigkeit entschieden. Dann setzten die Banken auf von Finanzgurus entwickelte statistische Modelle, die durch Wall-Street-Firmen, Ratingagenturen und regierungsgestützte Hypothekenbanken verbreitet wurden.”
Die auf diese Weise zentralisierte Kreditvergabe durch Roboter habe letzlich zum Beinahe-Kollaps der Weltwirtschaft geführt.

Das Interessante an Amar Bhides Ansatz ist, dass er damit die Mär von den bösen Spekulanten und geldgierigen Bankern, die mit ihrer Verantwortungslosigkeit die Welt an den Rand des Abgrunds gebracht hätten, völlig auf den Kopf stellt. Es war die Technologiegläubigkeit, sagt er, es war die Sehnsucht nach einem unfehlbaren System, das unbeeinflusst von Emotionen, von subjektiven Einschätzungen unantastbare Ergebnisse liefern sollte. Das ist gründlich danebengegangen, und jetzt erleben wir eine Renaissance des Hausverstands: Ein Wirtschaftssystem lebt vom menschlichen Urteilsvermögen und von der individuellen Gestaltungsfreiheit.
Amar Bhides Antwort ist einfach: „Mehr Regeln, die Computer besser machen sollen, sind nicht die Antwort. Wir müssen einfach Nein sagen zur urteilsfreien Risikoübernahme durch Banken. Wir müssen das altmodische Bankgeschäft wiederbeleben, indem der Sachbearbeiter seinen Kunden kennt und indem die Bank nichts anderes tut, als Kredite an Private und an Unternehmen zu vergeben.”

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