Digitalisierung, Gaia-X und Prognosemodelle Featured
- Written by Martin Szelgrad, Angela Heissenberger
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Infrastruktur aus der Wolke, Vorhersagen für die Produktion und Kapazitäten fürs Homeoffice für die Zeiten nach Corona – Elisabetta Castiglioni, Geschäftsführerin und CEO A1 Digital, im Gespräch mit dem Report.
Report: Welche Technologiethemen werden auch 2021 im Markt ausgerollt? Wen sprechen Sie mit Ihren Services an?
Elisabetta Castiglioni: Wir machen die Digitalisierung nutzbar. Ziel ist dabei stets, für unsere Kunden Umsätze zu erhöhen, Kosten zu reduzieren und die Innovationsfähigkeit zu steigern. In Bezug auf Branchen sind wir mit unseren Cloud-Services horizontal unterwegs – für »Infrastruktur-as-a-Service«, speziell etwa für den Bereich Softwareentwicklung, gibt es Bedarf in allen Teilen der Wirtschaft. Vertikal fokussieren wir uns auf Mobility und Logistik sowie die Industrie, insbesondere auf Discrete Manufacturing und Lösungen rund um die Vernetzung von Maschinen.
Wir haben in einem Leuchtturmprojekt gemeinsam mit der ÖBB-Tochter Rail Cargo Güterwaggons mit Telematik ausgestattet, um jederzeit Daten zu Ladegut, Standort, Streckengefälle und Beschleunigung der Waggons abrufen zu können. Mit dieser Referenz können wir auch in anderen Ländern punkten. Aber Mobility umfasst auch die Elektromobilität auf der Straße. Allerorts werden hier Infrastrukturen aufgebaut, die auch vernetzt werden müssen. Ziel ist, über unsere bereits gute Positionierung in Deutschland und Österreich hinaus in weitere große westeuropäische Länder zu expandieren.
Report:: A1 Digital ist Mitglied der Cloud-Initiative Gaia-X. Was bezwecken Sie mit Ihrer Teilnahme?
Castiglioni: Wir wollen einen guten Beitrag leisten, um das Thema europäische Cloud nach vorne zu bringen. Die Initiative wurde von Deutschland und Frankreich aus gestartet und hat mittlerweile 175 Teilnehmer in ganz Europa – sowohl IT-Infrastrukturprovider als auch Anwenderunternehmen. Wir sind »Day 1 Member«, waren also von Anfang an dabei. Die Idee entstand als Reaktion der europäischen Politik auf die Dominanz von US-Konzernen im Cloud-Infrastrukturgeschäft. Letztlich geht es um »Intellectual Property«: Europäische Unternehmen haben längst realisiert, dass sie ihr Wissen und ihre Daten vor Zugriffen Dritter schützen müssen. Doch ein einzelnes Unternehmen kann hier nie so erfolgreich sein wie mehrere Länder zusammen.
Bei Gaia-X wurden die Kriterien Offenheit, Transparenz, Vertrauen und Interoperabilität für eine länderübergreifende »Federation of Services« festgelegt. Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, sind zertifizierte Anbieter.
Report: Bedeutet das, Daten, Applikationen und Services werden beim jeweiligen Gaia-X-Anbieter laufen und gespeichert sein?
Castiglioni: Das ist richtig. Zusätzlich ergibt sich dadurch eine Gelegenheit für uns, sichtbarer auf europäischer Ebene tätig zu sein. Schon heute ist A1 Digital einer der wenigen österreichischen IT-Infrastrukturprovider, die auf DACH-Ebene agieren. Wir haben nun Techniker in mehrere Arbeitsgruppen bei Gaia-X entsandt, um die Themenfelder Cloud, 5G, Edge-Computing und Security mitzugestalten.
Report: Eine ähnliche Initiative, aber auf lokaler Ebene, gibt es auch mit der Ö-Cloud. Welchen Stellenwert nehmen generell die Themen Datenschutz und Cloud-Services bei Ihren Kunden ein?
Castiglioni: Wir sind natürlich auch bei der Ö-Cloud dabei und wollen auch aktiv dazu beitragen. Inwieweit die beiden Initiativen dann auch technisch zusammenarbeiten werden, ist derzeit aber noch unbestimmt.
Datenschutz ist für viele der Unternehmen ein wichtiger Faktor bei der Wahl ihres IT-Partners. Wir müssen aber auch anerkennen, dass wir in einer Multi-Cloud leben. Die alten Perimeter in der IT-Infrastruktur gibt es nicht mehr. Die Unternehmen setzen auf das Beste aus allen Welten – und das mittlerweile auch in der produzierenden Industrie. Das Produktkonzept »As-a-Service« kommt immer näher. Auch der Betrieb von IT-Infrastruktur wird zunehmend ausgelagert, ebenso Cybersicherheit als »Security-as-a-Service«. Angebote dazu sind im angelsächsischen Raum seit Jahren gang und gäbe. Das kommt jetzt auch im DACH-Raum in Bewegung.
Report: Was sind aktuell typische Technologieprojekte bei produzierenden Unternehmen? Können Sie ein Beispiel nennen?
Castiglioni: Ein attraktives Einsatzgebiet bietet Technologie für das Upselling bei vielen Herstellern: Mit der vernetzten Sensorik an den Geräten kennt ein Maschinenbauer den Zustand seiner Produkte, die er in die ganze Welt exportiert hat. Entweder können daraus neue Services kreiert werden, oder Unternehmen mit lokaler Serviceorganisation können über vorausschauende Wartungslösungen die Auslastung ihrer Techniker optimieren. Hochspezialisierte Fachkräfte werden so besser eingesetzt – sie müssen nicht auf Verdacht um die ganze Welt geschickt werden. Vor einem Jahr war das noch ein rein wirtschaftliches Thema, nun sind mit Corona Faktoren wie persönliche Sicherheit und Reisebeschränkungen hinzugekommen. Hier zeigt sich nun die Notwendigkeit von Modernisierungen der Maschinenparks und Anlagen. Für Unternehmen wäre es sogar fahrlässig, keine Vorkehrungen zu treffen.
Ein weiteres Beispiel betrifft das Thema »Demand Prediction«. Wir helfen mit unseren Machine-Learning-Anwendungen Kunden in der Logistik oder im Retail, die Verfügbarkeit ihrer Produkte zum richtigen Zeitpunkt zu gewährleisten. Wenn ich über Analysen Korrelationen mit Wetterdaten, dem Kalender für Schulferien, und Aktionen anderer Wettbewerber in Modelle einarbeite, kann ich vorhersagen, wie viel Nutella im April 2021 gekauft werden wird. Ein Hersteller kann darauf die Kapazitäten in der Produktion ausrichten, ein Retailer kann seine Bestellungen besser planen. Es ist ein einfaches Beispiel. In die Prognosemodelle lassen sich aber unterschiedlichste Einflussfaktoren einbauen. »CSI Forecast« lässt sich auf viele Branchen umlegen, zum Beispiel, wie sich die Olympischen Spiele in Tokio auf das lokale Energienetz auswirken werden.
Ein anderes Referenzbeispiel ist der ÖAMTC, der seine Einsatzplanung über Machine Learning abwickelt. Wenn es an einem Montagmorgen regnet, kann mit einer professionellen Vorhersage geplant werden, wie viele Leute an der Hotline gebraucht werden. Die Datenanalyse tritt an die Stelle des Bauchgefühls, das früher die Planung zumindest teilweise gesteuert hat.
Report: Lebensmittelhändler verfügen meist über tagesaktuelle Daten, aber wie sieht es in anderen Wirtschaftszweigen aus? Müssen Sie in ihren Projekten hinsichtlich der Datenqualität viel Vorarbeit leisten?
Castiglioni: Hier herrscht sicherlich noch Aufholbedarf. Meist sind die Daten nicht in der erforderlichen Qualität vorhanden. Man sollte sich auch bereits am Anfang im Klaren sein, was man mit Machine-Learning-Projekten erreichen möchte. Meist beginnen wir gemeinsam mit einem Proof-of-Concept, der weiter justiert und verfeinert wird, um schließlich in Produktion zu gehen. Die Unternehmen brauchen auch nicht unbedingt eigene Machine-Learning-Experten – das kann ausgelagert werden. Mittelständische Betriebe bekommen die Data Scientists auch gar nicht am Arbeitsmarkt. Die gute Nachricht: Sie brauchen sie auch nicht. Notwendig ist die Rolle, die Gartner den »Citizen Data Scientist« nennt: einen Business Analyst, wie es ihn in praktisch jedem Unternehmen gibt, der über die wesentlichen Kenntnisse des Geschäfts verfügt.
Report: Sie bieten auch klassische Konnektivitätsservices in der IT an. Mit welchen neuen Themen sollten sich Unternehmen 2021
beschäftigen?
Castiglioni: Ein interessantes Thema, das ich empfehlen kann, ist »Smart VPN«. Im Lockdown waren viele Unternehmensnetzwerke überlastet, da viele aus dem Homeoffice über statische Verbindungen an die Unternehmensnetze angebunden waren. Alle Lasten der verschiedensten Applikationen liefen über ein und demselben Kanal. Mit Smart VPN bieten wir ein intelligentes System, das entscheidet, welche Lasten direkt ans Unternehmensnetzwerk gehen und welche direkt in die Cloud laufen. Das verbessert die Qualität der Services und die Produktivität der Mitarbeiter.
Diese Lösung haben wir bereits im Frühjahr gelauncht, sie kommt sehr gut bei den Unternehmen an. Es ist klar, wir werden nicht wieder alle ins Büro zurückgehen. Die Unternehmen rüsten auf für die Zeit danach – es wird eine hybride Zeit kommen. Unternehmen wollen auch im Homeoffice professioneller aufgestellt sein, da passt unser Smart VPN sehr gut dazu.
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