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Ende ohne Schrecken

Foto: Personalabbau als Prüfstein für  Unternehmen. Foto: Personalabbau als Prüfstein für Unternehmen. Foto: Thinkstock

Trennungsgespräche gehören zu den unangenehmsten Aufgaben im Personalmanagement. Aus menschlichen wie aus wirtschaftlichen Gründen sollten sie respektvoll und professionell geführt werden – nicht zuletzt um verbleibende MitarbeiterInnen im Unternehmen zu halten.

»Auf betriebsbedingte Kündigungen soll verzichtet werden« – so lautet die offizielle Verlautbarung des deutschen Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler, der mitten im größten Konzernumbau der Unternehmensgeschichte steht. Der Konzern will und muss sich für die Veränderungen rüsten, die E-Mobilität und Industrie 4.0 noch mit sich bringen. Vorerst investiert man in die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; ob das reicht, wird sich zeigen.

Nach einer Prognose des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), basierend auf Daten der Autokonzerne BMW, Daimler und Volkswagen sowie deren Zulieferern Bosch, ZF Friedrichshafen, Mahle und Schaeffler, könnten in der Branche bis 2030 rund 75.000 Stellen wegfallen und 25.000 Arbeitsplätze neu entstehen. Diese Berechnungen gehen noch von einem Elektroauto-Anteil von 25 % aus. Um die CO2-Vorgaben der EU einzuhalten, wollen die Hersteller diese Zielmarke jedoch bereits fünf Jahre früher erreichen.

Bei schnellerem Umstieg auf E-Mobilität könnten also bis zu 109.000 – die Hälfte der Beschäftigten – ihre Jobs verlieren. Ein Elektroantrieb besteht nur aus einem Sechstel der Teile eines Benzin- oder Diesel­antriebs. Ein Elektroauto wird in zwei Dritteln der Arbeitszeit hergestellt. Und eine Batteriefabrik benötigt verglichen mit einem Motorenwerk nur ein Fünftel der Arbeitskräfte, abgesehen davon sind die großen Batteriehersteller in Asien angesiedelt. Vorausschauend hat VW bereits einen Pakt zu sozialverträglichem Personalabbau und Umschulung ausgehandelt.

Teure Folgen

Bild oben: Inga Reintjes, Rundstedt: »Großer Leuchtturmeffekt auf die verbleibende Belegschaft.«

In anderen Branchen, z.B. Banken, hinterlässt die Digitalisierung erste Spuren. Studien zu möglichen Zukunftsszenarien kommen zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen: Während die einen massiven Personalabbau prophezeien, sehen andere den Technologiewandel als große Chance für eine Qualifizierungsoffensive. Ganz ohne Verluste wird es nicht gehen. Sämtliche niedrig qualifizierte Arbeitnehmer für anspruchsvollere Tätigkeiten auszubilden, scheint illusorisch und die Zahl dieser Jobs wohl auch begrenzt.

Die derzeit herrschende Konjunkturbelebung und der grassierende Fachkräftemangel mögen noch darüber hinwegtäuschen, aber auf die Personalverantwortlichen in den Unternehmen kommen harte Zeiten zu. Als die Wirtschaftskrise 2010 voll einsetzte und Personalisten statt Einstellungsgespräche zu führen, plötzlich reihenweise Mitarbeiter entlassen mussten, bekam das Berufsbild Personalmanagement erstmals eine negative Schlagseite. Bald könnte es wieder kippen. »Über Jahrzehnte haben viele, vor allem große Unternehmen auch Personen, die nicht die erwartete Leistung erbringen, mitgezogen. Der Wettbewerb wird aber immer schärfer, die Betriebe können sich das nicht mehr leisten«, beobachtet Führungskräfte-Coach Harald Schmid, der viele Jahre als Personalmanager tätig war.

Kündigungen gehören zu den unangenehmsten Aufgaben im Personalmanagement. Für Unternehmen wird der Personalabbau insbesondere in Krisenzeiten zum Prüfstein. Der Blick auf rasche Kostenreduktion ist dabei allzu kurzsichtig: Voreilige, unprofessionell durchgeführte Kündigungen können langwierige arbeitsrechtliche Konflikte nach sich ziehen – ausgelöst durch unbedachte Äußerungen oder unklare Formulierungen. Der Personalchef eröffnet das Gespräch etwa mit dem Satz »Wir müssen über Ihre berufliche Weiterentwicklung sprechen« und der Mitarbeiter glaubt, ihm steht eine Beförderung bevor.

Anna Mertinz, Arbeitsrechtsexpertin bei Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte, rät dazu, etwaige Risiken – besonderer Kündigungsschutz, offene Ansprüche, mögliche Anfechtungsgründe – vorab zu prüfen: »Ist die Kündigung oder Entlassung einmal ausgesprochen, kann sie nicht mehr ohne Weiteres ungeschehen gemacht werden und es dauert oft nicht lange, bis eine Klage ins Haus flattert.« Noch fataler sind jedoch die Irritationen, die Entlassungen bei der verbleibenden Belegschaft auslösen. Die Mitarbeiter beobachten sehr genau, wie sich das Management gegenüber den Gekündigten verhält. Diese sind nicht nur Kollegen, sondern oft langjährige Vertraute oder sogar Freunde.

Neue Arbeitsstrukturen stoßen zunächst auf Widerwillen, das Betriebsklima leidet, die Produktivität ebenso. Im schlimmsten Fall setzt eine Austrittswelle ein: Dem Unternehmen kommen mehr Mitarbeiter abhanden als geplant. »Die Art und Weise, wie Sie einen oder mehrere Mitarbeiter entlassen, hat einen großen Leuchtturmeffekt auf die verbleibende Belegschaft. Durch die Unterstützung des scheidenden Mitarbeiters bei seiner Neuorientierung beweisen Unternehmen, dass sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden und niemanden einfach auf die Straße setzen«, bestätigt Inga Reintjes, Managing Consultant Operations bei der Personalberatung Rundstedt.

Exodus vermeiden

Ein solcher Exodus lässt sich durch faire und respektvolle Trennungsgespräche fast immer vermeiden. Doch während es für andere Aspekte der Leadership unzählige Coachings gibt, fühlen sich Personalverantwortliche in Trennungsprozessen ziemlich allein gelassen. Insbesondere wenn keine beruflichen Verfehlungen des Mitarbeiters vorliegen, sondern die Kündigung aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgt oder eine große Zahl an langjährigen, verdienten Mitarbeitern trifft, ist die psychische Belastung erheblich. Viele Führungskräfte berichten von Schlaflosigkeit, Übelkeit oder Herzbeschwerden vor und manchmal noch lange Zeit nach Kündigungsgesprächen.

Obwohl Kündigungen keine singulären Ereignisse, sondern kontinuierlicher Teil des Management-Alltags sind, wird dieses Thema in der Aus- und Weiterbildung kaum angesprochen. »Bietet man Trennungsmanagement-Seminare unter diesem Titel an, meldet sich fast niemand. Es braucht ein anderes Mäntelchen«, sagt Mediator und Coach Harald Schmid. »Wenn ich zu Konfliktmoderationen gerufen werde, ist es meist nicht fünf vor zwölf, sondern viertel eins. Man hat jahrelang zugesehen und geht dann von einem Extrem ins andere. Die Chancen dazwischen lässt man liegen.«
In Unternehmen mit flachen Hierarchien tritt in diesen Momenten das versteckte Machtgefüge zutage: Das Management sitzt am längeren Ast und entscheidet letztlich, wer geht.

»Emotionen werden in der täglichen Führungsarbeit oftmals ausgeblendet und in einer Trennungssituation stehen sie – völlig unerwartet – im Vordergrund, weit über das eigentliche Trennungsgespräch hinaus«, erklärt Bernd Fricke, Principal Executive NewPlacement bei Kienbaum Consultants. »Aus der Perspektive des betroffenen Mitarbeiters ist eine Kündigung eine Extremsituation. Damit die Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags für ihn nicht einem Sprung ins kalte Wasser gleich kommt, gilt es elementare Fragen zu klären.«

Trennungsmanagement umfasst deshalb nicht nur das Trennungsgespräch, sondern eine angemessene Abfindung, eine New-Placement-Beratung und eine zeitnahe Einigung über das Ausscheiden. Arbeitsrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Fragen, die Rückgabe des Firmenhandys oder Laptops sowie eine transparente Darlegung ausstehender Zahlungen stehen zunächst im Vordergrund, schließlich wird eine Kündigung zu Recht als existenzbedrohende Situation empfunden. Lösungsansätze für die weitere berufliche Zukunft, mögliche Perspektiven und ein Evaluieren der persönlichen Stärken rücken meist erst in den Fokus, wenn der erste Schock überwunden ist.

Hart, aber fair

Bild oben: Rechtsanwältin Anna Mertinz: »Einmal ausgesprochen, kann die Kündigung nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden.«

Eine wertschätzende Vorgangsweise ist auch hinsichtlich des Employer Brandings zu empfehlen.

Ehemalige Mitarbeiter sind weiterhin potenzielle Kunden, vielleicht später Entscheidungsträger bei Geschäftspartnern, ganz sicher aber Meinungsbildner in der Öffentlichkeit. Berichte über unsensible oder unfaire Praktiken können ebenso wie negative Bewertungen auf diversen Plattformen das Image des Unternehmens gehörig trüben.

Laurenz Andrzejewski, Autor des bereits in der vierten Auflage vorliegenden Bestsellers »Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung«, resümiert: »In 25 Jahren Beratung bin ich zu der Überzeugung gelangt: Nur wenn Trennungen human und fair ablaufen, sind sie im betriebswirtschaftlichen Sinn ökonomisch. Unternehmer sollten sehr darauf bedacht sein, dass sie sich nicht durch Unbedachtheit gegenüber den Gehenden die Bleibenden und Leistungsträger vergraulen. Denn mit diesen müssen sie die Erfolge der Zukunft generieren.«

In der Kienbaum-Studie »Trennungsmanagement 4.0«, für die 450 Führungskräfte, Personalleiter und Geschäftsführer in Deutschland befragt wurden, stimmten acht von zehn Unternehmen der Aussage zu, dass professionelles Trennungsmanagement positiven Einfluss auf das Engagement und die Motivation der verbleibenden Mitarbeiter hat. Umso mehr überrascht es, dass 70 % der Studienteilnehmer angaben, ihr Unternehmen verfüge über keine Trennungskultur. Während eine Rekrutierungsstrategie in fast der Hälfte der Unternehmen klar definiert ist, kennen bezüglich Kündigungen nur 21 % der Befragten einheitliche Vorgaben und ein gemeinsames Werteverständnis.

Sogenannte »Soft Facts« wie Wertschätzung, klare Kommunikation, Ehrlichkeit und Offenheit stehen in der Liste der wichtigsten Faktoren ganz oben, auch »ein gut geführtes Trennungsgespräch« wurde häufig genannt.

Interessantes Detail: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen und faire vertragliche Regelungen, die in der Praxis meist im Mittelpunkt stehen, landeten in der Befragung durchwegs außerhalb der Top 10. Ein klares Indiz, dass es bei Kündigungen um weit mehr als um Fristen oder Geld geht.Eine Trennung ist ein schmerzhafter Schnitt, der aber rascher verheilt, wenn er ohne Umschweife und konsequent erfolgt. Beide Seiten sollten sich danach noch in die Augen sehen können. 


Do's & Don'ts: Sätze, die Sie in Kündigungsgesprächen (nicht) sagen sollten

Dont:

- »Na, wie läuft’s denn so bei Ihnen?«
- »Wir müssen über Ihre weitere Entwicklung sprechen.«
- »Ich weiß, wie es Ihnen jetzt geht.«
- »Nehmen Sie es nicht so schwer.«
- »Sie sind ja noch jung.«
- »Anderen geht es noch viel schlechter.«
- »Mit Ihnen kann man jetzt nicht reden.«
- »Sie finden ganz sicher bald einen neuen Job.«

Do:

+ »Danke für Ihr Kommen. Ich habe heute ein ernstes Anliegen.«
+ »Ich habe keine gute Nachricht. Ich muss Ihnen leider die Kündigung aussprechen.«
+ »Da es in der neuen Struktur keine Funktion mehr für Sie gibt, habe ich entschieden, mich von Ihnen zu trennen.«
+ »Ich bedaure, dass es so weit gekommen ist.«
+ »Ich verstehe, dass das aus Ihrer Sicht so wirkt.«
+ »Wir besprechen die weiteren Details am TT/MM.«


Glossar: 6 Schritte

1. Entscheiden:
- Ausgangssituation analysieren
- Alternativen prüfen
- Entscheidung fixieren

2. Vorbereiten:
- Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen klären
- Umsetzungs- und Kommunika-tionsstrategie festlegen
- Betriebsrat informieren und
Sozialplan vereinbaren

3. Gespräch führen:
- Kündigung aussprechen
- Lösung anbieten
- Nächste Schritte vereinbaren

4. Informieren:
- Info an Team/Unternehmen
- Neue Aufgabenverteilung klären
- Nachfolgeplanung thematisieren

5. Konkretisieren:
- Know-how-Transfer sichern
- Resturlaub klären
- Info über Entgeltansprüche

6. Stabilisieren:
- Neue Mitarbeiter eingliedern
- Neue Strukturen umsetzen

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