Klimaretter Gebäude?
- Written by Karin Legat
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Dem Gebäudebereich kommt für die Erreichung der energie- und klimapolitischen Zielsetzungen eine zentrale Rolle zu. Entscheidend ist der Bestand an wohnungswirtschaftlichen Liegenschaften.
Zahlen zu den Treibhausgas-Emissionen in Österreich im Jahr 2017 liegen noch nicht vor. Diese können erst mit Vorliegen der Energiebilanz der Statistik Austria Ende 2018 durch das Umweltbundesamt Anfang 2019 veröffentlicht werden. 2016 wurden 79,7 Mio. Tonnen Kohlendioxid emittiert, ein Plus von 1 % gegenüber 2015. Eine deutliche Abnahme der Emissionen ist nicht zu erwarten, denn den zahlreichen Ideen und Vorschlägen hin zu klimaneutralem Wirtschaften und Leben folgen bislang zu wenige Taten. Das Klimaschutz-Abkommen von Paris besagt, dass die Erwärmung global deutlich unter zwei Grad begrenzt werden soll, die Emissionen müssen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 reduziert werden.
»Bis Mitte des Jahrhunderts müssen wir weitgehend ohne fossile Energie auskommen«, betont Jürgen Schneider, Klimaexperte im Umweltbundesamt. In welchen Sektoren diese Reduktionen erfolgen, gibt Paris nicht vor.Die größten Verursacher der THG-Emissionen sind Energie und Industrie, Verkehr, Landwirtschaft sowie Gebäude. Letztere leisteten durch Maßnahmen im Bereich der thermischen Sanierung, den steigenden Einsatz erneuerbarer Energieträger, die Erneuerung von Heizungsanlagen und den verstärkten Fernwärmebezug bisher einen maßgeblichen Beitrag zur Emissionsreduktion in Österreich – trotz steigender Anzahl privater Haushalte und einer Zunahme der genutzten Wohnfläche pro Kopf.
Seit 2003 wies der Gebäudebereich einen rückläufigen Trend bei seinen Treibhausgasemissionen auf, vor allem der Wohnbereich spielte eine große Rolle. Mehr Energie wird im Gebäudebereich zunehmend für die Raumkühlung eingesetzt. »Der Energieaufwand für das Kühlen überschreitet schon mancherorts jenen der Beheizung«, bedauert Wolfgang Folie, Fachverkaufsleiter Capatect. Für die ExpertInnen des Umweltbundesamtes bedeutet diese Trendumkehr ein deutliches Signal, verstärkt Anreize und strukturelle Maßnahmen im Mobilitäts- und im Gebäudesektor zu setzen, die nachhaltige Effekte nach sich ziehen. »Die Zukunft liegt dennoch im Dämmen«, betont Andreas Reiter, Leiter Technisches Büro der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energien NÖ-Wien.
Gebäude als Klimaschützer sieht auch Christian Heschl, Studiengangsleiter Gebäudetechnik + Gebäudemanagement an der FH Burgenland. »Wir brauchen angesichts zunehmend regenerativer Energiequellen Speichertechnologien.« Franziska Trebut, Expertin für Energie und innovatives Bauen bei der ÖGUT, ergänzt, dass Gebäude und Siedlungen künftig auch als Energiespeicher für Energieüberschüsse und vermehrt als Energielieferanten fungieren. Integrierte Gebäudeplanung wird es erleichtern, energieeffiziente Gebäude mit Wärme aus erneuerbaren Energien oder Abwärme hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung wirtschaftlich zu versorgen.
Gebäudespeicher
»Aus fachlicher, wissenschaftlicher und technischer Sicht ist der Gebäudesektor jener Bereich, der schon heute vollständig durch erneuerbare Energie versorgt werden kann. Raumwärme und Warmwasser sowie Raumkühlung sind die Hauptenergieverbraucher, die zu Marktpreisen ohne fossile Energie erzeugt werden können«, stellt Jürgen Schneider fest Größer sei der Energieverbrauch im Bestand. Da muss die Sanierungsqualität gesteigert werden und die Sanierungsrate zunehmen. Franziska Trebut teilt seine Meinung, dass der Gebäudesektor im Vergleich zu anderen Sektoren gut dekarbonisiert werden und bei Warmwasser, Heizung sowie auch bei Betriebsstrom CO2-neutral werden kann. Es braucht eine Wärmewende, vor allem im Bestand, und natürlich mehr Energieeffizienz durch eine sehr gute Gebäudehülle. Positiver Effekt: Energieeinsparung und Emissionsreduktion gehen mit hoher lokaler Wertschöpfung einher.
Bild »Gebäude und Siedlungen fungieren künftig auch als Energiespeicher für Energieüberschüsse und vermehrt als Energielieferanten«, blickt Franziska Trebut, Expertin für Energie und innovatives Bauen bei der ÖGUT, voraus.
Mittelfristig befürwortet Trebut auch eine Sanierungsverpflichtung. Der Zustand aller Gebäude solle in einer Datenbank erfasst und sinnvolle Sanierungsschritte festgelegt werden. Bereits jetzt wären bei einer umfassenden Sanierung gemäß Bauordnung schon Standards verpflichtend, die aber nicht durchgängig durchgeführt und kontrolliert werden. Das betrifft Fassade, Fenster, oberste Geschoßdecke, Dach und Kellerdecke. In Deutschland gebe es entsprechende Regelungen für Dach und Heizkessel, die aber kaum sanktioniert werden: »Kritiker sagen, man greife stark in Eigentumsrechte ein.«
EU-Gebäudestatus
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Energie Effizienz Radar Jänner 2018
Im Rahmen des Energie Effizienz Radar des Energieinstituts der Wirtschaft wurden Wohnbauträger gefragt, welche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz am häufigsten umgesetzt werden. Spitzenreiter sind Maßnahmen zur Verbesserung der Mess-, Steuerungs-und Regeltechnik sowie die Implementierung von Thermostatventilen, gefolgt vom Heizkesseltausch und der Isolierung der obersten Geschoßdecke. Von den Wohnbauträgern werden nur selten aufwendige Maßnahmen wie Fenstertausch oder Fassadendämmung getätigt. Deshalb braucht es verstärkt Anreize und strukturelle Maßnahmen, die nachhaltige Effekte nach sich ziehen. Im Bereich des Wohnbaus können Umschichtungen von Mitteln der Wohnbauförderung, zusätzliche Unterstützungen zur derzeitigen Wohnbauförderung, steuerliche Absetzbeträge bei den Dienstleistungsgebäuden, eine Aufstockung der Umweltförderung im Inland und steuerliche Absetz- oder Freibeträge die Sanierung des Gebäudebestandes vorantreiben. Andreas Reiter, AEE, warnt vor einer Trendumkehr im Dämmen.
»Es geht massiv zurück zu fehlerhaft gedämmten Häusern, fehlenden effizienten Lüftungsanlagen, nicht konsequent dicht eingebauten Fenstern und missachteten Wärmebrücken. Viel zu gering ist die Realisierungsquote von Passivhäusern, obwohl diese Bauart längst standardisiert ist«, so Reiter und verweist auf den Wegfall der Passivhausschulung in der Baumeisterausbildung seit Jahresbeginn. Jedoch besagt die EU-Richtlinie 2010/31/EU zur Energieeffizienz von Gebäuden, dass bis 2020 alle neuen Gebäude und alle großen Renovierungen den Anspruch an ein Niedrigstenergiegebäude erfüllen müssen – das sogenannte NearlyZeroEnergy Building.
Österreich im internationalen Vergleich
»Österreich hat von 1990 bis heute seine CO2-Emissionen de facto nicht reduzieren können und bildet innerhalb der EU eher ein Schlusslicht. Vor allem durch den Sektor Verkehr ist Österreich weit entfernt von den angestrebten Reduktionszielen. Im Gebäudesektor halten wir uns ganz gut, haben aber noch viel Potenzial«, erklärt Franziska Trebut, Expertin für Energie und innovatives Bauen bei der ÖGUT, und verweist auf den Anstieg in den letzten Jahren. Laut Österreichischer Energieagentur hat Österreich bereits zahlreiche Anstrengungen in Richtung Energieeffizienz im Gebäudesektor unternommen und verfolgt weiterhin ambitionierte Ziele. Richtungsweisend sind die OIB-Richtlinie 6 sowie der nationale Plan zur Definition des Niedrigstenergiegebäudes und zur Festlegung von Zwischenzielen. Diese Richtlinien geben den Rahmen vor, um den Energiebedarf von Gebäuden weiterhin zu reduzieren und den Einsatz von hocheffizienten alternativen Systemen zu erhöhen.
Pariser Abkommen
Das 2016 in Kraft getretene Pariser Klima-Übereinkommen als Nachfolger des Kyoto-Protokolls zielt darauf ab, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C, wenn möglich unter 1,5 °C, über dem vorindustriellen Niveau zu halten. Bisherige nationale Maßnahmen reichen nicht aus, um die Klimaziele zu realisieren. Selbst bei Einhaltung aller bereits vorgelegten Klimaschutzziele wird sich die Erdtemperatur laut UN-Umweltprogramm um mindestens 3 °C im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erhöhen. Ab 2020 sollen die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Umbau der Energieversorgung sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Schäden besonders für finanzschwache Länder bereitstellen. 194 Vertragsparteien haben das Abkommen unterzeichnet, 148 Staaten ratifiziert.