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Die große Umfrage: Mobilität der Zukunft

Die große Umfrage: Mobilität der Zukunft Foto: Thinkstock

Alternative Antriebe, vernetzte Systeme und autonome Fahrzeuge stellen die gesamte Automobilbranche auf den Kopf. Doch technologische Innovationen erfordern auch neue Mobilitätskonzepte. Metropolen wie Paris oder London sagen dem Individualverkehr bereits den Kampf an. Wie werden wir uns in Zukunft fortbewegen? Report(+)PLUS  hat drei ExpertInnen um eine Einschätzung gebeten.

1.Wie sind die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen mit städtischer Infrastruktur in Einklang zu bringen?

Ronald Chodász, Geschäftsführer des Verbands der Bahnindustrie:

Der Trend zum Leben in urbanen Ballungsräumen bedingt intelligente Raumordnung mit integrierter Verkehrsplanung. Die Illusion der »autogerechten Stadt« aus den 1950er- und 1960er-Jahren hat sich schon lange überlebt. Der Schienenverkehr ist in vielen Bereichen des Verkehrs der Problemlöser schlechthin. Das gilt sowohl im Verkehr zwischen den Wirtschafts- und Ballungszentren als auch insbesondere im Personennahverkehr in den Städten und deren Umland. Nachhaltige Investitionen in platzsparende elektrisch betriebene Schienenverkehrssysteme sind daher vordringlich.

Ulla Rasmussen, Verkehrsclub Österreich:

Mit der Urbanisierung steigt der Bedarf an Wohnraum und für Erholungsflächen. Derzeit verbraucht der Verkehr viel Platz. Urbane Mobilität der Zukunft ist emissionsfrei und auch platzsparend. Eine Straßenbahn beispielsweise bringt mit einer einzigen Fahrt im Frühverkehr rund 150 Personen ans Ziel. Beim aktuellen Besetzungsgrad brauchen 150 Personen rund 130 Pkw. Auch der Radverkehr ist sehr platzeffizient. Um die Mobilität zu verbessern, braucht es ein dichteres Öffi-Netz und den Ausbau der Radinfrastruktur.

Gerald Babel-Sutter, Gründer und CEO der Urban Future Global Conference:

Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis und unumgänglich, damit Ballungszentren funktionieren. Aus meiner Sicht ist es eine zentrale Aufgabe der Politik, dieses Mobilitätsbedürfnis und maximale Lebensqualität unter einen Hut zu bekommen. Das Auto wird dabei aber dramatisch an Bedeutung verlieren – müssen. Städte und Bürger ächzen unter den Staus und der enormen Luftverschmutzung. Es gibt einen klaren Trend weg vom Auto, hin zu sicheren Fuß- und Radwegen, schnellen und günstigen öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Bike- und Car-Sharing-Systemen.


2. Welche Alternativen müssen für den Individualverkehr entwickelt werden?

Ronald Chodász:

Die in Österreich überaus aktive, innovative und exportorientierte Bahnindus­trie setzt auf einen optimal ausgebauten öffentlichen Verkehr, der alle Verkehrsträger untereinander vernetzt. Die wesentlichen Schlagadern sollen dabei konsequent durch Schienenverkehrssysteme (U-, Stadt-, Schnell- und Straßenbahnen) gebildet werden. Mit intelligenten Lösungen, die auch die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik intensiv nutzen, wird es gelingen, den Marktanteil des öffentlichen Verkehrs im Sinne der Lebensqualität weiter zu steigern.

Ulla Rasmussen:



Aus Sicht des VCÖ sind die Autoabhängigkeit zu reduzieren, die Freiheit in der Verkehrsmittelwahl zu erhöhen und die multimodalen Mobilitätsangebote auszubauen. Dazu gehörten Bike- und Carsharing bei Wohnhausanlagen und an Bahnhöfen, die mit dem städtischen öffentlichen Verkehr sowie mit Fahrrad und zu Fuß gut erreichbar sein müssen. Die energieeffizienteste Form des Individualverkehrs sind Radfahren und Gehen. Der Ausbau von Schnellradwegen ermöglicht es, das Potenzial von E-Fahrrädern auszuschöpfen.

Gerald Babel-Sutter:

Seit Jahrzehnten wurden Städte um das Auto herum geplant und entwickelt. Heute haben wir erkannt, dass das eine Sackgasse ist. Die klare Botschaft städtischer Entscheider lautet: So geht es nicht weiter! Metropolen wie London, Paris, Oslo oder Madrid sagen nicht nur dem Stau, sondern vor allem dem massiven Problem der gesundheitsgefährdenden Luftverschmutzung den Kampf an. Einerseits säubern sie bestehenden Verkehr, z.B. durch Elektromobilität. Andererseits setzen sie gezielt Maßnahmen, um den Individualverkehr deutlich zu reduzieren. Gelingen kann dies nur durch Ausbau der Fahrradinfrastruktur, Investitionen in Öffis und Erweiterung der Car-Sharing-Angebote (ein Car-Sharing-Auto ersetzt fünf bis neun reguläre Pkw).


3.  Welches Potenzial haben selbstfahrende Autos?

Ronald Chodász:

Autonom fahrende Kraftfahrzeuge – idealerweise in Verbindung mit elektrischem Antrieb – werden sich nach Klärung noch offener rechtlicher Fragen mittelfris­tig durchsetzen. Verkehrsstaus und Parkplatznot sind aber damit nicht gelöst. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass der spurgeführte Schienenverkehr, neben dem Einsatz umweltfreundlicher elektrischer Energie, auch hinsichtlich des automationsunterstützten oder auch des autonomen Fahrens längst eine Vorreiterrolle einnimmt.

Ulla Rasmussen:

Selbstfahrende Autos haben sich in das gesamte urbane Verkehrssystem einzugliedern. Als Sharing-Angebot und elektrisch angetrieben tragen sie zur Verringerung der Verkehrsprobleme bei und erhöhen die Verkehrssicherheit. Wenn jedoch selbstfahrende Autos nur den Besitzer bzw. die Besitzerin zur Arbeit bringen und dann leer wieder nach Hause in die Garage fahren, dann sinkt der Pkw-Besetzungsgrad auf unter eins. Mehr Staus und verstopfte Straßen wären die Folge.

Gerald Babel-Sutter:

Ich sehe das größte Potenzial selbstfahrender Autos nicht darin, dass sie selbst fahren – und dann selbstfahrend im Stau stecken –, sondern in der damit einhergehenden Entkoppelung von Mobilität und Eigentum. Wenn wir Autos nicht besitzen, sondern nur noch dann nutzen, wenn wir sie auch wirklich benötigen (derzeit für ca. 34 km pro Tag), wird das die Anzahl der Fahrzeuge in Städten massiv reduzieren. Die so frei werdende Fläche kann sicherlich besser genutzt werden. Erstmals in der Geschichte haben Autos dann die Möglichkeit, FAHRzeuge und nicht mehr wie bislang STEHzeuge zu sein.

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