"Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser"
- Written by Redaktion
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Hochkarätig besetztes Symposium zum Thema „Ist die Welt außer Kontrolle?“ in Gmunden, veranstaltet vom oberösterreichischen Thinktank Academia Superior.
„Je größer die Umbrüche, desto größer auch die Unsicherheit. Daher ist es auch kein Wunder, dass angesichts jüngster Entwicklungen wie Terroranschläge in Europa, dem Brexit, der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, Fake News usw. viele Menschen das Gefühl bekommen, unsere Welt drohe außer Kontrolle zu geraten“, betonte Landesrat Michael Strugl in seiner Funktion als Obmann von Academia Superior – Gesellschaft für Zukunftsforschung gestern Abend im Toscana Congress in Gmunden. Im Rahmen der Abendveranstaltung zum diesjährigen Academia-Superior-Symposium haben neben Landesrat Strugl vor mehr als 700 Besucherinnen und Besucher zum Thema „Ist die Welt außer Kontrolle?“ referiert und diskutiert: Markus Hengstschläger, Wissenschaftlicher Leiter von Academia Superior, der Journalist und Buchautor Paul Lendvai, der ehemalige Chefredakteur und Herausgeber der deutschen Bild-Zeitung, Kai Diekmann, der ehemaligen Berater von Margaret Thatcher, Vice-Chairman von Goldman Sachs und Brexit-Befürworter Lord Brain Griffiths, die internationale Kriegs- und Krisenfotografin Andrea Bruce und der ehemalige Herausgeber der Harvard Business Review, Alan Webber.
„Die Politik muss die Ängste der Menschen ernst nehmen, jedoch nicht dadurch, dass sie sie weiter schürt“, stellte Landesrat Strugl klar. Es gebe in der Bevölkerung angesichts der aktuellen Entwicklungen den Ruf nach mehr Sicherheit und mehr Kontrolle, anderseits verstärke sich aber auch der Eindruck, das Maß an Kontrolle drohe selbst außer Kontrolle zu geraten. „Wenn man dem Satz ‚Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser’ folgt, dann verlieren wir auch die Möglichkeit zur Eigenverantwortung und zur Innovation, was sicher nicht erstrebenswert ist. Daher sollten wir vielmehr unter dem Motto ‚Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser‘ einen allgemeinen Grundkonsens anstreben, der auf Vertrauen basiert“, unterstrich der Obmann von Academia Superior. Seine Schlussfolgerung: „Die Welt ist nicht außer Kontrolle, wir müssen sie nur gestalten. Das ist eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen und Academia Superior will einen Beitrag dazu leisten“, so Landesrat Strugl.
Einen Beitrag dazu, die Entwicklungen weltweit auch jenen Menschen näherzubringen, die nicht davon betroffen sind, leistet die aus den USA stammende Krisen- und Kriegsfotografin Andrea Bruce: „Ich möchte den Blick auch jene Dinge lenken, vor denen viele lieber die Augen verschließen würden. Aber wir können uns nicht vor allem abschotten, denn alles, was auf der Welt passiert, kann letztlich auch uns betreffen und uns erreichen“, so Bruce.
Kai Diekmann beleuchtete die Thematik aus der Sicht der Medien und verwies darauf, dass vor allem für junge Menschen das Smartphone eine „Fernbedienung für das Leben“ sei und die digitale Welt mittlerweile realer ist als die wirkliche. Die klassischen Medien hätten ihr Informationsmonopol verloren, denn mittlerweile würden nicht mehr sie bestimmen, welche Informationen den Menschen vermittelt werden, sondern im Rahmen der digitalen Medien ein Algorithmus, der jedoch nur möglichst gefällige Inhalte für die jeweilige Nutzer suche. Daher müsse man sich fragen, welche Auswirkungen dieses völlig geänderte Nutzungsverhalten für unsere Gesellschaft bedeute: „Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, der wissen will, was die anderen erleben, denken und fühlen. Aber wie soll künftig eine Diskussion über gemeinsame Themen entstehen, wenn es diese gemeinsamen Themen nicht mehr gibt, weil jeder nur noch Informationen erhält, die ganz auf ihn persönlich zugeschnitten sind“, erklärte Diekmann. Und angesichts der „Macht des Algorithmus“ müsse man sich fragen, wer kontrolliert Facebook, wer kontrolliert die sozialen Medien, so Diekmann.
Über den Brexit und die US-Präsidentschaftswahl diskutierten Lord Brian Griffiths aus Großbritannien und Alan Webber aus dem USA: „Der Brexit bedeutet nicht, dass sich Großbritannien aus Europa verabschiedet hat. Wir haben uns nur von Brüssel verabschiedet. Wir wollten unsere Selbstbestimmung wiedererlangen, etwa in Migrations- oder in Handelsfragen“, betonte Lord Griffiths als “Brexit-Befürworter“. Alan Webber als ehemaliger Gouverneurs-Kandidat der demokratischen Partei in New Mexico erklärte, Barack Obama habe Hoffnung durch Veränderung vermitteln wollen, während Donald Trump Ängste vor der Veränderung geschürt habe. „Donald Trump hat vor allem jenen, die das Gefühl haben, auf der Strecke geblieben zu sein, vermittelt, Eure Ängste sind berechtigt und es gibt viele Gründe für Euch, Angst zu haben. Damit hat er die USA tief gespalten“, so Webber.
„Die Welt ist nicht unsicherer geworden, wir bekommen nur viel mehr Ereignisse viel schneller und direkter vermittelt. Außerdem vergessen die Menschen zu rasch, dass erst in den vergangenen 70 Jahren in Europa durchgehend Frieden geherrscht hat“, erklärte Paul Lendvai im Gespräch mit Markus Hengstschläger. Lendvai warnte eindringlich vor dem „Nationalismus als gefährlichste Infektionskrankheit“ für Europa: „Es ist die wichtigste Aufgabe in der EU, den wieder aufkeimenden Nationalismus zu bekämpfen. Das ist eine Herausforderung, die die Politik, aber auch die Medien und das Bildungswesen gemeinsam bewältigen müssen“, appellierte Lendvai.