Mut zu neuen Bildern
- Written by Redaktion
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Im Interview mit Report(+)PLUS spricht Axel Dick, Leiter Business Development Umwelt und Energie bei Quality Austria, über die Rolle von Leadership und Kontext- und Gap-Analysen im Qualitätsmanagement, wichtige Meilensteine im Energie- und Umweltbereich für die österreich-ische Wirtschaft und die Auswirkungen der Revision der ISO 9001.
(+) plus: Als der VW-Skandal publik wurde, machten sich in Deutschland nicht wenige Sorgen, dass der Ruf der deutschen Ingenieurkunst als Gesamtes Schaden nehmen könnte. Welche Auswirkungen hat ein derartiger Skandal auf ein vermeintliches Gütesiegel wie »Made in Germany«?
Axel Dick: In Deutschland gab es in den letzten Jahren eine intensive Leitbilddiskussion zur Stärkung der Positionierung »Made in Germany«. Vor allem in den ersten Wochen nach Publikwerden des Skandals war die Angst groß, dass langfristig etwas hängen bleiben könnte. Zumal ja gleichzeitig auch die Deutsche Bank stark in die Kritik geraten war. Insofern ist das Flaggschiff »Made in Germany« schon stark ins Schlingern geraten. Man sollte die Auswirkungen aber nicht überschätzen.
Schon alleine deswegen, weil das Thema medial aktuell von der Flüchtlingskrise deutlich überlagert wird. In Österreich etwa sind die Absatzzahlen von VW stabil. Schwerer als die Strafzahlungen wirken sicher die Rückhol- und Austauschaktionen. Das bindet derartig viele Ressourcen, dass neue Aktivitäten und Investitionen, etwa in Forschung und Entwicklung, nicht gesetzt werden können. Das wird sich langfristig auch auf die Qualität schlagen. Ich möchte aber festhalten, dass ich in dieser Diskussion nur interessierter Zaungast bin.
(+) plus: In Österreich sind Sie in Sachen Qualität mehr als nur Zaungast. Wie ist es denn um das Qualitätsbewusstsein der heimischen Unternehmen und Konsumenten bestellt?
Dick: Qualität bedeutet, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Insofern ist der Qualitätsbegriff relativ.
Als kleine Volkswirtschaft sind wir aber auf jeden Fall gut beraten, auf Innovation und Qualität von Produkten und Services zu setzen. Deshalb adressiert die Revision der ISO 9001 auch Produkte und Dienstleistungen gleichermaßen. Damit muss sich auch der Dienstleistungssektor die Frage stellen, was die Qualität der eigenen Leistung auszeichnet.
(+) plus: Was sind die größten Herausforderungen für Dienstleistungsunternehmen?
Dick: Man muss immer wissen, woher man kommt, um ein Gefühl dafür entwickeln zu können, wohin man will. Aus der Historie betrachtet war das Thema des Qualitätsmanagements sicher ein Industriethema. Deshalb zielte die Norm auch ganz stark auf die Produktion von Gütern ab. Mit der großen Revision 2015 ändert sich das. Produzenten und Dienstleister finden sich jetzt gleichermaßen wieder. Innerhalb der Dienstleister muss man natürlich stark differenzieren. Ein Gesundheitsbetrieb hat andere Anforderungen und Bedürfnisse als ein Tourismusbetrieb oder Banken und Versicherungen.
(+) plus: Spürt man schon eine verstärkte Nachfrage?
Dick: Wir haben schon in den letzten Jahren festgestellt, dass sich vor allem Unternehmen aus der Erwachsenenbildung und dem Gesundheitswesen mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Ganz einfach, weil sie es mussten. So beschäftigen sich etwa viele Apotheken mit dem Thema ISO 9001. Aber auch die erste PR-Agentur hat sich bereits nach ISO zertifizieren lassen. Man sieht, dass sich immer mehr Dienstleister aus den verschiedensten Bereichen mit dem Thema beschäftigen und die Frage stellen, wie man Abläufe optimieren und nachhaltige Strukturen schaffen kann. Und viele stellen sich auch die Frage:
Wie kann ich den Wandel, den wir alle durchlaufen, besser managen? Gerade bei diesen Fragen des Change Managements hilft die ISO 9001 enorm. Die größte Herausforderung für die Unternehmen liegt sicher im Leadership. Die Rolle der Führung wird viel stärker eingefordert. Qualität wird damit Chefsache und kann nicht mehr delegiert werden. Zudem fordert die Norm eine Kontextanalyse. Das bedeutet, das externe Umfeld einer Organisation, vom Markt über Mitbewerber bis zu gesellschaftlichen und rechtlichen Entwicklungen, ganz systematisch unter die Lupe zu nehmen. Daraus kann man dann Risiken und Chancen ableiten.
"Die größte Gefahr ist, dass die im Zuge des Energie-effizienzgesetzes gewonnenen Ergebnisse der Energieaudits irgendwo in der Schublade verschwinden. Es wäre schade, wenn man die möglichen Einsparungen nicht auch realisiert." |
(+) plus: Sind die Dienstleistungsunternehmen auch bereit, diesen Schritt zu setzen?
Dick: Ich denke schon. Denn vieles von dem, was in der Norm gefordert wird, ist ja in den Unternehmen vorhanden. Es geht um eine Systematisierung, um eine Bewusstmachung. Wie ist die Ist-Situation und worüber haben wir vielleicht noch nicht nachgedacht, was aber in Zukunft wichtig werden könnte? Es geht um eine Gap-Analyse. Ich muss mir Gedanken über das Marktumfeld und die Vorstellung der Kunden machen. Zudem wurde der prozessorientierte Ansatz noch einmal gestärkt. Die Norm hat an Klarheit und Verständlichkeit gewonnen.
(+) plus: Umwelt und Energie zählen zu den ganz großen Themen. Welche Auswirkungen wird das Pariser Klimaschutzabkommen haben? Wird sich die Art des Wirtschaftens verändern?
Dick: Es gibt im Moment mehrere Meilensteine. Ich freue mich über Paris, weil es jetzt ein konkretes Ergebnis gibt und allen bewusst zu sein scheint, dass wir vor sehr großen Veränderungen stehen. Durch das Abkommen von Paris hat sich Österreich auch dazu verpflichtet, eine entsprechende Klima- und Energiestrategie auszuarbeiten. Langfristig gibt es die europäische Roadmap, die eine Decarbonisierung der europäischen Wirtschaft um bis zu 80 Prozent bis 2050 vorsieht.
Ein wichtiger Schritt ist aber auch das Energieeffizienzgesetz, das seit Anfang 2015 in Kraft ist. Da haben die Unternehmen bis November große Anstrengungen unternommen, um den Vorgaben des Gesetzes zu genügen. Viele Unternehmen, die anfangs noch geklagt haben, sehen jetzt die Chance auf Einsparungspotenziale. Ich weiß von vielen Beratern, die 100 bis 150 Kunden heuer begleitet haben, dass wir von Einsparungen im Bereich von Gigawattstunden reden. Das sind keine Peanuts mehr und das bringt direkt Bares. Denn eine Energiekostenreduktion schlägt sich unmittelbar in der Gewinn- und Verlust-Rechnung nieder.
(+) plus: Hat sich die Aufregung um das Energieeffizienzgesetz aus Ihrer Sicht gelegt?
Dick: Ja, ich denke schon. Es ist verhältnismäßig ruhig geworden. Natürlich herrschte lange eine gewisse Rechtsunsicherheit, weil die Unternehmen lange auf die Richtlinienverordnung warten mussten. Aber das ist jetzt auch ausgestanden. Jetzt sind die Energieversorger am Zug, die ihre Meldungen an die Monitoringstelle machen müssen.
(+) plus: Welche Empfehlungen haben Sie für die Unternehmen?
Dick: Wir sind überzeugt, dass speziell große Unternehmen ab 250 Mitarbeitern, die bislang nur ein externes Energieaudit gemacht haben, gut beraten wären, die Potenziale, die in den Energieaudits aufgezeigt wurden, in ein Energiemanagementsystem zu überführen. Das heißt, Ziele und Maßnahmen zu definieren, Zeit- und Investitionspläne zu erstellen und die Kompetenzen zu erweitern. Viele Unternehmen sind dazu auch bereit.
Viele Kunden haben auch aus einer gewissen Ressourcenknappheit heraus entschieden, erstmals ein Energieaudit zu machen, um die Einsparpotenziale zu erkennen. In einem zweiten Schritt wollen sie jetzt in Richtung Umwelt- oder Energiezertifizierung gehen und das dann ins Management integrieren. Die größte Gefahr ist, dass die Ergebnisse der Energieaudits irgendwo in der Schublade verschwinden. Es wäre schade, wenn man die möglichen Einsparungen nicht auch realisiert. Das Energieaudit ist nur der erste Schritt. Wer die Früchte ernten will, muss den nächsten Schritt machen.
(+) plus: Mit welchen Erwartungen geht die Quality Austria in das neue Jahr?
Dick: Wir hatten ein wirklich sehr gutes Jahr 2015, das stärkste in der Geschichte des Unternehmens. Deshalb gehen wir auch mit einer sehr positiven Grundstimmung ins neue Jahr, in dem wir auch wieder mit einem Wachstum rechnen. Ich bin überzeugt, dass wir die ehrgeizigen selbstgesteckten Ziele erreichen werden. Aber es wird sicher ein herausforderndes Jahr mit sehr vielen Veränderungen – Stichwort Revision ISO 9001. Auch der Lehrgang Integriertes Managementsystem wird einem völligen Redesign unterzogen.
Unser Ziel ist es auch, das Bewusstsein für Qualität bei jungen Menschen zu schärfen und das Berufsbild des Qualitätsmanagers zu attraktivieren. Es steht ein Generationenwechsel bevor und da wollen wir uns mit dem Slogan »Karriere mit Qualität« positionieren. Ziel ist es, ganz bewusst, junge Damen und Herren für das Thema Qualität zu begeistern.