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Die große Umfrage: Kultur & Geld

Agnes Husslein-Arco, Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele und Michael Schottenberg, Direktor des Volkstheaters in Wien (v.l.n.r.). Agnes Husslein-Arco, Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere, Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele und Michael Schottenberg, Direktor des Volkstheaters in Wien (v.l.n.r.).

Der mögliche Ankauf der Sammlung Essl durch die Republik und die kreative Buchhaltung des Burgtheaters haben eine Diskussion über den Wert von Kunst und Kultur in Gang gesetzt, die auch Kulturbanausen nicht kalt lässt. Kunstschaffende fühlen sich notorisch im Stich gelassen – feiern sie internationale Erfolge, sind Politiker jeder Couleur jedoch rasch zur Stelle und bekennen sich vollmundig zu verstärkter Kulturförderung. Zur Gratwanderung zwischen Kunst und Geschäft bat Report(+)PLUS drei renommierte ExpertInnen um ihre Einschätzung.

1. Wie viel Verantwortung sollte der Staat für Kultureinrichtungen tragen?

Agnes Husslein-Arco, Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere: Die Beschäftigung mit Kultur zählt zu den elementaren Bedürfnissen eines jeden Menschen. Kultur ist somit ein gesellschaftlich unerlässliches Gut, daher hat der Staat auch die Aufgabe, kulturelle Aktivitäten zu fördern und zu ermöglichen. Österreich hat ein enormes kulturelles Erbe, das es zu verwalten und weiterzuentwickeln gilt. Daher obliegt dem Staat hierzulande eine bedeutende Aufgabe der Bewahrung und Pflege. Trotzdem sollte man zusätzlich attraktive Angebote für private Kulturförderung entwickeln, um mehr privates Kulturengagement zuzulassen, beispielsweise die Möglichkeit, kulturelle Zuwendungen von der Steuer absetzen zu können.

Michael Schottenberg, Direktor des Volkstheaters in Wien: Kunst ist ein urmenschliches Grundbedürfnis. Nicht von ungefähr haben unsere frühesten Vorfahren Höhlen bemalt und Vorformen des Theaters und der Musik in kultische Riten einfließen lassen. In unserer Infotainment-Zeit sind die traditionellen Formen der Kunst umso gefährdeter. Der Staat sollte für Überleben und Erhalt von Kultureinrichtungen gerade so viel Verantwortung übernehmen wie für die Rettung einer Bank. PolitikerInnen haben kulturelle Vorbild- und ökonomische Kontrollfunktion: Leider verwechseln einige von ihnen Verantwortung mit »V«reunderlwirtschaft. Ein Bruno Kreisky hatte Künstler sehr geschätzt und die Kunst den entsprechenden Stellenwert.

Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele: Im Artikel 17a Staatsgrundgesetz heißt es: »Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.« Die Aufgabe eines Staates, der sich als Kulturnation definiert, besteht darin, für die freie Entfaltung von Kunst und Kultur zu sorgen und optimale finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen für das künstlerische Schaffen zur Verfügung zu stellen. Gute Kulturpolitik soll keine Inhalte vorgeben, die Kunst nicht regulieren, sondern den Rahmen schaffen, in dem sich Kunst entwickeln kann.

2. Kann ein Kulturbetrieb wirtschaftlich geführt werden, ohne künstlerische Abstriche zu machen?

Agnes Husslein-Arco: Mit der entsprechenden finanziellen Grundausstattung ist das kein Widerspruch. Allerdings sind durch die Eigeneinnahmen niemals alle Ausgaben zu decken. Vereinfacht gesagt: Die künstlerischen und kulturellen Produktionskosten (Mitarbeiter in Museen und deren Vertragspartner, Künstler etc.) orientieren sich an den aktuellen Marktpreisen und können nicht 1:1 an den Besucher weiterverrechnet werden. Daher müssen die Ausgaben durch Drittmittel vom Staat oder Privatförderern kompensiert werden. Nur nach diesem Prinzip lassen sich Wirtschaftlichkeit, künstlerische Qualität und sozial undifferenzierte Zugänglichkeit vereinen.

Michael Schottenberg: Es kommt auf den Auftrag an. Blanke Unterhaltung wie Musicals – siehe Broadway – sind auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Kultureinrichtungen haben Bildungsarbeit zu leisten, das rechnet sich nicht. Ein Theater etwa hat den Auftrag der moralischen Anstalt noch immer, soll das kulturelle Erbe für die Gegenwart aufbereiten und die politische, soziale und kulturelle Gegenwart auf der Bühne spiegeln. Wirtschaftlichkeit bedeutet mehr als ein volles Haus bei einer Vorstellung. Jeder Handgriff kostet. Gewaltsam sparen hat künstlerische Konsequenzen. Eine kleine Theatertruppe kann immer noch im Park und Keller auftreten, ein großes Haus bedeutet Zusammenspiel aller Kräfte. Wenn hier der Scheinwerfer nicht mehr aufgedreht werden kann, weil man den Strom nicht mehr zahlen kann, bleibt die Kunst im Dunkeln.

Helga Rabl-Stadler: Selbstverständlich muss auch ein Kulturbetrieb wirtschaftlich geführt werden. Nur so behält er die finanzielle Kraft, so viel Kunst als möglich zu verwirklichen. Der Intendant muss daher künstlerische Fantasie und wirtschaftliche Verantwortung zu einem optimalen Programm zusammenführen. Der Kulturpolitiker hat aber in einem Land wie Österreich, das seinen Ruf als Kulturnation aufrechterhalten will, mit finanzieller Unterstützung dafür zu sorgen, dass nicht nur das Gefällige Platz in unseren Spielplänen hat.

3. Ist Österreich noch eine Kulturnation?

Agnes Husslein-Arco: Selbstverständlich – Österreich ist DIE Kulturnation! Die Kultur war und ist eine wesentliche Größe in der Bestimmung und Darstellung des Selbstverständnisses dieses Landes. Österreichs internationales Ansehen beruht in erster Linie auf den traditionellen und zeitgenössischen kulturellen Schätzen dieses Landes. Damit die Kultur aber weiterhin diese bedeutende Rolle spielen kann, bedarf es staatlichen und privaten Engagements gleichermaßen.

Michael Schottenberg: Jein. Österreich lebt von dem Ruf, eine Kulturnation zu sein. Was haben wir anzubieten? Grüne Wiesen, auf denen man mit der Seele baumelt, viele Kulturdenkmäler, die Wiener City als Monarchiemuseum, das barocke Salzburg, eine Menge Schlösser und viele Kulturangebote: Musik, Theater, Festspiele. Den Namen des aktuellen Bundeskanzlers kennen viele Touristen nicht, aber sehr wohl die Staatsoper, das Mozarthaus, die Hofburg, die Wiener Philharmoniker, Michael Haneke und Thomas Bernhard. Das Klischee vom Österreicher als Prototyp des homo ludens existiert weltweit. Tatsächlich könnte sich bei entsprechender Förderung viel mehr Zeitgenössisches bewegen. Aber leider haben die PolitikerInnen nur begrenzt begriffen, über welchen (immateriellen) Schatz dieses Land verfügt.

Helga Rabl-Stadler: Eine Kulturnation wird man nicht von einer Generation zur nächsten. Nach dem Zerfall des Habsburgerreiches gelang es, die verlorene politische Größe durch kulturelle Größe zu ersetzen. Gerade heute brauchen wir die Identitäts- und Sinnstiftung durch die Kunst und Kultur. Das Bild unseres Landes ist von Musik und Literatur, Film und bildender Kunst geprägt. Für Millionen Menschen aus aller Welt ist Österreich deshalb ein Sehnsuchtsort. Diesen Ruf sollte man nicht durch gedanken- und bedenkenloses Sparen aufs Spiel setzen.

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