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Ohne die KP läuft nichts

Hanne Seelmann, Consultant. »Es gibt Modernisierung, aber keine Verwestlichung.« Hanne Seelmann, Consultant. »Es gibt Modernisierung, aber keine Verwestlichung.«

Westliche Unternehmen sollten Vorkehrungen treffen, um nicht »wie Kühe gemolken« zu werden, meint die Unternehmensberaterin und Asienexpertin Hanne Seelmann.

(+) Plus: Viele der »roten Prinzlinge« haben an ausländischen Eliteuniversitäten studiert. Ohne jegliches wirtschaftliches Verständnis sind sie also wohl nicht?

Hanne Seelmann: Das sind sehr gut ausgebildete Menschen. Es geht aber in erster Linie um ihre politischen Kontakte. KP-Funktionäre in höheren Positionen können selbst nicht so offensichtlich im Wirtschaftsleben auftreten, deshalb wickelt eben die Ehefrau oder ein Neffe Geschäfte mit westlichen Firmen ab. Die KP ist ja fast eine Art Erbmonarchie. Wer aus einer Politikerfamilie stammt, gehört automatisch zu dieser KP-Elite. Als Normalbürger muss man einen mehrjährigen Aufnahmeprozess durchlaufen, die Kinder der KP-Führer sind natürlich privilegiert. Sie haben in den USA oder in Großbritannien studiert, manche haben sogar im Ausland schon die Schule besucht. Im Sommer konnte ich in einer Sprachschule in England sechsjährige Kinder aus China beobachten, die dort Englisch lernen sollten, um später auf ein College zu kommen.

(+) Plus: Können westliche Firmen überhaupt auf diese Kontakte verzichten?

Seelmann: Nein, man braucht diese »Guanxi«, also Beziehungen zu den politischen Entscheidungsträgern. Die Chinesen wissen, dass das bei uns im Grunde verpönt ist, und regeln alles diskret im Hintergrund. Viele westliche Geschäftsleute bekommen von diesen Aktivitäten nichts mit. Die Prinzlinge schmieren das Rad und machen die Prozesse möglichst einfach. Sie wissen, was sie wem in China zahlen müssen. Wenn wir davon keine Ahnung haben, können sie sich an uns bereichern. Und so ist es auch häufig. Betroffen sind alle Branchen. Dieses System der sozialistischen Marktwirtschaft ist für uns überhaupt nicht fassbar. Die Hauptakteure sind nach wie vor Staatsbetriebe oder Großbetriebe, die in der Hand von KP-Mitgliedern liegen. So sitzt zum Beispiel der Eigentümer eines Industriekonzerns im höchsten Gremium der Partei. Ohne die KP läuft nichts.

(+) Plus: Wie verträgt sich der Kommunismus mit den hohen Beträgen, die für diese Beziehungen fließen?

Seelmann: Das Herz schlägt links, der Geldbeutel sitzt rechts. Die Frage ist, ob das noch Kommunismus ist. Es ist jedenfalls eine Melange aus autoritärem Parteiensystem und Marktwirtschaft, die jene begünstigt, die an den Schalthebeln sitzen. Wir bekommen davon nur die kleinste Spitze des Eisbergs mit. Wenn veröffentlicht wird, dass sich ein Parteimitglied persönlich bereichert hat, will man damit auch politische Konkurrenten außer Gefecht setzen. Der jetzige Parteivorsitzende Xi Jinping propagiert derzeit seine Säuberungspolitik. Aber in China weiß jeder, dass es alle machen. Sogar der Leiter der Antikorruptionsbehörde wird der Korruption bezichtigt.

(+) Plus: Viele Unternehmen haben strenge Compliance-Richtlinien. Müssen diese bei China-Geschäften über den Haufen geworfen werden?

Seelmann: Diese Diskussion müssten wir dringend etwas ehrlicher führen. Lädt ein westliches Unternehmen in China zu einer Pressekonferenz, kommen die chinesischen Journalisten nur, wenn ein bestimmter Geldbetrag gezahlt wird. Da muss ich mich entscheiden – wird überhaupt nicht über mich berichtet, dann werde ich als potenzieller Arbeitgeber nicht wahrgenommen – oder zahle ich dafür. Die Verantwortlichen vor Ort können das vor ihren Eigentümern oder Mutterfirmen aber nicht thematisieren, ihnen sind die Hände gebunden.

(+) Plus: China wirkt inzwischen sehr modern und fortschrittlich. Hat man sich nur äußerlich dem Westen angepasst?

Seelmann: Diese Ähnlichkeitsfalle ist für mich die größte Gefahr im China-Geschäft. Wir schließen vom Schein auf das Sein. Viele Geschäftsleute machen einen Etikette-Kurs und lernen, wie man die Visitenkarte übergeben muss. Dann sehen sie in China die tollen Hotels und Autos, die perfekt Englisch sprechenden Menschen und die freundlichen Mädels, die sie an der Hand nehmen und durch den Großstadtdschungel lotsen – und es ist eigentlich schon zu spät. Ich verstehe auch die Firmen: Der Aufwand ist enorm und wenn das vor Ort jemand erfolgreich für mich erledigt, warum nicht? Aber weil sie Gucci tragen und Porsche fahren, glauben wir, dass die Chinesen auch denken wie wir – und das ist überhaupt nicht der Fall. Es gibt Modernisierung, aber keine Verwestlichung.

(+) Plus: Welche Strategie empfehlen Sie den Unternehmen?

Seelmann: Man muss den Prinzlingen kommunizieren, dass man über diese Vorgänge informiert ist und nicht bereit ist, sich wie eine Kuh melken zu lassen. Es gibt auch die Möglichkeit, an verschiedenen Stellen zu kontrollieren. Sonst agieren die chinesischen Partner halt in eigenem Sinne – das ist ihnen nicht mal zu verdenken. Die Chinesen schlachten keine goldenen Gänse, wie ein Sprichwort besagt. Sie brauchen uns wegen der Arbeitsplätze, als Investoren, als Lieferanten von technischem Know-how. Im Gegenzug wollen sie aber von dem ganzen Prozess profitieren, weil das in ihren Augen ein gerechter Ausgleich ist.

Last modified onDonnerstag, 20 März 2014 14:44
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