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Management & Esoterik

Über die Führungskräfte bricht eine Flut von skurrilen Seminaren, Hypes und Management-Ratgebern herein. Aber wo liegt die Grenze zwischen Nützlichkeit und Schwachsinn.

Das mediale Sommerloch wird heuer ganz schön aufgelockert. In die Rubrik »gruselig« fallen etwa die Sondergesetze für die Sponsoren der aktuellen Olympischen Spiele. Darf man eigentlich noch »London« und »Sommer« dazu schreiben oder wird man dann schon niedergetasert und ins Straflager gesteckt? In die Rubrik »ferngesteuert« fällt unsere Justizministerin. Egal welche Frage ihr die Medien stellen, wie bei einem NLP-Roboter kommt als Antwort ein Stehsatz wie »Das Vertrauen der Österreicher in die Justiz ist hoch«. Wer‘s glaubt wird selig. Aber die Österreicher glauben ohnehin viel. Das Linzer Spectra Institut veröffentlichte gerade, dass mehr als zwei Drittel der Landsleute zumindest an ein übernatürliches Phänomen glauben. Dazu gehören etwa Telepathie oder Hellseherei, aber ein paar Hartgesottene glauben auch an Hexerei und Teufelsaustreibung. Alleine sind die Österreicher damit nicht. Eine US-Behörde dementierte kürzlich offiziell die Existenz von Meerjungfrauen – jene von Zombies wurde schon vor ein paar Monaten dementiert. Aber auch beim Nachbarn Deutschland geht es ganz schön esoterisch zu. Vor kurzem wurden Akten bekannt, die möglicherweise erklären, warum bei der Aufklärung der rechtsterroristischen Serienmorde so gar nichts weitergeht. Die Hamburger Polizei setzte bei den Ermittlungen einen Geisterbeschwörer ein, der laut Aktenvermerk – sic – als »Gigant unter den Metaphysikern gilt«.
Der Esoterik-Markt ist nicht nur ein gesellschaftliches Phänomen, sondern vor allem ein florierendes Business. Wie groß der Markt ist und wie sehr er boomt, lässt sich nur unscharf angeben. Zu unterschiedlich sind die Geschäftsfelder. Neben »Hardcore-Esoterik« gibt es den Sektor Lebenshilfe, Ratgeber aller Art oder »weichere« Esoterik wie den Buch- und Seminarmarkt für den Managementsektor. Die Übergänge zwischen reiner Scharlatanerie und Geschäftemacherei bis hin zu hoch seriösen Anbietern sind fließend. Einige Zahlen, um die Größenordnungen zu fassen: Die Hamburger Zeit schätzte den gesamten deutschen Esoterikmarkt 2010 auf rund 18 bis 25 Milliarden Euro ein, bis 2020 soll er auf 35 Milliarden steigen. Eine Spiegel-Reportage aus dem Jahr 2000 versuchte, den Manager-orientierten Markt zu fassen. Laut Spiegel-Schätzungen wurden damals mit Motivationstrainings, Coaching oder Karriereberatung inklusive einschlägigen Büchern rund 10 Milliarden Mark umgesetzt. Wie ungenau diese Schätzungen sind, zeigt eine Reportage von Focus. Kurz vor der Spiegel-Story schätzte das Magazin den deutschen Beratermarkt für Motivationstrainings, Verkäuferschulung oder Persönlichkeitsentwicklung auf gar 40 Milliarden Mark. Und Österreich? Hier gibt es noch weniger »harte« Zahlen oder Schätzungen als in Deutschland, aber die Probleme der Differenzierung bleiben gleich. Das zeigt sich etwa im heimischen Buchmarkt.

Mega-Business in gefühlten Märkten
Dass Esoterik oder auch der Markt für Managementliteratur floriert, »fühlt« man beim Betreten einer Buchhandlung oder beim Gustieren im Internet. Genaues offenbart aber auch die hochaktuelle Marktanalyse des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels nicht. Sowohl reiner Schmonzes wie das eher seriöse Managementfach könnten in den untersuchten Kategorien Ratgeber wie Sachbuch auftauchen. Ingrid Führer, Pressesprecherin des Hauptverbandes, lässt sich daher auch nur zu einer privaten Einschätzung hinreißen. »Nach meiner Meinung dürften beide Sektoren schon lange boomen«, so Führer. Der Nutzen einschlägige Managementliteratur soll jetzt nicht allgemein in Abrede gestellt werden, bei Konsumation empfiehlt sich jedoch eine gehörige Portion Skepsis. Die Role-Models und Mega-Seller wechseln wie Herbstlaub. Kann sich noch jemand an Jose Lopez erinnern? Was waren da nicht für Lobeshymnen über den »Super-Business-Krieger« und »ultimativen Kostenkiller« der weltweiten Autoindustrie zu lesen. Was letztendlich blieb, war ein verhaltensauffälliger Baske im Verdacht der Industriespionage, den die eigene Familie laut Medienberichten entmündigen lassen wollte. Ganz untypisch ist Lopez nicht. Vom führenden heimischen Businessmagazin trend zum »Mann des Jahres« gewählt zu werden, war lange Zeit fast schon eine Garantie, kurz später einen Insolvenzverwalter oder Staatsanwalt im Haus sitzen zu haben.
Ganz gefeit vor Fehlgriffen ist die einschlägige Managementliteratur auch heute nicht. So ist etwa gerade auf der einschlägigen Webseite Managementbuch.de das wegweisende Werk »Effectuation« als »geprüfter« Testsieger zu finden. Warum sagt die Rezension gleich im Intro: »Früher hieß es: Anlegen, Zielen, Zielen, Zielen, Feuern. Heute heißt es: Anlegen, Feuern, Zielen, Zielen, Zielen«. Alles klar? Das Zitat stammt übrigens ausgerechnet von Hewlett Packards Ex-Chefin Carly Fiorina, die als »eiserne Lady« noch vor ihrem Nachfolger Leo Apotheker den Börsenkurs des Technologieunternehmens hinunter drosch. Was in so einem einschlägigen Buchkanon fast noch fehlt, ist das ultimative Managementlehrbuch: »Stephen Elop und wie er Nokia sanierte«.
Nur lustig machen sollte man sich freilich auch nicht. Die Management-Sachbuchautoren und Verlage unterliegen dem Zwang zur Vereinfachung, wenn sie nicht schon im Vorfeld Leser abschrecken wollen. Nützlich kann die Lektüre allemal sein, wenn auch manchmal anders als beworben.

Zwischen Erdung und Nutzen
Vor Geschwurbel ist ohnehin kaum jemand gefeit. Capgemini untersuchte 2003 etwa in einer ausufernden, knapp 50-seitigen Studie das »Change Management« – eigentlich ein Langläufer, der seit Jahrzehnten auch wissenschaftlich besprochen wird. Erst auf Seite 13 der Studie kommt Capgemini zur ersten Definition, dass »Change Management« ein »zentrales Element der Implementierung« sei. Gott sei Dank stellt der Consulter noch auf der gleichen Seite der Studie auch fest, dass sich viele »Standardwerke sich regelrecht um eine Begriffsbestimmung herum winden«. Aber was bewahrt einen Manager vor allzu viel Wort-Alchemie? Vielleicht die Erdung. Von Management-Voodoo hält etwa Othmar Hill wenig. »Management macht eigentlich jeder, sogar eine Hausfrau«, so der Chef von Hill International. Nicht jede Arbeit könne rational bewältigt werden, ist der studierte Psychologe überzeugt. Als ziemlich geerdet outet sich auch Wolfgang Niessner: »Ich persönlich laufe nicht über glühende Kohlen und versuche dort Kraft zu tanken, wo ich sie kriege. Etwa im Gespräch mit meiner Frau«, so der Boss des Logistikkonzerns Gebrüder Weiss. Ein Bonmot liefert Niessner augenzwinkernd nach: »Ich brauche Leute, die mir positiv kritisch gegenüber stehen und wo ich ein politisch ungefärbtes Statement bekomme«.
Obwohl selbst eher skeptisch, lässt Niessner im Konzern Personalentwicklung nicht nur zu, sondern begrüßt sie auch: »Entwicklungsseminare werden bei uns hierarchieübergreifend bis hin zum Lehrlingscamp angeboten.«
Eine breite Auswahl für »seltsame« Management-Coachings gibt es selbst in Österreich genug (siehe Kasten). Wer neben Extremtauchern, blinden Psychologen oder Hühnerflüsterern eine noch breitere Auswahl wünscht, sollte sich vielleicht auch in Deutschland umsehen. Da gibt es etwa auch »Ape-Coachings« für Manager – die auch nichts anderes als Affen im Anzug sein sollen. Oder Coachings, in denen man lernt, Nüsse auf einem afrikanischen Markt zu verkaufen. Das klingt alles ziemlich ausgefallen, hat aber möglicherweise einen tieferen Sinn.
Boyden Österreich/Osteuropachef Andreas Landgrebe zieht nur wenig Grenzen. Landgrebes Hauptbotschaft: Fast egal, wie ein konkretes Coaching aussieht, Hauptsache, die Manager werden aus ihrer Alltagsroutine heraus geholt und lernen tatsächlich etwas davon. Möglichst auch über den Montag hinaus, wo sie wieder in der Firma antreten. Fast wortgleich formuliert das übrigens auch Othmar Hill. Der Psychologe Hill fügt noch eine Facette hinzu: Fast niemand habe wirklich einen Plan, wie es krisenbedingt weitergehe. Alleine schon deswegen sei eine fundierte Begleitung notwendig.   


 

EXKURS
Grenzerfahrung für Manager:
  Banales Rafting ist ein bisschen von gestern und taugt gerade noch als Incentive. Heute baut man selbst ein Floß und soll so Gruppendynamik erleben. Auch Künstler vermarkten Managementseminare. Bei der Theaterpädagogin Verena Kriegler lernt man nicht nur »spielend zu führen«, sondern auch »lustvoll zu scheitern«. Der Kärntner Intendant Michael Weger wiederum vermittelt »Emotion-Power« oder die »Kunst man selbst zu sein«. Wer es gerne extremer hat, kann den österreichischen Apnoetaucher Christian Redl buchen. Redl hält nicht nur acht Weltrekorde im Freitauchen, sondern ist auch noch Stuntman, Schauspieler – und Celebrity-Speaker. Als solcher referiert er über Motivation, Teamgeist oder Grenzerfahrungen. Der Seminarveranstalter »lichtlos« bietet Führungskräftetraining im Berchtesgadener Salzbergwerk an. Nomen est omen: natürlich in völliger Dunkelheit. Dunkeltraining bietet auch Hill International an, hier wird sogar mit blinden Psychologen gearbeitet. Wer es schräg mag: Das Grazer »Animal Trainings Center« bietet nicht nur Gruppentherapie für Hunde an, sondern auch ein »Chicken-Camp«, wo Seminarteilnehmer mit Hühnern lernen, wo »ihre Stärken und Schwächen« liegen.

 

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