Menu
A+ A A-

Steter Tropfen …

\"Baumeisterin… höhlt den Stein: Immer mehr Frauen beweisen sich in Architektur und Raumplanung und stellen sich der Herausforderung Bau. Der Bau & Immobilien Report hat mit Baumeisterinnen und Frauenpsychologinnen über ihre Erfahrungen, Herausforderungen und Wünsche gesprochen.

Von Karin Legat

Eine Baumeisterin hat mir von einem Arbeiter berichtet, der sich bei ihr für das bessere Arbeitsklima bedankt hat, seit sie die Projektleitung innehat«, berichtet Bettina Reinisch, Leiterin des Instituts Frauensache, einleitend. Die bessere Kommunikationsfähigkeit ist eine der Eigenschaften, die von Baumeisterinnen aber auch Psychologinnen als Frauenstärke genannt wird. »Eine Tendenz, die uns Frauen zugute kommt ist, dass wir einfühlsamer sind und zuhören können. Wir verstehen schneller, was unser Gegenüber möchte und können dadurch besser auf den Gesprächspartner eingehen.«

Univ.-Prof. Dörte Kuhlmann von der TU Wien zitiert dazu wissenschaftliche Studien. »Unter Frauenpower verhalten sich Männer eindeutig anders. Hier kommen die Kommunikationsfähigkeiten der Frau zum Tragen. Frauen sind offener. Sie sagen öfter, wo es Defizite gibt und wo man einschreiten muss.« Psychologin Christine Prisner bestätigt das aus ihrer täglichen Arbeit. »Kommunikation in Bauprojekten wird vor allem von Frauen betrieben. Sie betonen den permanenten Kommunikationsfluss stärker, beschleunigen Prozesse und tragen damit zur qualitativen Verbesserung in Projekten bei. Wenn etwas nicht passt, sprechen Frauen das eher auf einer Metaebene an.« Für den Geschäftsführer der Vorarlberger Bauinnung, Thomas Peter, verfügen Frauen auch über ein anderes Formgefühl. Norbert Blum, Leiter der Vorarlberger BAUAkademie ortet bei Frauen generell eine andere Wahrnehmung. Sein Wiener Kollege, Thomas Prigl, will das in dieser Form nicht verallgemeinern, sieht aber tendenziell bei Frauen mehr Bedachtnahme auf optische Aspekte. Dazu die Meinung aus der Praxis. »Jeder schöpft aus der eigenen Alltagserfahrung. Die ist bei Frauen anders als bei Männern. Wir erleben Lebensphasen ausgeprägter, sind konfrontiert mit den Phasen Haushalt aufbauen, verselbständigen, Kindererziehung, Reintegration in den Beruf und schließlich Betreuung älterer Menschen. Der Mann wechselt vom Studium in den Beruf und bleibt dort bis zur Pension. Diese Lebensstruktur schlägt sich in der Herangehensweise und in der Planung von Projekten nieder«, analysiert die Wiener Stadtbaudirektorin Brigitte Jilka.

Denkmal setzen

»Die weibliche Art der Planung ist tendenziell eine andere. Männer erledigen alles Schritt für Schritt, sie konzentrieren sich eher auf einen Punkt. Frauen sehen vor allem das große Ganze«, beschreibt Reinisch. Baumeisterin Nadja Wasserlof belegt das an einem ihrer Projekte. »Ich sehe mir zuerst das Grundstück an und spreche mit den Menschen. Ich will erkennen, wo das Bauobjekt geplant ist, welche Substanz und welche Bedürfnisse bestehen. Dann folgen Konzept und der kreative Prozess. Wenn man dem Kunden aufmerksam zuhört, trifft man seinen Geschmack. Es geht nicht um das Repräsentative, der Kunde muss sich wohlfühlen. Frauen denken dezenter, das habe ich schon öfters erlebt. Männer wollen sich oft ein Denkmal setzen«, berichtet sie aus der Baupraxis. Für Stadtbaudirektorin Jilka eröffnen Frauen Projekte ganzheitlicher. »Es werden möglichst viele Perspektiven beleuchtet, Männer erledigen vieles allein. Hier liegt der Unterschied.« Jilka sieht Baumeisterinnen grundsätzlich offener Neuem gegenüber. »Wir probieren gerne Neues aus, ohne jedoch alte Erfahrung links liegen zu lassen.«

Selbstsicherheit bedeutet nicht Aggressivität

Selbstsicherheit ist in jeder Leistungsposition erforderlich. Sie darf aber nicht mit Aggressivität verwechselt werden, warnen Psychologinnen. »Am Bau ist es oft üblich, dass Bauleiter laut werden, wenn sie etwas wollen. Frauen stoßen mit diesem Verhalten ausschließlich auf Widerstand.

Unterwürfigkeit ist keine Lösung. Frau kommt ans Ziel mit Beherrschtheit, Höflichkeit, Kameradschaftlichkeit und Verlässlichkeit«, erklärt Reinisch aus ihrer Coachingtätigkeit. Mit einer Hürde muss jede Baufrau rechnen: Verhandlungspartner benötigen mit Baumeisterinnen oft eine längere Aufwärmphase. »In unseren Köpfen sind Zuschreibungen vorhanden. Diese sagen uns, dass am Bau ausschließlich Männer arbeiten. Wenn eine Frau auftritt, schreibt man ihr weniger Kompetenz  zu. Sie muss das Vertrauen erst aufbauen«, so die Psychologin. Aus der Baupraxis gibt es dazu genügend Fallbeispiele. »Zu Beginn meiner Baumeisterinnenkarriere habe ich mit Schwierigkeiten gekämpft. Bei Projektleitungen saß ich oft Männerrunden gegenüber, die mich aufs Glatteis führen wollten. Oder es kam die Frage, wann der Chef oder mein Gatte kommt«, erinnert sich Wasserlof. Dörte Kuhlmann berichtet von ähnlichen  Erfahrungen zu Beginn ihrer Ausbildung. »Studienanfänger mussten in Deutschland ein sechsmonatiges Praktikum auf einer Baustelle absolvieren, um zum Baustudium zugelassen zu werden. Ich habe dieses Praktikum im Straßen- und Brückenbau absolviert. Dabei stand physische Arbeit mit Schaufel und Betonmischer am täglichen Programm. Damals bestanden sehr große Vorbehalte gegenüber Frauen. Es gab die Sorge, wo ich als einzige Dame auf die Toilette ginge, wie man mich behandeln und ansprechen sollte und generell war der Vorbehalt zu spüren, dass Frauen durch weniger Muskelkraft auch weniger leisten. Die fehlende Muskelkraft habe ich aber durch Geschicklichkeit ausgeglichen und damit waren die Vorbehalte weg. Das hat eine ganze Weile gedauert. Weibliche Lehrlinge haben es heute sicher leichter«. Für Jilka ist die Muskelkraft kein Argument gegen Frauen am Bau. »Auch Männer haben nur eine begrenzte Körperkraft, dann werden eben Maschinen eingesetzt.« Für Nadja Wasserlof ist der Generationenwechsel entscheidend. »Die junge Generation hegt nicht so viele Vorurteile. In der älteren gibt es noch Berührungsängste. Es kommt immer auf die Person und ihre Kompetenz an. Nach ein paar Wochen fällt es den Arbeitern meist gar nicht mehr auf, ob eine Frau oder ein Mann die Projektleitung innehat. Es zählt die Win-win-Situation.« Oft führt die Diversität zu Problemen. Männliche Partner achten laut Psychologen stärker auf Ergebnisfokussierung, Frauen betonen das faire Miteinander. Im Ausbildungsbereich treten laut Kuhlmann kaum noch Geschlechterschwierigkeiten auf. »Der weibliche Anteil unter den Studierenden und im Kollegium steigt.

In der Architektur stellen Frauen bereits ein Drittel des gesamten Lehrpersonals. Führungspositionen sind jedoch selten. Im Bauingenieurwesen besteht  noch größerer Nachholbedarf.« Damit habe sich auch das  Zwischenmenschliche gebessert. »Vor vielen Jahren habe ich als Gleichstellungsbeauftragte an einer anderen Fakultät erlebt, dass man sich schwer getan hat, mir die Hand zu reichen«, erinnert sie sich. Nicht jede Baumeisterin ist auf Probleme mit Baukollegen gestoßen. »Ich habe den Vorteil, dass ich relativ groß bin und daher schon vom Äußeren Durchsetzung verkörpere«, lächelt Baumeisterin Renate Scheidenberger. »Ich lege großes Engagement an den Tag und gebe dieses Gefühl an die Kunden weiter. Sie fühlen sich von mir ernst genommen.«

Nein sagen

»Eines der ersten Dinge, die Bauleiterinnen lernen müssen, ist Nein zu sagen,« rät Reinisch. »Das ist ein Schlüsselwort. Frauen fühlen sich sehr schnell für Dinge zuständig, für die sie nicht verantwortlich sind. Man darf sich nicht alles umhängen lassen, sonst beschert das langfristig Überlastung. Nein zu sagen, ist für Frauen schwieriger als für Männer«, weiß sie aus Gesprächen mit Architektinnen und Baumeisterinnen. Viele ihrer Kundinnen tauschen sich in Frauennetzwerken wie Zonta oder dem Club Alpha aus. »Wenn frau beruflich erfolgreich sein will, sind Netzwerke unerlässlich«, betont Baumeisterin Wasserlof überzeugt, die sich u.a. in der jungen Wirtschaft und im Wirtschaftsbund engagiert. »Die Vielzahl an Kontakten braucht man aber in jedem Job und das ist nicht frauenspezifisch«, schränkt sie ein. Baumeisterin Scheidenberger legt Wert auf gemischte Baunetzwerke. »Sowohl Männer als auch Frauen haben positive Ressourcen, wenn man diese herausfiltert und bündelt, ist das nur gut für den Bau.« Deshalb argumentieren Baufachleute auch für gemischte Bauteams.

Weites Bauspektrum

Alle Baumeisterinnen sind sich einig: Die Baubranche liegt Frauen. »Man muss nicht fokussiert arbeiten, es sind kreative, technische und organisatorische Anforderungen zu bewältigen. Das liegt uns. Das Switchen zwischen Aufgaben ist spannend und bietet ständig Neues«, stellt Nadja Wasserlof dem Berufsbild Baumeisterin ein sehr gutes Zeugnis aus. Auch in der Bauweiterbildung besteht ein breites Spektrum. »Der Themenkomplex im Bauwesen ist sehr umfangreich, ob das Materialeigenschaften betrifft oder die Lichttechnik. Alleskönner sind heute weniger gefragt als Spezialisten. Deshalb muss frau sich Nischen suchen und dort fundierte Kompetenz aufbauen. Das hat Zukunft«, meint Kuhlmann.

Für Psychologin Reinisch ist es zudem wichtig, die Grundlagen der Kommunikation zu vertiefen. »Zuhören, auf das Gegenüber eingehen, sich einbringen und die eigene Meinung vertreten sind Inhalte, die ich neben der fachspezifischen Weiterbildung empfehle.« Viele Baumeisterinnen sehen in der Fortbildung die Chance auf Erweiterung ihrer Geschäftstätigkeit. »Um am Ball zu bleiben, braucht es Weiterbildung«, betont Baumeisterin Scheidenberger und erzählt von ihrem Masterstudium für Internationale Immobilienbewertung. »Damit möchte ich eine neue Büroschiene im Sachverständigenbereich entwickeln.« Zu wenig Priorität hat sie nach eigenen Angaben auf die Betriebswirtschaftslehre gelegt. »Der Berufsweg ist lang genug. Mit einem Baubüro treten betriebswirtschaftliche Aspekte und Managementaufgaben in den Vordergrund. Ein BWL-Studium wäre da durchaus von Vorteil.«

100% Baufrau

Könnten sie die Zeit zurückdrehen, würden alle Baumeisterinnen die Baukarriere wieder einschlagen. »In sorgenvollen Momenten, die natürlich auch existieren, habe ich mir oft die Frage gestellt, ob ich etwas anderes machen würde. Aber ich lande immer wieder beim Bau. Es ist ein sehr intensiver und verantwortungsvoller Job und es gibt wenig Freizeit im Jahr. Aber ich bereue meine Berufswahl nicht«, betont Scheidenberger. Nadja Wasserlof stimmt dem zu. »Es ist kein einfacher Weg. Man muss sich bewusst sein, dass viel Arbeit, Fleiß und harte Zeiten damit verbunden sind. Aber nach getaner Arbeit hat man ein Projekt geschaffen, bei dem man jeden Winkel kennt.«

 

\"Bautechnische>> Praktikumsplätze gesucht:

13 Frauen zwischen 20 und 46 Jahren lernen derzeit in einer Intensivausbildung auf der BAUAkademie Ost in Guntramsdorf den Beruf der Bautechnischen Zeichnerin. Das Programm des AMS, FIT (Frauen in der Technik), bietet nicht nur die Ausbildung durch qualifizierte Trainer, sondern auch Weiterentwicklung im persönlichen Bereich, unterstützt durch einen Coach. Für den praktischen Part der Ausbildung werden noch vom 21.11. – 02.12.2011 Praktikumsplätze im Raum südliches Wien, nördliches Burgenland und südliches Niederösterreich gesucht.

Die Teilnehmerinnen haben erfahrungsgemäß dann den Ausbildungsstand eines Lehrlings am Ende des zweiten Lehrjahres. Es entstehen keinerlei Kosten, da diese vom Bildungsträger übernommen werden.
Kontakt: BAUAkademie Ost, Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Tel. 02236/53 542
Ulrike Boeck, Mail Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Tel. 0699 133 00000

back to top