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Alpha-Teams

 

\"''Top-EntscheiderWie aus Alpha-Tieren Alpha-Teams geformt werden können.

Von Bernhard Kuntz

Wer wird Geschäftsführer eines größeren Unternehmens? Oder gar Konzernvorstand? In der Regel gelangen nur Personen in solche Positionen, die Informationen extrem schnell aufnehmen und verarbeiten sowie entschlossen handeln; Männer und Frauen zudem, die in ihrer beruflichen Biografie schon oft bewiesen haben, dass sie (weit) Überdurchschnittliches leisten können – und wollen.

Trotzdem scheitern immer mehr Unternehmensführer. Sie müssen entweder vorzeitig ihren Hut nehmen, oder ihr Kontrakt wird nicht verlängert. So erreicht heute zum Beispiel nur noch jeder zweite Konzern-Vorstand das Ende seiner zweiten Amtszeit. Und immer häufiger werden aus Top-Managern, die eben noch gefeiert wurden, scheinbar über Nacht »Versager«.

Das Management stößt an seine Grenzen

Eine Ursache hierfür ist die Globalisierung. Durch sie wurden die Aufgaben vieler Unternehmensführer so komplex, dass sie nur noch bedingt »gemanagt« werden können. Häufig können sie nur noch Risiko­minimierung betreiben und die Dilemmata, vor denen sie bei ihrer Arbeit stehen, stets neu ausbalancieren. Dasselbe gilt für die oft widersprüchlichen Interessen der Stakeholder wie Anteilseigner und Banken, Kunden und Mitarbeiter.

Hierfür müssen die Unternehmensführer sicherstellen, dass in ihrer Organisation in den Schlüsselpositionen die richtigen Personen sitzen. Doch dies allein genügt nicht, ist Kai W. Dierke, geschäftsführender Gesellschafter der Top-Managementberatung Dierke Houben AG in Zürich, überzeugt. Die Top-Entscheider müssen zudem ein Hochleistungsteam bilden. »Denn als heroische Einzelkämpfer können sie die Erwartungen der Stakeholder nicht erfüllen.«

Und hier beginnt meist das Problem. In die Top-Etagen zumindest von Großunternehmen gelangen in der Regel nur Alpha-Tiere – Männer und Frauen also, die aktiv Führungsverantwortung suchen. Und in eine solche Leitwolf-Position steigen sie mit der Zeit auch auf. Denn auf ihrem Weg nach oben beweisen sie immer wieder, dass sie Organisationen erfolgreicher führen können als ihre Konkurrenten – dank ihrer analytischen Intelligenz, ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sowie Durchsetzungsstärke.

Das prägt ihr Selbstbild und ihre Sicht auf Menschen, Situationen und Konstellationen. »Alpha-Männer und -Frauen lieben Zahlen, Daten, Fakten«, betont Sabine Prohaska, Managementberaterin aus Wien. Und als brillante Analytiker haben sie oft schon eine Lösung parat, wenn ihre Gesprächspartner noch über das Problem grübeln. Entsprechend ungeduldig und unduldsam reagieren sie oft. Und entsprechend dominant, ja einschüchternd ist häufig ihr Auftritt.

Manager müssen Leader werden

Doch dann sind sie an der Spitze. Und plötzlich sind ihre engsten Mitstreiter ebenfalls Alpha-Tiere. Und mit diesen müssen sie ein Hochleistungsteam bilden. Das erfordert von den Top Executives teils andere Fähigkeiten, als sie auf dem Weg nach oben bewiesen haben, erklärt Georg Kraus, Geschäftsführer der deutschen Changemanagement-Beratung Dr. Kraus & Partner. Denn nun müssen sie andere Menschen inspirieren und dazu motivieren, sofern nötig, gewohnte Pfade zu verlassen. Das haben sie zwar auch zuvor getan. Doch nun ist dies eine ihrer Kernaufgaben. Und ihre Gegen­über sind wie sie Alpha-Tiere. Entsprechend vielfältig sind oft die Reibungspunkte auf der Top-Ebene von Unternehmen – »auch weil sich deren Mitglieder meist ähnlich misstrauisch beäugen wie konkurrierende Rüden in einem Wolfsrudel«, wie Sabine Prohaska weiß. Trotzdem müssen sie kooperieren, »obwohl die meisten Alpha-Tiere eher Einzelkämpfer als Teamplayer sind«.

Das erschwert es den Top Executives, (gemeinsam) die optimale Wirkung zu entfalten. Doch dies ist ihnen meist nicht bewusst. Entsprechend selten kontaktieren sie Berater mit Anfragen wie: Können Sie mich (und meine Kollegen) dabei unterstützen, mehr Teamspirit zu entfalten? Der offizielle Anlass für die Kontaktaufnahme ist stets ein betriebliches Problem – zum Beispiel: »Unsere Organisation ist nicht innovativ genug. Deshalb ...« Nach entsprechenden Kriterien erfolgt laut Dierke auch die Auswahl der Berater: »Die Top Executives müssen ihnen zutrauen, einen realen Beitrag zum Meistern der Herausforderungen zu leisten, vor denen ihre Organisation steht.«

Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren ­beraten werden

Diese Kompetenz schreiben Unternehmensführer meist nur Männern und Frauen zu, die ähnliche Biografien wie sie haben. Das heißt zum Beispiel für Berater, die auf der CEO-Ebene von multinationalen Konzernen tätig werden möchten: Ihre Biografie muss eine gewisse Internationalität aufweisen. Und ihr Lebenslauf sollte »Brands«enthalten, die aus Sicht der Unternehmensführer für »Excellence« stehen, erklärt Dierke. Dazu zählen Ausbildungsinstitute wie Harvard und Beratungsgesellschaften wie McKinsey. »Und im Idealfall haben sie mehrere Jahre auf der Top-Ebene von Unternehmen gearbeitet, die in den Augen der Entscheider echte High Performer sind.«

Eine solche Biografie garantiert aber keinen Auftrag. Sie sorgt nur dafür, dass das Alpha-Tier an der Unternehmensspitze »dem Berater fünf oder zehn Minuten Aufmerksamkeit schenkt«, betont Prohaska. »In dieser Zeit muss der Consultant dem Top-Entscheider das Gefühl vermitteln: Ich ticke ähnlich wie Sie. Ich spreche Ihre Sprache und bin ähnlich tough wie Sie.«

Dies gelingt Beratern nicht, indem sie dem potenziellen Kunden nach dem Mund reden. Im Gegenteil, konstatiert Dierke. »Top-Entscheider wollen spüren: Mir steht eine Person mit Rückgrat gegenüber, die wie ich bereit ist, Risiken einzugehen – selbst auf die Gefahr hin, den Auftrag zu verlieren.« Denn nur dann entstünde bei ihnen das Gefühl: Dieser Berater kann mich und meine Kollegen fordern.

»Alpha-Tiere wollen von Alpha-Tieren beraten werden«, betont Dierke. Nur Menschen mit einer solchen Ausstrahlung akzeptieren sie als Sparringpartner. Haben sie eine Person jedoch als »ebenbürtig« akzeptiert, dann messen sie deren Aussagen Bedeutung bei. Denn Alpha-Tiere wollen etwas bewegen. Sie wollen Spuren hinterlassen. Deshalb sind sie auch an einer klaren Rückmeldung, wie sie ihre Wirksamkeit erhöhen können, interessiert.

Ziel: die Wirksamkeit erhöhen

Klar sollte Beratern laut Elisabeth Heinemann, Professorin für Schlüsselqualifikationen an der Fachhochschule Worms, jedoch sein: »Beim Coachen von oberen Führungskräften geht es nicht darum, individuelle Schwächen zu beseitigen. Denn als Individuen sind die Top Executives bereits spitze.« Das Ziel lautet vielmehr: ihre Wirksamkeit erhöhen. Und hierfür muss klar sein: Wie wirkt der betreffende Top-Manager auf sein Umfeld? Und: Welche Verhaltensweisen schmälern seine Wirksamkeit? Also muss auch ein Feedback seiner Kooperationspartner eingeholt werden. Darüber sind sich alle Experten einig. Doch nicht nur dies. Den Partnern der betreffenden Person muss auch mitgeteilt werden: Was sind die ermittelten »Knackpunkte«? Und: An welchen Punkten sowie mit welchem Ziel möchte der Top Executive sein Verhalten ändern? Denn nichts verunsichert Kollegen und Mitarbeiter so sehr, wie wenn ein Unternehmensführer plötzlich scheinbar unmotiviert sein Verhalten ändert. Dann wird er für sie unberechenbar.
Ähnlich verhält es sich, wenn die Wirksamkeit eines Führungsteams erhöht werden soll. Auch dann ist laut Kai W. Dierke »eine übertriebene Geheimhaltung meist kontraproduktiv«. Denn hierfür müssen die Dynamiken durchbrochen werden, die dem Erfolg im Weg stehen. »Dies ist nur möglich, wenn auch die individuellen und kollektiven Verhaltensweisen und -muster thematisiert werden, die die Performance schmälern.«

Berater muss die »Leader-Rolle« übernehmen

Ein Beispiel. Angenommen, der Vorstand oder die Geschäftsführung eines Unternehmens hat das diffuse Gefühl: Unser Führungsteam arbeitet nicht optimal zusammen und die »Disharmonien« wirken sich negativ auf das Gesamtergebnis aus. Dann sollte laut Dierke zum Beispiel in Einzelinterviews zunächst ermittelt werden: Wie arbeiten die Top Executives zusammen? Wie werden Entscheidungen getroffen und kommuniziert? Von welchen Denk- und Verhaltensmustern lassen sie sich leiten? Und: Wie wirkt sich ihr Verhalten auf ihre Kollegen und Mitarbeiter aus?

Liegen die Ergebnisse vor, kann ein Workshop mit den Top Executives stattfinden. Darin muss der Berater laut Georg Kraus ein klares Agenda-Setting betreiben. Das heißt, er muss den Teilnehmern zunächst vermitteln, worum es geht. Zum Beispiel, dass die Leiter aller Bereiche so zusammenarbeiten, dass die angestrebte Umsatzrendite von 15 Prozent überhaupt erreicht werden kann.

Danach kann der Berater die Ergebnisse der Interviews oder des Team-Assessments präsentieren – zum Beispiel mittels Grafiken, die zeigen, wo das Führungsteam bereits spitze ist und wo noch »Soll-Ist-Abweichungen« bestehen. Liegt der Befund auf dem Tisch, muss der Berater dem Team verdeutlichen, welchen Fragen es sich stellen muss, um seine Leistung zu steigern und sicherzustellen, dass das übergeordnete Ziel »15 Prozent Umsatzrendite« erreicht wird. Der Berater muss in dem Workshop also die Rolle des Leaders übernehmen, »der das Team dazu treibt, das zu tun, was nötig ist, um die geforderten Ergebnisse zu erzielen«, erklärt Dierke.

Alpha-Tiere sind zum Sich-Verändern ­bereit

Angenommen, die Analyse ergab: Die Mitglieder der Führungsmannschaft misstrauen sich – was nicht unüblich ist. Dann hilft es wenig, wenn der Berater mit den Top Executives in Vieraugengesprächen hierüber spricht. Darauf weist Georg Kraus hin. Die Führungskräfte müssen sich vielmehr an einen Tisch setzen und gemeinsam darüber sprechen, welche Faktoren und Verhaltensmuster bei ihnen das Misstrauen bewirken. Denn nur dann können sie sich auf (Verhaltens-)Änderungen »committen«, die allmählich zu mehr Vertrauen führen.

Von Managern erfordert ein solches »Sich-Öffnen« Mut. Die meisten Top Executives sind aber zu solch »harten« Maßnahmen bereit. Denn als Alpha-Tiere haben sie laut Kai W. Dierke auch die Maxime »No pain, no gain« verinnerlicht. Deshalb nehmen sie auch Schmerzen in Kauf, wenn dies für das Erreichen des Ziels nötig ist.

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