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Das Versagen der Eliten

\"DerDie Vorbilder aus Politik und Wirtschaft haben schon mehr geglänzt. Statt Tatkraft dominiert Ratlosigkeit, statt Vision regiert Sachzwang. Gleichzeitig kosten Kungelei und Korruption die Wirtschaft Milliarden – und die Politik Vertrauen.

Von Heinz van Saanen.

Wo sind sie nur, die guten Nachrichten? Nach Jahren der Krise wären sie schon psychologisch gesehen eine Wohltat. Gewünscht wären vor allem nachhaltig gute Nachrichten. Weniger also Strohfeuer, wie etwa die Jubelnews von den Finanzmärkten. Diese reagieren derzeit eher pathologisch wie ein nervöses Reh auf der Flucht oder ein Junkie auf Entzug. Die Halbwertszeit von Euphorieanfällen an den Börsen geht gefühlterweise ohnehin bald gegen Null. Die nächste Katerstimmung und Depression ist nur eine »ZiB« entfernt. Auch auf die Weltenlenker ist wenig Verlass. Selbst ein Barack Obama wirkt entzaubert, was aber nicht weiter verwunderlich ist: Wer von den Medien derart zum neuen Messias gepusht wird, kann nur tief fallen. Oder besser gesagt in den banalen Niederungen der Realität landen. Auch ein Obama – und da nützt das ganze Charisma nichts – ist letztendlich nur das, was alle seine Vorgänger auch schon waren: ein Präsident, der die eigennützigen Interessen der USA wahrt und der genau weiß, was Politik ist – die Kunst des Machbaren und das Finden von Kompromissen. Ein bisschen mehr hätte man sich freilich schon erwartet. Obamas kühn angedachte Finanzmarktreform verkommt vom großen Wurf zum PR-Gag. Aus dem großen Masterplan wird bestenfalls ein Reförmchen. Dafür gesorgt hat eine Heerschar von Lobbyisten, die mittlerweile biblische Ausmaße annimmt. Laut Beobachtern wie »Public Citizen« wurden von der Finanzbranche seit Anfang 2009 zusätzlich noch einmal gut 1400 Lobbyisten angeheuert, um die Reform zu entschärfen. Wie weit das Primat der Politik über die Wirtschaft bereits erodiert ist, zeigen auch Schlaglichter der Ölpest. Während Obama über BP schimpft, hat der Konzern an den Stränden scheinbar schon so etwas Ähnliches wie staatliche Hoheitsgewalt. Wie Journalisten vermehrt klagen, werden sie zwischen Louisiana und Virginia von der Polizei verscheucht, um unliebsame Berichte und Bilder zu unterdrücken. Und immer öfter bekommen sie auf Nachfrage bei örtlichen Cops erstaunlicherweise zu hören, das geschähe im Auftrag von BP.

Mühen der Ebene

Auch das für Österreich wirtschaftlich und politische wichtige Role-Model Deutschland hat schon eine bessere Figur gemacht. Die Regierung Merkel/Westerwelle ist nur ein paar Monate nach Amtsantritt nahe am Zerbröseln. Dass die politische Führungs­elite in Deutschland versagen könnte, kommt nicht ganz überraschend, war sie doch eher von Wählerfrust über die Vorgängerregierungen ins Amt gespült worden als durch überzeugende Konzepte. Die Wahlversprechen wurden von Wissenschaftlern schon bei Amtsantritt als unrealisierbar und wirtschaftlicher Wahnwitz bezeichnet. Was ist vom angekündigten großen Wurf geblieben? So etwas wie eine fast schon unanständige Klientelpolitik für Einzelgruppen wie Hoteliers – und ein Sparpaket, das selbst konservative Kräfte als sozial unausgewogen kritisieren. Dafür hat Guido Westerwelle – so etwas wie eine Mischung aus »Eiserner Lady« und Jörg Haider – einen neuen Rekord aufgestellt und laut Umfragen innerhalb von ein paar Monaten seine Anhängerschaft um sagenhafte zwei Drittel reduziert.

Folgt man den jüngsten Äußerungen von namhaften Meinungsbildnern, dürften auch Österreichs Führungseliten nicht ganz frei von politischem und wirtschaftlichem Irrationalismus sein. WKO-Chef Christoph Leitl wird erstaunlicherweise nicht müde, immer wieder so etwas wie eine tragfähige und umfassende Bundesstaats- oder Verwaltungsreform einzufordern. Damit würde nicht nur die Republik etwas entlüftet und modernisiert. Damit einhergehend wären noch Euro-Milliarden zu heben, wie auch schon viele Rechnungshofpräsidenten vorgerechnet haben. Geld, das quasi auf der Straße liegt und dringend für Bildung, Arbeitsmarkt, Wirtschaftsförderung oder Budgetsanierung gebraucht werden würde. Aber was geht weiter? So gut wie nichts. Seit Jahrzehnten zerschellen alle guten Vorsätze an Kleingeisterei und Partikularinteressen. Die Österreicher sind mit ihrer politischen Elite ohnehin geduldig wie Ochsen. Aber noch so ein sinnfreier und folgenloser »Verwaltungskonvent« wie der letzte könnte selbst das Phlegma der geduldigsten Landsleute überfordern.

Strapazierter Geduldsfaden

Die mangelnde Problemlösungskompetenz der politischen Elite lockt mittlerweile weitere Kritiker aus der Reserve, die nicht gerade als verbale Rabauken verschrien sind. Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer ist jüngst förmlich der Kragen geplatzt. Fast schon ultimativ forderte Mödlhammer, dass mit »Parteiengezänk und taktischen Spielchen« endlich Schluss sein müsse,  wenn es um ernsthafte Krisenbekämpfung geht. Die Menschen hätten es satt, Tag für Tag mit unausgegorenen Vorschlägen von allen Seiten konfrontiert zu werden. Die Bevölkerung habe ein Recht darauf, dass die großen Probleme und Herausforderungen endlich angepackt werden. Gleichzeitig forderte Mödlhammer einen »Pakt für Österreich«, bei dem sich die relevanten Kräfte zusammensetzen und parteiübergreifend über den Sommer ein gesellschaftlich tragfähiges Maßnahmenpaket zur Sanierung der öffentlichen Haushalte entwickeln.

Nicht nur Leitl, Mödlhammer oder Ex-Rechnungshofpräsidenten wollen endlich Ergebnisse sehen. Auch Wifo-Chef Karl Aiginger schlug erst jüngst in dieselbe Kerbe.  Zur Bewältigung der Struktur- und Verwaltungsreformen und Sparpakete müssten Bund, Länder und Gemeinden endlich am »selben Strang ziehen«. Er kritisierte gleichzeitig teure Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung und geplante Einsparungen bei Bildung oder Wissenschaft. Auch Aiginger wünscht sich einen »nationalen Zukunftspakt«, bei dem sich die Entscheidungsträger noch über den Sommer hinweg zusammensetzen, um gemeinsam tragfähige und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln. Die Aussichten für so ein positives Szenario sind allerdings nicht gerade rosig. Nicht einmal parteiintern sind die Fronten klar. ÖVP-Wissenschaftsministerin Beatrix Karl etwa bezieht Prügel aus den eigenen Reihen, weil sie eine Bildungsreform nur andenkt. Kanzler Werner Faymann wiederum freute sich nach SP-internen Stimmen über den frühsommerlichen Parteitagstermin. Damit erspare er sich Streichorgien, wie sie nach allfälligen Herbstverlusten der Wiener SPÖ wahrscheinlich wären.

\"Keine»Freunderln und Seilschaften«

So verständlich die parteipolitischen Manöver auch sein mögen, sie blockieren zunehmend die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Zu allem Überdruss feiern in der Krise auch noch Korruption und Schattenwirtschaft einen Höhenflug (siehe Kasten). Um Peanuts handelt es sich dabei nicht. Laut dem Linzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider liegt der alleine durch Korruption verursachte Schaden für die heimische Wirtschaft bereits bei 26 Milliarden Euro. Noch 2005 waren es »nur« 21 Milliarden. Parallel dazu berichtet  Eva Geiblinger, Chefin des österreichischen Zweiges von  Transparency International (TI), dass die Alpenrepublik im weltweiten Korruptionsranking von Platz 12 auf Platz 16 abgerutscht ist. Das ist vergleichsweise immer noch beachtlich, aber Österreichs Maßstäbe sollten schon andere sein als die von Kasachstan oder Sierra Leone.  Auf der TI-Veranstaltung ging die Personal-Legende Othmar Hill mit den Mechanismen der heimischen Selektion von »Elite-Managern« hart ins Gericht.

Kaltschnäuzig forderte Hill, dass die Besetzungspolitik für Vorstände – nicht nur, aber vor allem in staatsnahen Unternehmen – »korrekt statt korrupt« sein sollte. Und votierte mit dieser Äußerung nicht nur gegen »Freunderlwirtschaft und Seilschaften«, sondern auch gegen die »wirtschaftlichen Katastrophen«, die durch derartige Fehlbesetzungen ausgelöst werden. An hohen Bezügen und Boni mangelt es für Teile dieser »Manager-Elite« auch dann nicht, wenn die Leistung maximal mittelmäßig ist. Das meint zumindest Konsum-Sanierer und Unternehmer Hansjörg Tengg. »In den Gremien sitzen oft geschlossene Gesellschaften, die sich gegenseitig und miteinander hinauflizitieren. Das nennt man dann marktkonform«, konstatiert Tengg trocken.

 

>> Korruptionstadel Österreich

\"Othmar

Harter Tobak für Optimisten, die Österreich für eine Insel der Seligen halten: Ende Mai stellte der Linzer Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider seine jüngste Studie vor. Statt Sauberkeit herrscht Korruption, so das akademische Fazit des Korruptionsforschers. Seit Jahren steige der volkswirtschaftliche Schaden und werde heuer bereits 26 Milliarden Euro ausmachen. Nur kurz später fand auf der Pressekonferenz von »Transparency International« eine Abrechnung mit den »Gepflogenheiten« bei Postenbesetzungen in der Management-Elite statt. Hill-CEO Othmar Hill forderte eine »korrekte statt korrupte« Besetzungspolitik für Vorstände und Aufsichtsräte und kritisierte Scheinausschreibungen, Postenschacher und Freunderlwesen. Kollege Georg Turnheim von der Hill-AMC Management legt noch eins drauf und übertrug die Transparenz- und Kompetenzprobleme auf eine gesellschaftliche und politische Ebene. »Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken«, diagnostizierte Turnheim.

 

 

 

>> Kragen geplatzt

\"Gemeindebund-Präsident

Helmut Mödlhammer platzte der Kragen. Bei der Krisenbekämpfung müsse endlich Schluss sein mit Parteiengezänk und taktischen Spielchen, forderte der Gemeindebund-Präsident. Die Menschen hätten es satt, Tag für Tag mit unausgegorenen Vorschlägen von allen Seiten konfrontiert zu werden. Gleichzeitig sei die Bevölkerung verunsichert und erwarte zu Recht, dass die Politik die großen Herausforderungen endlich anpacke. In einer Art »Pakt für Österreich« sollen alle relevanten Kräfte über den Sommer hinweg ein Maßnahmenpaket zur Sanierung der öffentlichen Haushalte erarbeiten, über das gesellschaftlicher Konsens besteht. Auf den Pakt gekommen ist auch Karl Aiginger. Der Wifo-Chef wünscht sich einen »nationalen Zukunftspakt«, um überfällige Strukturreformen und Doppelgleisigkeiten endlich anzugehen. WKO-Chef Christoph Leitl muss ob seiner beständigen Rufe nach ernsthaften Reformen ohnehin schon heiser sein. Die Reaktion der Politik? Finanzminister Josef Pröll verwies auf sein letztes Jahr vorgeschlagenes »Verwaltungsreform-Konklave«. Vielleicht wird es mit der Verwaltungsreform ja noch etwas in diesem Jahrhundert.

 

 

 

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