Menu
A+ A A-

Unbekanntes Hinterland

Türkisfarbene Strände und abgelegene Buchten haben Istrien zu einem beliebten Urlaubsziel gemacht. Dabei hat die Halbinsel viel mehr zu bieten: Im vom Massentourismus noch weitgehend verschonten Hinterland locken mittelalterliche Städte, malerische Landschaften und vor allem jede Menge kulinarische Köstlichkeiten.

Wer an Istrien denkt, der denkt vor allem an die Adriaküste, an Porec, Novigrad, Pula und Rovinj. Echten Kennern fallen vielleicht noch Rabac und Opatija im Osten und Medulin im Süden der Halbinsel ein. Aber kaum jemand wird mit den Namen Buje, Motovun, Hum oder Groznjan aufwarten können. Wenn doch, dann handelt es zweifellos um einen echten Istrien-Experten. Denn diese Ortschaften liegen nicht an der Adria oder der Kvarner-Bucht, sondern im verschlafenen Hinterland. Dort, wo Istrien noch authentisch ist. Wo Deutsch nicht die wichtigste Sprache ist und Touristen eine vernachlässigbare Größe darstellen. Von den jährlich rund 17 Millionen Übernachtungen in Istrien entfallen nur rund 900.000 auf das Hinterland. Und selbst das ist verglichen mit den letzten Jahren schon recht viel. »Mitte der 1990er-Jahre gab es im gesamten istrischen Hinterland gerade einmal 500 Gästebetten, heute sind es 17.000«, erzählt Guido Schwengersbauer, der in der Nähe von Buje die Casa Romantica »La Parenzana« betreibt. Benannt wurde das kleine Landhotel nach der direkt am Haus verlaufenden Trasse der Parenzana-Schmalspur-Eisenbahn, die ab 1902 33 Ortschaften der österreichisch-ungarischen Monarchie miteinander verband. Die Fracht bestand vor allem aus Meeresfrüchten, Fisch, Olivenöl, Trüffeln und Wein, die zu den kaiserlichen und königlichen Höfen transportiert wurden. Deshalb wurde die Bahn im Volksmund auch Weineisenbahn genannt. Heute wird die stillgelegte Trasse im Rahmen eines EU-Projekts revitalisiert und führt als Mountainbikestrecke und Wanderweg zwischen Koper und Porec durch eine der schönsten Landschaften Istriens.

Malerisches Mittelalter
In den pittoresken Städtchen und Dörfern im istrischen Hinterland hat man unweigerlich das Gefühl, in eine Zeitmaschine geraten zu sein. Weder Werbeflächen noch internationale Ketten stören das mittelalterliche Gesamtbild. Nur die wenigen Satellitenschüsseln und die – meistens, aber nicht immer – asphaltierten Straße sind Zeugnis der Gegenwart. Sie führen die Besucher in vielen Serpentinen die Hügel hinauf in Städte wie Motovun. Das Burgenstädtchen thront auf der Spitze eines steilen Hügels über dem Mirnatal. Die tolle Aussicht genießt man am besten während eines kurzen Rundganges auf der durchwegs begehbaren Stadtmauer. Eine nicht minder schöne Aussicht bietet das Künstlerstädtchen Groznjan. Hier findet im Sommer ein international besetztes Jazzfestival statt, dazu gibt es jede Menge Galerien und Kunsthandwerker. Ebenfalls einen Besuch wert ist Hum, die mit 18 Einwohnern angeblich kleinste Stadt der Welt. Auch hier zeigt sich, wie wenig sich in den letzten Jahrhunderten verändert hat. Gebaut auf den Resten einer alten Festung, sind Grundriss und Aussehen der Stadt seit dem 11. Jahrhundert unverändert geblieben. Außerdem wird hier der »Humska Biska« angeboten, der berühmte Kräuterschnaps, der als Wundermittel gegen allerlei Wehwehchen eingesetzt wird.

Gourmetziel Istrien
Absolutes Highlight eines jeden Aufenthaltes ist die typisch istrische Küche, und zwar abseits von Cevapcici und Pljeskavica. Fast überall findet man kleine, bodenständige Konobas, die sich ganz den klassischen Gerichten der Halbinsel verschrieben haben. Fleisch wird entweder am Holzkohlengrill zubereitet oder unter der Peka, der traditionellen Tonhaube. Dazu kommen jede Menge Fisch und Meerestiere, preisgekrönte Olivenöle, im Frühling der Spargel, und dann natürlich der Trüffel, der zweimal im Jahr Saison hat. Ab Mai ist es der schwarze Trüffel, der großzügig über Nudeln, Eier und Steaks gehobelt wird. Ab September beginnt mit dem »Tuber magnatum pico«, dem Weißen Trüffel, der absolute Höhepunkt des istrischen Genussjahres. Dann machen sich mehr als 1.000 Istrianer mit ihren Hunden auf Trüffelpirsch, um in den Eichenwäldern des Mirnatales nach der Aromaspezialität zu suchen. Hier wurde 1999 auch die Weltrekordtrüffel mit 1,3 Kilogramm aus der Erde gebuddelt. Eine weitere Spezialität ist der Prsut, ein leicht salziger Rohschinken, den viele Kenner sogar über seinen italienischen Verwandten, den Prosciutto, stellen. Und auch die Weinszene Istriens ist nicht zu verachten: Angebaut werden vor allem regionale Sorten, internationale Sorten nur dann, wenn Bodenproben und Terrain eindeutig dafür sprechen. Es ist nicht zuletzt dieses breite kulinarische Angebot, das Istrien auch im Herbst zu einer spannenden Destination macht. Positiver Nebeneffekt für alle Herbstreisenden: Auch in den Küstenorten geht es dann deutlich ruhiger zur Sache. Und ein Besuch in Porec, Rovinj oder Novigrad lohnt sich allemal.


Exkurs: Weinland Istrien
Istrien war nicht immer ein guter Boden für Weinliebhaber. Lange Zeit ging es den Weinbauern vor allem darum, eine möglichst große Traubenmenge an staatliche Genossenschaften abzuliefern. Dank einer Qualitätsoffensive in den 90ern gibt es heute in Istrien jede Menge ambitionierte Winzer. Auf den Anbauflächen dominieren die Rebsorten Malvasier (weiß) und Teran (rot). Etwa 80 Prozent der Weißweine sind Malvasier und gelten als Rarität, weil sie, außer im italienischen Collio, nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. Der Teran wird wegen seines hohen Milchsäuregehaltes und der ungewöhnlichen Konzentration an polyphenolhaltigen Bestandteilen von den Istriern als heilkräftige Antioxidanz verehrt.
Die beiden Hauptanbaugebiete befinden sich im Westen der Halbinsel. Mehr als 80 Prozent des istrischen Weines wurzeln in der fruchtbaren roten Erde rund um die Ortschaften Buje und Porec. Für Weinliebhaber ziehen sich fünf als »Vinska cesta« gekennzeichnete Weinstraßen durch Istriens Weingärten.

 

 

back to top