Risiko
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In diesem dritten Teil des Arbeitsauftrages »Überlegene Unternehmensqualität schaffen« wird mit der Diskussion des Beschreibungs- und Gestaltungsbereichs Risiko1 , die Gedankenführung zur umfassenden Herstellung und Bewahrung einer überlegenen Unternehmensqualität fortgesetzt. Jede Opportunität2 wird von Risiken begleitet und jedes Risiko birgt auch Chancen in sich, die es zu erkennen und nutzen gilt.
Umfassendes Risikobewusstsein schaffen
Unternehmen durchlaufen immer wieder schwächere oder stärkere Krisen, die als solche erkannt oder nicht erkannt bzw. gestaltet oder nicht gestaltet werden. Die nachfolgende Abbildung stammt von Ulrich Krystek und wurde von Christoph Hermann etwas modifiziert und ergänzt.3
Zwischen potenziellen, latenten und akuten Risiken unterscheiden
Wie aus der Abbildung zu erkennen ist, verändert sich in der Phase der »Potenziellen Risiken« das Risikobewältigungspotenzial nach oben zuerst nicht und steigt dann nur schwach an. Dieser Anstieg kann durch die Kommunikation von eventuellen Risiken bewirkt werden, da dadurch ein mögliches Auftreten nicht mehr unerwartet passiert und die informierten Personen Verantwortung übernehmen müssen. Die Ausrede: »Das habe ich nicht gewusst« fällt somit weg.
In der Phase der »Latenten Risiken« gibt es schon vorzeigbare Beispiele für schlagend gewordene Risiken und es können auch nachvollziehbare Szenarien für das Eintreten weiterer Schadensfälle beschrieben werden. Dadurch kann die Konfrontationsbereitschaft zur konkreten Beschäftigung mit solchen (latenten) Risiken geweckt und klare Verantwortlichkeit für die Gestaltung zugewiesen werden.
In der Phase der »Akuten Risiken« liegt ein akuter Handlungsbedarf vor und es ist dieser für die meisten Betroffenen auch einsichtig. Er bedarf keiner Begründung mehr, sondern der konkreten Koordination und Umsetzung der Schadensminimierung mit Unterstützung der freigesetzten Krisenenergie.
Umfassendes Risikobewusstsein macht mutig und schafft Wettbewerbsvorteile
Das Krisenmodell von Krystek hat sich schon vielfach zur umfassenden Bewusstmachung von schlummernden, sichtbar gewordenen und eingetretenen Risiken bewährt. Durch eine wirkungsvolle und sich immer wieder wiederholende Bewusstmachung von Risikopositionen arbeiten Führungskräfte an dem Aufbau einer überlegenen Position bei der Risikobeherrschung und damit der Verbesserung ihrer Wettbewerbsposition. Ein umfassendes Risikobewusstsein verbunden mit einer überlegenen Risikobeherrschung macht nicht ängstlich, sondern mutig für die Annahme von neuen und größeren Herausforderungen.
Erfolge und Krisen sind meist hausgemacht
Franz Bailom, Kurt Matzler und Dieter Tschemernjak gingen mit einer intensiven und empirisch gut fundierten Studie der Frage nach »Was Top-Unternehmen anders machen«.4 »Innovationsfähigkeit, Kernkompetenzen und Marktorientierung liegen im Inneren des Unternehmens. […] Der Erfolg eines Unternehmens entscheidet sich nicht so sehr am Markt, sondern im Inneren des Unternehmens.«5 Diese Aussagen sind für gestaltungswillige und -fähige Führungskräfte Frohbotschaften, andererseits aber auch klare Hinweise darauf, dass nicht nur Erfolge, sondern auch Misserfolge, dominant hausgemacht sind. Betreffend Krisenauslösern und Insolvenzursachen kommen die Czipin Turnaroundstudien 6 und der KSV 1870 7 zu ähnlichen Ergebnissen. Dies überrascht nicht, denn auch die empirische Untersuchung im Rahmen des Buches »Überlegene Unternehmensqualität schaffen« kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Nur ein Drittel, der an dieser Untersuchung teilnehmenden Unternehmen hat die Qualitäten ihrer Führung mit gut oder sehr gut bewertet, der Rest liegt bei mittelmäßig oder darunter. 8
Schlüsselergebnisse der empirischen Forschung
Für die Auswertung wurden 45 Datensätze von an dem Forschungsprojekt teilnehmenden Unternehmen herangezogen. Die Auswertung erfolgte mithilfe von Mittelwertbildungen sowie von Regressions- und Clusteranalysen.
Nur ein Viertel der Unternehmen hat ein gut integriertes Risikomanagement
Es wird zwar viel von Komplexitätsbeherrschung und systemischem Management gesprochen und geschrieben, getan wird dafür aber offensichtlich wenig. Nur in dem besten der vier gebildeten Cluster, der 26 Prozent der teilnehmenden Unternehmen umfasst, ist im Durchschnitt ein gut integriertes Risikomanagement vorhanden. In den anderen drei Clustern liegen die Bewertungen bei mittelmäßig bzw. noch wesentlich tiefer. Es fehlen in diesen Unternehmen offensichtlich die Voraussetzungen für den Aufbau eines solchen. Gute Unternehmen investieren viel in die Schaffung von Voraussetzungen, schlechte wenig. Damit öffnet sich die Schere für das Leben mit komplexen Phänomenen immer mehr und ein Aufholen wird immer unwahrscheinlicher und mühsamer.
Das Risiko der Erstarrung von Unternehmen wird unterschätzt
Rund ein Drittel der teilnehmenden Unternehmen weisen schon sich der Existenzgefährdung annähernde Erstarrungsgrade auf. Die Freude und Begeisterung zu der Vornahme von Veränderungen ist bereits bei dem Verlassen des besten Clusters weitgehend erloschen. In den erstarrenden Unternehmen wird es immer stiller.
Auf die Verbindung von Personen, Systemen und der Organisation achten
Es geht hier um die zur jeweiligen Situation und den Zielen der Organisation passenden Verbindungen zwischen den Personen, Systemen und der Organisation. Denn nur durch ein umfassendes Denken und Gestalten kann ein den jeweiligen Anforderungen entsprechendes integriertes Risikomanagement geschaffen werden. Dies bedeutet funktions- und bereichsübergreifend zu denken und gestalten, was allerdings durch mehrfaches Üben erlernt werden muss. Wer diesen Übergang zum umfassenden Denken und Gestalten nicht schafft, dessen Unternehmen wird wesentliche Wettbewerbsnachteile im Kauf zu nehmen haben.
Zusammenfassung
In der Forschung und in dieser Kolumne wurde ein umfassender Beschreibungs- und Gestaltungsansatz für die Behandlung der Themenstellung Risiko gewählt. Es wird dabei empfohlen, zwischen potenziellen, latenten und akuten Risiken zu unterscheiden, da für diese unterschiedliche Ansätze – Kommunikation der Risikomöglichkeit, Wecken der Konfrontationsbereitschaft und Nutzen der »Energiespende« – erforderlich scheinen. Eine offensive Beschäftigung mit der Themenstellung Risiko kann im Laufe der Zeit Wettbewerbsvorteile schaffen, die nur schwer von den Mitbewerbern einzuholen sind. Mehrfach wird des Weiteren aufgezeigt, dass der überwiegende Teil der Erfolge und Misserfolge als hausgemacht anzusehen ist. Dies kann als eine Frohbotschaft und soll als eine Aufforderung zum Erkennen der Ursachen und der bewussten Übernahme der Verantwortung von Misserfolgen angesehen werden.
Obwohl viel über die Notwendigkeit der Integration von Teilbereichen und der Beherrschung von Komplexitätsphänomenen gesprochen und geschrieben wird, wurde aufgezeigt, dass nur ein Viertel der an der empirischen Untersuchung teilnehmenden Unternehmen ein gut ausgeprägtes integriertes Risikomanagement aufweist. Das Risiko, dass Unternehmen ständig von der Erstarrung bedroht sind, wird unterschätzt. In einem Drittel der Unternehmen wurden zunehmend die Existenz bedrohende Erstarrungsgrade sichtbar gemacht.
Wer ein umfassendes und integriertes Risikomanagement auf hohem Niveau erreichen bzw. dann auch halten will, der hat sich intensiv um eine den Zielen und der jeweiligen Situation entsprechende Passung von Personen, Systemen und der Organisation zu kümmern. Diese Passung stellt eine Grundvoraussetzung für den Aufbau und die Erhaltung eines umfassenden und integrierten Risikomanagements dar.
Die Kolumne im Juli 2011 befasst sich mit dem Beschreibungs- und Gestaltungsbereich Wertschöpfung.
>> Fussnoten:
1 Vgl. Risak, J. (2010): Überlegene Unternehmensqualität schaffen, Wien, S. 97–119.
2 Vgl. Risak, J. (2011): Überlegene Unternehmensqualität schaffen, Teil 2: Opportunitäten, in: Report(+)Plus, Heft 5, S. 24–25.
3 Krystek, U. (1981): Unternehmenskrisen, Wiesbaden, S. 39 und Hermann, C. (2005): Bewältigung von Krisenprozessen in Unternehmen – Weiterentwicklung des Krisenmodells von Krystek, Diplomarbeit am Institut für Unternehmensführung an der WU Wien, S. 95.
4 Bailom, F./Matzler, K./Tschemernjak, D. (2006): Was Top-Unternehmen anders machen, Wien.
5 Bailom, F./Matzler, K./Tschemernjak, D. (2006), S. 50.
6 Vgl. Czipin Turnaroundstudien (www.czipin.at, Abfrage 1. Juni 2011).
7 Vgl. KSV 1870 (2011): Pleitenursachen 2010: Weniger Vorsatz, mehr internes Chaos, www.ksv.at, Abfrage 1. Juni 2011).
8 Risak, J. (2010), S. 45.