Lernen für die Zukunft
- Written by Redaktion
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Produktmängel, unzureichende oder falsche Informationen sowie Lieferverzug sind die drei wesentlichen Gründe für die Unzufriedenheit von Kunden. Dabei wäre die Stärkung dieser Kompetenzen eine Investition in die Zukunft.
Das 17. qualityaustria-Forum stand heuer unter dem Thema »Lessons Learned – Learning for the Future«. Mehr als 700 Gäste nahmen am 17. März an der hochkarätig besetzten Tagung im Congress Salzburg teil. „Eine gelernte Lektion könnte lauten: Qualitätsmanagement stärkt das Immunsystem des Unternehmens«, gab Konrad Scheiber, CEO der Quality Austria Trainings-, Zertifizierungs- und Begutachtungs GmbH, das Motto des Tages vor. Laut Konsumentenbarometer 2009 des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hatten 29 Prozent der ÖsterreicherInnen bei Produkten oder Dienstleistungen Anlass zur Beschwerde. Mangelhaftigkeit des Produktes wird mit 58 Prozent der Nennungen mit Abstand am häufigsten angeführt. Auf Platz zwei folgen irreführende, unzureichende oder falsche Informationen mit 19 Prozent, Rang drei belegt mit elf Prozent der Lieferverzug. Die dadurch entstandenen Verluste sind enorm: Laut Consumer Markets Scoreboard verursacht mangelnde Qualität Kosten in Höhe von 36 Milliarden Euro jährlich in Europa. Mit ihrer Kritik werden die KonsumentInnen jedoch meist im Regen stehen gelassen. 46 Prozent der Unternehmen reagieren auf Beschwerden gar nicht. In etwa einem Drittel der Fälle werden Beschwerden zumindest teilweise anerkannt. Neun Prozent der Beschwerden werden zurückgewiesen, mit sieben Prozent befassen sich außergerichtliche Einrichtungen. Nur in fünf Prozent der Fälle gibt es kundenfreundliche Gesten.
Kompetenz statt Qualifikation
Verbesserungspotenziale gibt es noch mehr als genug, wie die Diskussionsbeiträge der Podiumsteilnehmer im Expertentalk anschaulich zeigten. Lebenslanges Lernen ist auch für Unternehmen, Organisationen und Netzwerke unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Prozessorientierung der ISO 9001 im Jahr 2000 war diesbezüglich ein Meilenstein im Qualitätsmanagement.
»Der Auditor wurde anfangs mehr als Polizist, nicht als Berater gesehen«, erzählte etwa Rudolf Janesch, Geschäftsführer des Leiterplattenproduzenten Häusermann über den schwierigen Beginn. »Inzwischen wissen wir: Audits sind kein Grund zum Fürchten, sondern eine gute Möglichkeit, Dinge noch einmal zu überdenken und sich weiter zu entwickeln.« Auch Christoph Becker von Tyco Electronics Austria zog eine durchwegs positive Bilanz über 20 Jahre Zertifizierung: »Ich bin jedem dankbar, der uns den Spiegel hin hält.« Johann Bock, Geschäftsführer der Becom Electronics, meinte gar, dass sie ohne ISO-Zertifizierung immer noch »weiterwurschteln« würden.
Nicht nur die Unternehmen haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten weiterentwickelt, auch die Managementstandards haben sich massiv verändert. »Neue Kommunikationstechnologien wie Intranet oder Wiki-Lösungen haben die Dokumentation und die Rückverfolgbarkeit von Änderungen nicht nur vereinfacht, sondern auch standortübergreifendes Arbeiten nach den gleichen Standards gefördert“, erklärte Scheiber. Kopierorgien von Handbüchern vor den Audits gehören damit der Vergangenheit an. Scheiber betonte vor diesem Hintergrund auch internationale Entwicklungen in der Normung: »Stand früher die Qualifikation der Auditoren im Mittelpunkt, stellt sich nun die Frage nach der Kompetenz der Auditoren. Die Bewertung, Messung und Entwicklung der Kompetenzen der Mitarbeiter werden die Herausforderungen der Zukunft sein.«
In diesem Zusammenhang ist auch der Personalabbau älterer Mitarbeiter zu überdenken. Untersuchungen von David Livingston im Jahr 1999 zeigten, dass vor allem junge Mitarbeiter in hohem Maße von anderen Kollegen lernen, ab 35 Jahren nimmt dieser Anteil aber rapide ab. Dafür steigt jener Prozentsatz unter den älteren Arbeitnehmern, der durch selbstständige Bemühungen lernt. Die Unterstützung der Unternehmen verläuft jedoch genau diametral: Mitarbeiter im Alter von 35 bis 44 Jahren werden vom Arbeitgeber am stärksten gefördert, ältere Arbeitnehmer stehen dann immer weniger im Blickpunkt der Personalentwicklung. »In Anbetracht der demografischen Entwicklung und des drohenden Fachkräftemangels sollte radikal umgedacht werden, um lebenslanges Lernen auch für Arbeitnehmer ab 45 möglich und attraktiv zu machen«, plädierte Scheiber. »Ich entscheide selbst, ob ich lernen will. Dies gilt sowohl für Individuen als auch für Organisationen. Das Audit kann einen Flow-Zustand erreichen und damit die Kompetenzentwicklung in der Organisation massiv fördern.«
Starker Entwicklungshebel
Wolfgang Hackenauer, Produktmanager Umwelt bei Quality Austria, lud in seinem Vortrag zu einer Zeitreise ein und ermutigte, die internen und externen Auditausblicke genau zu betrachten: »Diese geben oft viele wertvolle Rückschlüsse auf die Vergangenheit.«
Strategische Änderungen bewirken Rückkoppelungen auf die Produktion oder Dienstleistungserbringung, auf die Mitarbeiterentwicklung bis hin zum Einkauf. Auch Marketing und Vertrieb sind betroffen. Ein Beispiel: Ein Einkaufsprofi besucht ein Seminar über neueste Einkaufstechniken. Ein Vertriebsprofi studiert in einer anderen Ausbildung die neusten Marketingmethoden. Doch kommunizieren die beiden auch miteinander und tauschen sich gegenseitig über das Erlernte aus? Und würde das Unternehmen nicht viel mehr profitieren, wenn der Einkäufer als Experte im Audit-Team die kundenbezogenen Prozesse mit auditieren würde?
Für Hackenauer steht »die Kundenzufriedenheit als Maß der gemessenen Systemleistung« im Fokus. Auch Umwelt- sowie Sicherheits- und Gesundheitsschutzaspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Interne und externe Audits sind eine Form des aktiven Riskmanagements, da mögliche Schwächen oder Gefahren systematisch erkannt und frühzeitig Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden können.
Sand im Getriebe
Die ISO 9001 hat in vielen Unternehmen den reibungslosen Arbeitsfluss erleichtert. Prozessmanagement ist heute integraler Bestandteil des Qualitätsmanagements. Aber wie viele Organisationen arbeiten wirklich prozessorientiert? Das Frauenhofer Institut für Produktionstechnologie in Deutschland kommt in der aktuellen Studie »Qualität in produzierenden Unternehmen Deutschlands 2010« zum Schluss, dass es durchaus noch Verbesserungspotenziale gibt. Mangelnde Kommunikation und Abstimmung zwischen den Prozessen, unklare Zielvorgaben oder Prozessabläufe, die nicht eingehalten werden, sind die wesentlichsten Gründe für die nicht zufriedenstellende Abwicklung von Geschäftsprozessen.
Im Mittelpunkt stehen die Menschen. Sie setzen die Abläufe um. »Die konkrete Umsetzung ist die größte Hürde«, erläuterte Franz-Peter Walder, Vorstandsmitglied von Quality Austria in seiner Präsentation. Er empfiehlt deshalb, die Reflexion der Mitarbeiter im Projektteam, in den Abteilungen, aber auch abteilungs- und firmenübergreifend zu fördern. Motivation ist ein wichtiges Element. Insbesondere die Führungskräfte sollten dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Leistung, Aufgaben und der Informationsfluss sind aktiv zu managen – ein Punkt, der im folgenden Expertentalk von Markus Stelzhammer, Head of Quality Management bei Siemens Österreich, bestätigt wurde: »Qualitätsmanagement fokussiert nicht nur Prozesse, sondern auch die Führung. Bei uns ist das ganze Board involviert.« Verbesserungsvorschläge würden besser angenommen, wenn sie von den Mitarbeitern selbst entwickelt werden, erklärte Thorsten Krones, verantwortlich für das Integrierte Managementsystem bei der ÖBB-Infrastruktur: »Es wird anschaulicher, wenn die Mitarbeiter die Abläufe selbst reflektieren.« Angesprochen auf Schwierigkeiten in der Umsetzung, bekannte Uwe Löcker, Qualitäts- und Umweltmanager des Unternehmens Georg Fischer Fittings, überraschend offen: »Wir haben sehr gute Leute in den einzelnen Produktionsbereichen. Aber sobald es übergreifend wird, haben wir Probleme.« Abläufe, die sich in der mehr als 100-jährigen Firmengeschichte verfestigt hätten, wären nicht so leicht zu ändern. Eine typische Ausspruch der Mitarbeiter sei: »Das haben wir immer schon so gemacht, warum sollen wir das jetzt anders machen?«
Informelle Netzwerke
In Organisationen und Unternehmen gibt es Strukturen, Prozesse und Regeln, die von Menschen ausgefüllt werden. Zwischen diesen Menschen bestehen Beziehungen, sie bilden ein Netzwerk. Durch rasche Veränderungen stößt die Optimierung von Systemen immer wieder an ihre Grenzen. Es gibt Phasen, in denen man ein persönliches Netzwerk braucht, um Veränderungen herbeizuführen und die Organisation weiter zu entwickeln, erläuterte Anni Koubek, Innovationsexpertin bei Quality Austria.
Wenn eine Organisation verstehe, wo Qualitätsmanagement an Systemgrenzen, Hierarchien oder Kommunikationseinbahnen steckenbleibt, könne dies positiv genutzt werden. Denn Menschen beziehen bei ihren Überlegungen die Entscheidungen ihrer Mitmenschen ein. Und zwar nicht aus Konformitätsdruck, sondern ganz rational begründbar.
Jene 29 Prozent der ÖsterreicherInnen, die im letzten Jahr Anlass zur Beschwerde hatten, lösten demnach negative Informations-kaskaden aus. „Beschwerden werden von vielen Unternehmen als Belastung gesehen. Eigentlich handelt es sich aber um externe Qualitätssicherung«, rief Josef Kubitschek, Geschäftsführer des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), zu einem Umdenken in den Unternehmen auf. Allein beim VKI, einer der größten österreichischen Verbraucherinstitutionen, gehen jährlich 200.000 bis 250.000 Anfragen ein. Viele dieser Konsumenten haben aber bereits zuvor – meist erfolglos – Schritte unternommen. Trotz dieser bestehenden Handicaps sei die Entwicklung des Qualitätsmanagements durchaus beachtlich, so Quality Austria-Chef Scheiber abschließend. Auch in Zukunft bleibe das Thema Kompetenzentwicklung ein zentraler Wettbewerbsfaktor – selbst wenn sich das noch nicht in allen Branchen herumgesprochen hat. Beim Baugewerbe war Scheiber als Häuselbauer nämlich an unüberwindbare Grenzen gestoßen: »Es gibt offenbar qualitätsresistente Organisationen.«
>> Wertschöpfende Audits:
Drei wichtige Voraussetzungen, um den Wert der Organisation zu steigern:
1. Was ist die Auditpolitik? Quality Austria empfiehlt, Erwartungen, Bedarfe und Spielregeln vorher klar festzulegen.
2.Welche Auditstrategie wird verfolgt? Wenn man höchste Geheimhaltung, ausgedehnte Mittagspausen und ausschweifende Ausführungen beim Audit gutheißt, lernt man nichts.
3. Welche Auditziele werden verfolgt? Soll das Audit ausschließlich auf den Konformitätserhalt mit geringstem Aufwand abzielen? Soll dabei die Führung weitgehend in Ruhe gelassen werden? Auch hier bezieht Quality Austria eine klare Position: Selbstverständlich ist die Konformitätsbestätigung ein Muss-Ziel, aber die Organisationen sollten sich für das Lernen öffnen und das Audit als Lern- und Wissensplattform erkennen. Darin liegen die Zukunftspotenziale.
>> Qualitätspioniere:
Folgende Unternehmen feierten ihr 20-jähriges ISO 9001-Jubiläum und wurden im Rahmen des qualityaustria Forums ausgezeichnet:
>Becom. Der Spezialist für Industrieelektronik und Hardwareentwicklung beschäftigt in Lockenhaus/Bgld. sowie im Tochterunternehmen in Ungarn insgesamt 340 Mitarbeiter. Firmenphilosophie: »Neue Aufgaben als willkommene Herausforderung sehen«.
>Häusermann. Von einem Pionier in der Leiterplattenproduktion entwickelte sich die Firma zu einem der führenden Hightech-Unternehmen. Nach der Hochwasserkatastrophe 2002 musste der Kamptaler Betrieb mit seinen 180 Mitarbeitern neu durchstarten. Credo: »Kompetenz, anspruchsvolle Technologie und höchste Qualität.«
>Brigl & Bergmeister. Der Spezialist für Etiketten- und flexible Verpackungspapiere ist in Niklasdorf/Stmk. sowie in Slowenien ansässig und beschäftigt rund 500 Mitarbeiter. Die Komplexität der Produktpalette macht Qualitätssicherung unumgänglich. 2004 erreichte das Unternehmen auch das Umweltzertifikat.
>Zumtobel. Der international führende Anbieter ganzheitlicher Lichtlösungen dirigiert von der Zentrale in Dornbirn 50 eigene Vertriebsorganisationen in 70 Ländern. Neben Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Lichttechnik engagiert sich das Unternehmen vorbildlich in der Lehrlingsausbildung.
>Tyco Electronics Austria. Das Waldviertler Unternehmen produziert elektronische Steckverbindungssysteme und Relais für alle Branchen von der Haushaltsgeräteindustrie bis zur Luft- und Raumfahrt. Die Palette umfasst rund 500.000 präzisionsgefertigte Produkte, 98 Prozent gehen in den Export.